EU stoppt Finanzhilfen für Palästinenser
7. April 2006Die EU-Finanzhilfen für die palästinensische Autonomiebehörde würden unterbrochen, sagte eine Kommissionssprecherin am Freitag (7.4.2006). Dies gelte so lange, bis die EU-Außenminister eine Entscheidung über weitere Zahlungen getroffen hätten. Die Einstellung der Zahlungen wolle diese Entscheidung nicht vorwegnehmen, über die am Montag die EU-Außenminister in Luxemburg beraten wollen. Die EU ist mit rund 500 Millionen Euro im Jahr der größte Geldgeber der Autonomiebehörde.
Appell der Hamas
Nach dem Wahlsieg der radikalislamischen Hamas im Januar hatte Brüssel mit der Überprüfung der Hilfsprogramme begonnen. Die EU verlangt, dass die neue Hamas-Regierung, das Existenzrecht Israels anerkennt, der Gewalt abschwört sowie bestehende Abkommen respektiert. Die Hamas hatte an die EU appelliert, die Hilfen nicht auszusetzen. Ein solcher Schritt wäre eine "kollektive Bestrafung" für das palästinensische Volk, sagte ein Abgeordneter der Hamas, Muschir al-Masri. "Wir drängen Europa, den Dialog zu suchen und zwar ohne Vorbedingungen. Vorbedingungen zu machen, wird nicht der Stabilität der Region helfen."
Die Ankündigung kommt für die Hamas-Regierung zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Die junge Palästinenserregierung hat neben Liquiditätsproblemen auch Schwierigkeiten, eine Bank für ihre Finanzgeschäfte zu finden. Sollte die Hamas-Regierung keine Bank finden, könnte dies nach Einschätzung eines westlichen Diplomaten zu einer Unterbrechung des palästinensischen Zahlungssystems führen. Lohnzahlungen an Regierungsangestellte könnten ebenso ausbleiben wie die ausländischen Finanzhilfen für die Palästinenser. "Man kann keine Regierung führen, ohne eine Bank zu haben", sagte ein Vertreter der Palästinenserverwaltung am Donnerstag.
Die Hamas macht für ihre Schwierigkeiten eine internationale Kampagne gegen ihre Organisation verantwortlich. Ein Hamas-Minister hatte am Mittwoch bekannt gegeben, die in Amman ansässige Arab Bank habe die Zusammenarbeit eingestellt. Bislang hatte die Regierung dort ein Konto, auf dem Hilfszahlungen eingingen und von dem rund 140.000 Mitarbeiter bezahlt wurden.
Israel reguliert den Geldhahn
Die palästinensische Regierung steckt ohnedies bis zum Hals in Geldproblemen. Denn Israels Regierung stellte nach dem Wahlsieg der Hamas die Überweisungen von Steuereinnahmen an die Palästinenserregierung ein. Zudem droht der Hamas-Regierung ein weiterer Rückgang der ausländischen Hilfen. Beim ersten Treffen der neuen, von der Hamas-Bewegung geführten Palästinenserregierung schlug Ministerpräsident Ismail Hanija am Mittwoch bereits Alarm. Er kündigte den finanziellen Kollaps der Autonomiebehörde an, sollte seine Regierung nicht umfassende Hilfen aus dem Ausland erhalten. Das Finanzministerium stehe vor völlig leeren Kassen.
Armut folgt Hunger
Der drohende Bankrott setzt die neue Regierung vom ersten Tag an enorm unter Druck. Denn nach Jahren des Aufstandes gegen die israelische Besatzung leben viele Palästinenser von der Hand in den Mund. Die Finanzkrise wird zwar am Kabinettstisch beraten, aber am Esstisch verarmter Familien sofort gespürt.
Auf einem Gipfeltreffen in Khartum bekundeten die arabischen Staats- und Regierungschefs Ende März zwar ihre Solidarität mit der neuen palästinensischen Regierung. Doch der Ruf der Hamas nach einer Finanzspritze in Höhe von 170 Millionen US-Dollar (rund 139 Millionen Euro) blieb weitgehend unerfüllt. Die arabischen Staaten versprachen nur 50 Millionen US-Dollar. Selbst die lassen aber vorerst auf sich warten.
"Das ist überhaupt nicht genug, um die Krise zu lösen", klagte Hanija. Finanzminister Omar Abdel Rassak erinnerte: "Die neue Regierung baut auf Zusagen der arabischen und islamischen Welt, die Palästinenser und ihre Sache zu unterstützen." Der neue palästinensische Außenminister Mahmud Sahar will deshalb zu einer Tour ins Ausland aufbrechen. Auf dem Reiseplan stehen mehrere arabische Staaten, außerdem Indien, Malaysia und Indonesien. Wunschziel der Hamas ist auch China. Die Hamas will sich bei den Regierungen dieser Länder um mehr Unterstützung bemühen. (mas/stu)