EU-Parlament: Demokratie in Polen in Gefahr
17. Juli 2017Angesichts der jüngsten Justizreform in Polen sehen EU-Parlamentarier die Demokratie in dem osteuropäischen Land in höchster Gefahr. Die entsprechenden Gesetze seien mit EU-Verträgen und der Mitgliedschaft in der Europäischen Union nicht vereinbar - träten sie in Kraft, müsse dies Konsequenzen haben, heißt es in einem Brief, den die Vorsitzenden der wichtigsten Fraktionen an EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani sandten.
Wenn "das Überleben von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit" auf dem Spiel stehe, dürften die Institutionen der EU nicht schweigen, schreiben die Fraktionschefs Manfred Weber (Christdemokraten), Gianni Pittella (Sozialisten), Guy Verhofstadt (Liberale), Gabi Zimmer (Linke), Philippe Lamberts und Ska Keller (beide Grüne). Der geplante Umbau der Justiz verletze nicht nur die polnische Verfassung, sondern auch "fundamentale Prinzipien der EU-Verträge". Da der Oberste Gerichtshof die Instanz sei, die die Gültigkeit von Wahlen feststelle, stehe nicht allein die Abschaffung des Rechtsstaats bevor. Auch freie Wahlen könnten in Polen nicht mehr garantiert werden, heißt es in dem Schreiben weiter.
Entmachtung des Verfassungsgerichts
Mit zwei neuen Gesetzen hatte die Regierung in Warschau vergangene Woche ihre Kontrolle über die Besetzung von Richterstellen erheblich ausgeweitet. Noch in dieser Woche könnte eine Gesetzesvorlage verabschiedet werden, die Kritikern zufolge das polnische Verfassungsgericht entmachten würde.
Auch aus Deutschland kommt massive Kritik an der Justizreform im Nachbarland. So bezeichnet der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum, die Schwächung des Verfassungsgerichtshofs und die angekündigte Entlassung sämtlicher Richter des Obersten Gerichts als "Erosion des Rechtsstaates". "Das derzeitige Polen würde die EU-Aufnahmekriterien nicht erfüllen", sagte Krichbaum der Nachrichtenagentur Reuters. Die Lage sei "wirklich dramatisch".
Der CDU-Politiker fordert ebenso wie SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Polen. Es sei klar, "dass dies keine bilaterale Angelegenheit ist, sondern die ganze EU angeht", sagte Schäfer. Beide Politiker betonten, dass man Polen notfalls das Stimmrecht in der EU entziehen sollte, wenn die Regierung nicht einlenke.
jj/qu (dpa, afp)