EU rebelliert - müssen die USA jetzt zittern?
18. Mai 2018Es ist ein Gesetz aus der wirtschaftspolitischen Mottenkiste. EU-Beamte haben eine Verordnung wiederentdeckt, die sogenannte "Blocking-Regulation Nr. 2271/96". Sie war die europäische Antwort auf den sogenannten "Helms-Burton-Act", mit dem die USA 1996 ihr Wirtschaftsembargo gegen Kuba massiv verschärften, indem sie ausländische Unternehmen in die Sanktionen mit einbezog. Wie selbstverständlich nahmen die USA damit erstmals für sich das Recht in Anspruch, in die Rechtsordnungen von Drittstaaten einzugreifen.
Die EU hielt das für völkerrechtswidrig, drohte mit einer Klage vor der Welthandelsorganisation WTO und verbot EU-Unternehmen schließlich per Verordnung 2271/96, das US-Embargo zu befolgen. Gleiches galt für den "Iran Libya Sanctions Act", durch den die USA den iranischen Energiesektor mit einem Embargo belegten. Auch hier wurden ausländische Unternehmen mit einbezogen. Wer Geschäfte mit dem Iran machen wollte, musste mit empfindlichen Konsequenzen rechnen.
Bill Clinton ließ sich noch beeindrucken
Angewandt wurde die EU-Verordnung allerdings nie, denn die aufgebaute Drohkulisse reichte am Ende aus, um die USA zum Einlenken zu bewegen. Damals hieß der US-Präsident allerdings noch Bill Clinton und nicht Donald Trump. Die USA gaben 1998 eine Verpflichtungserklärung ab, keine europäischen Unternehmen unter dem "Helms-Burton-Act" zu bestrafen.
Der damalige Fall soll nun als Blaupause für den Streit um die angekündigten US-Sanktionen gegen den Iran dienen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat angekündigt, dass das "Blocking-Statute" überarbeitet und ergänzt werden und spätestens zum 6. August vorliegen soll, wenn die US-Sanktionen gegen den Iran in Kraft treten. "Wir müssen jetzt handeln", so Juncker beim Treffen der europäischen Regierungschefs in Sofia.
Europäer sind entschlossen
Am Freitag wurde in Brüssel der Startschuss gegeben. Bis zum 4. Juni soll die Neuauflage der Verordnung konkret ausgearbeitet werden. Sollte es dann noch Bedenken geben, würden zwei Monate bleiben, diese auszuräumen. Die Kommission scheint entschlossen. Es werde das Erste sein, was er am Freitagmorgen angehen werde, hatte Juncker in Sofia angekündigt. Dabei ist man sich in der Kommission durchaus darüber im Klaren, dass die Verordnung allein nicht ausreichen wird. Deshalb soll auch die EIB, die Europäische Investitionsbank, mit ins Boot geholt werden.
Ihr es soll erlaubt werden, Investitionen im Iran zu erleichtern. Die EIB soll außerdem dabei helfen, die Kreditwürdigkeit des Iran zu erhöhen. Die EU-Kommission will auch auf dem Energiesektor stärker mit dem Iran zusammenarbeiten. Der EU-Kommissar für Klimapolitik und Energie, Miguel Arias Cañete, wird bereits an diesem Wochenende nach Teheran reisen und dort Gespräche führen. Alles mit dem Ziel, den Iran im Atomabkommen zu halten.
Der Ton gegenüber den USA wird rauer
Die Europäer haben die Nase voll von den Launen und Provokationen des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Der laute, oft rüpelhafte und unberechenbare "amerikanische Freund" hat viel Porzellan zerschlagen. Der gekündigte Iran-Deal, die nur ausgesetzten Strafzölle gegen europäische Stahl- und Aluminiumimporte in die USA, seine Absicht, den Freihandel und die liberale Weltordnung zu demontieren - in den vergangenen Monaten ist viel zusammengekommen.
Das transatlantische Bündnis ist keine Selbstverständlichkeit mehr. "Mit solchen Freunden, wer braucht da noch Feinde?", hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk in Sofia die Stimmung zusammengefasst.Mit der Absicht, sich bei den Iran-Sanktionen gegen die USA zu stellen, machen die Europäer eine klare Kampfansage. Die Konsequenzen sind allerdings absehbar. Nach den Erfahrungen der vergangenen Monate dürfte die Wirkung auf Trump eine ähnliche sein, wie der Einsatz eines roten Tuchs in einer Stierkampfarena.
David gegen Goliath
Tatsächlich warnt der deutsche Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bereits davor, die Konflikte zwischen Europäern und Amerikanern eskalieren zu lassen. "Mir ist vor allem wichtig, dass wir nicht an verschiedenen Fronten in einen völlig ungeplanten und unstrukturierten Wettlauf um höhere Zölle, höhere Sanktionen, gegenseitiges Misstrauen hineinlaufen", sagte Altmaier am Freitag im ARD-Morgenmagazin. Der bislang gut funktionierende freie Welthandel sei vielen Menschen zugute gekommen. "Das will ich nicht riskieren."
Tatsächlich ist schon jetzt absehbar dass die so verschiedenen Konflikte am Ende in einem Topf landen werden. Im besten Fall würde es auf einen "Deal" hinauslaufen, der sowohl das Atomabkommen mit dem Iran retten als auch einen Handelskrieg zwischen der EU und den USA abwenden würde. Im schlimmsten Fall würde sich der transatlantische Graben jedoch so weit verbreitern, dass alle noch bestehenden Brücken zusammenbrechen könnten.
Auch Merkel ist skeptisch
In der Bundesregierung sieht man diese Gefahr durchaus. Nicht ohne Grund wird die Bundeskanzlerin nicht müde, die besondere Beziehung die Deutschland mit den USA hat, immer wieder zu betonen. "Trotz aller Schwierigkeiten, die wir in diesen Tagen haben, sind und bleiben die transatlantischen Beziehungen von herausragender Bedeutung. Das bleibt eine Konstante", so Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag. Der europäischen Kampfansage an die USA wird die Bundesregierung zwar offiziell mittragen, hinter den Kulissen stehen die Deutschen aber auf der Bremse und setzen alles daran, den Streit nicht eskalieren zu lassen.
Die transatlantischen Beziehungen müssten Meinungsverschiedenheiten aushalten können, betont Merkel. Nach dem Motto: Man wird sich doch unter Freunden auch mal streiten dürfen. "Wenn die USA sagen, America First, wir stellen unsere Wirtschaftsinteressen in den Vordergrund, dann müssen sie damit rechnen, dass wir Europäer unsere Wirtschaftsinteressen auch definieren und dafür kämpfen", formuliert es Bundeswirtschaftsminister Altmaier. Das sei die Diskussion, die im Augenblick auch in der EU geführt werde.
Kann die EU die Auseinandersetzung durchhalten?
Allerdings befürchtet die Bundesregierung nicht nur, dass der Streit eskalieren und die Beziehungen nachdrücklich belasten könnte. Nüchtern betrachtet stellt sich auch die Frage, ob die EU überhaupt in der Lage ist, den USA nachhaltig die Stirn zu bieten. Das weiß man allerdings auch in Brüssel. Wenn die US-Sanktionen das seien, was man erwarte, würden sie Wirkung zeigen. Die Frage sei allein, wie man diesen Effekt abschwächen könne, heißt es aus Kreisen der EU-Kommission. Einen Königsweg gegen die US-Sanktionspolitik gebe es nicht.
Am Ende ist es auch eine finanzielle Frage. Das Blocking-Statute, also die EU-Verordnung 2271/96 sieht vor, dass die europäischen Unternehmen, die sich gegen die US-Sanktionen stellen, für möglicherweise entstehende Kosten und Verluste entschädigt würden. Das könnte teuer werden.
Große Konzerne kann niemand auffangen
Die Bundeskanzlerin baut daher schon vor. "Wir können schauen, ob wir kleineren und mittleren Unternehmen bestimmte Erleichterungen geben, das wird zurzeit geprüft", so Merkel in Sofia. "Aber in einer umfassenden Weise die gesamte Wirtschaft zu entschädigen bei entsprechenden Maßnahmen der USA, da können und dürfen wir keine Illusionen schüren, glaube ich."
Skeptisch ist auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Der Einsatz des Blockadestatuts sei nachvollziehbar, seine Wirkung jedoch unklar, heißt es. "Es ist klug, die Effekte genau zu untersuchen, um am Ende nicht europäischen Unternehmen zu schaden." Da das Blocking-Statute in das US-Geschäft der deutschen Industrie spürbar eingreifen könne, müsse vorrangiges Ziel sein, konkurrierende Gesetzeslagen in Europa und den USA zu vermeiden.