EU sagt Irak Aufbauhilfe zu
5. November 2004Mit Unterstützung der früheren Kriegsgegner hat die EU dem Irak ein umfangreiches Hilfspaket zum Wiederaufbau des Landes angeboten. Die EU-Staats- und Regierungschefs legten am zweiten Tag ihres Herbstgipfels in Brüssel dem irakischen Ministerpräsidenten Ajad Allawi am Freitag (5.11.) entsprechende Pläne vor. Danach will sich die EU unter anderem am Aufbau von Polizei und Justiz beteiligen. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte, egal wie ein Land zum Krieg gestanden habe, gehe es jetzt darum, Demokratie und Sicherheit im Irak zu verankern.
Die EU sagte dem irakischen Premier zudem ein Hilfspaket aus Handelserleichterungen und direkte Finanzspritzen zur Organisation der Wahlen zu. Eigenes EU-Personal in Bagdad wird es bis auf weiteres aber nicht geben.
Meinungsverschiedenheiten
Bei dem Gipfel wurden aber auch die unterschwellig weiterhin bestehenden Differenzen sowohl bei der Irak-Politik wie auch bei der Frage des künftigen Verhältnisses zu den USA unter George Bush deutlich. Während der britische Premierminister Tony Blair und Allawi die EU zu mehr Engagement im Irak aufriefen, wehrten sich Deutschland und Frankreich gegen die Kritik des irakischen Premiers, die beiden Länder seien vor allem Zuschauer beim Wiederaufbau des Iraks. Schröder konterte die Kritik mit dem Hinweis, dass Deutschland keineswegs zuschaue, sondern in benachbarten Staaten irakische Sicherheitskräfte ausbilde. Außerdem setze Berlin sich für einen großzügigen Schuldenerlass ein.
Der französische Staatschef Chirac nahm nicht am Treffen mit dem irakischen Regierungschef teil. Er bestritt aber, er sei bewusst einem Zusammentreffen mit Allawi aus dem Weg gegangen. Chirac lud den irakischen Präsidenten nach Paris ein.
Allawi sagte, die Sicherheitslage verbessere sich. Der Kampf gegen Terroristen in seinem Land sei nicht nur eine irakische Angelegenheit: "Wir müssen alle die Reihen schließen und den Terror besiegen. Wenn er im Irak geschlagen wird, wird er in der ganzen Welt besiegt werden."
Bush am Telefon
Während des Gipfeltreffens telefonierte Bundeskanzler Schröder zum ersten Mal nach dessen Wahlsieg mit US-Präsident George W. Bush und gratulierte persönlich. Die bisher angeblich gute Zusammenarbeit müsse fortgesetzt und ausgebaut werden, sagte Schröder, dessen Verhältnis zu Bush nach der Irak-Invasion arg belastet war. "Wir waren beide der Auffassung, dass es jetzt darum geht, nach vorne zu schauen, die bilateralen Beziehungen auf der guten Basis, auf der sie immer waren, weiter auszubauen, abgesehen von den Meinungsverschiedenheiten in der einen Frage, die sie alle kennen", so der Bundeskanzler. "Sowohl Amerika als auch Deutschland sind an intakten, freundschaftlichen Beziehungen beider Länder interessiert."
Für Tony Blair, den engsten Verbündeten des US-Präsidenten, folgte aus dessen Wiederwahl vor allem die Aufforderung an seine europäischen Kollegen, im Irak konstruktiv mitzuwirken. Chirac zog hingegen ein anderes Fazit aus dem Wahlsieg Bushs: "Es ist klar, dass nach der Bestätigung der starken amerikanischen Position natürlich die Notwendigkeit weiter besteht, Europa zu stärken, sowohl politisch als auch wirtschaftlich." Chirac sieht also die EU als Gegengewicht zu einem unilateral handelnden Amerika.
Instabiler Pakt
Die Staats- und Regierungschefs beschlossen, an dem Ziel, Europa bis 2010 zum wirtschaftlich stärksten Raum der Welt zu machen, festzuhalten. Dazu seien neue Konzepte und Reformanstrengungen notwendig. Schröder forderte eine Grundsatzdebatte über den Stabilitäts- und Wachstumspakt, der mit seinen starren Defizitregeln Wachstum in Deutschland behindere.
Auch der Gesundheitszustand des Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, Jassir Arafat, spielte bei vielen informellen Gesprächen auf dem Gipfel eine Rolle. Einige Staats- und Regierungschefs sahen das nahende Ende Arafats und den Beginn der zweiten Amtszeit von Bush auch als Chance, Bewegung in die starren Fronten im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern zu bringen. Die starre Haltung Arafats zur "Road map" wurde von EU-Diplomaten als eines der Haupthindernisse im Friedensprozess gesehen.