EU und USA gegen Russland geeint
26. März 2014Die belgische Polizei hat viel Erfahrung mit großen Gipfeltreffen, schließlicht tagt die Europäische Union hier alle paar Wochen. Doch wenn POTUS kommt, kurz für "President Of The United States", dann übernimmt der Secret Service das Kommando, die Leibwache des US-Präsidenten. Auf den Dächern des EU-Ratsgebäudes wurden aus Wellblech Beobachtungsposten und Positionen für Scharfschützen aufgebaut. Straßen und Plätze sind weit um das Gebäude abgesperrt. Buslinien werden umgeleitet, die Mülleimer wurden selbst in entfernten U-Bahn-Stationen zugeschraubt. 1500 Polizisten schirmen Barack Obama ab. Die belgische Bevölkerung bekommt den amerikanischen Präsidenten bei seinem ersten Besuch in der Hauptstadt Europas nicht zu Gesicht.
Ziemlich beste Freunde
Es ist der erste offizielle Gipfel zwischen der Europäischen Union und den USA seit 2011. Barack Obama will mit seinem Besuch Befürchtungen in Europa entgegentreten, er nehme den alten Kontinent nicht so richtig ernst: "Europa ist, einschließlich der Europäischen Union, der Eckpfeiler unseres Engagements rund um den Erdball. Wir sind sicherer und wohlhabender, ja die Welt ist sicherer und gerechter, wenn Europa und Amerika wie eine Eins zusammenstehen", sagte Barack Obama in seiner Pressekonferenz. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hörte das gern und sagte, gerade angesichts der gegenwärtigen Spannungen mit Russland sei auf die USA eben Verlass: "Wir bauen auf diesen Fels, um die Herausforderungen zu bestehen. Ein Freundschaftsband, das von der Geschichte getestet wurde. Dieses Band ist unerschütterlich."
Mehr als ein Höflichkeitsbesuch ist der Gipfel allerdings nicht, denn das Gespräch mit EU-Kommissionspräsident José Barroso, EU-Ratspräsident Herman Van Rumpoy, der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und dem EU-Handelskommissar Karl de Gucht dauerte nur knapp zwei Stunden, inklusive eines Mittagessens. Die bei der Planung des Gipfels noch nicht absehbare Auseinandersetzung mit Russland um die Zukunft der Ukraine schweißt die Europäer und die USA unerwartet zusammen, meint Jan Techau von der "Carnegie-Stiftung" in Brüssel: "Es ist interessant zu sehen, wie in Zeiten einer existenziellen Krise der Kern des transatlantischen Verhältnisses sichtbar wird: die Sicherheits-Partnerschaft." Und EU-Kommissionspräsident Barroso setzte schon fast gerührt noch einen leidenschaftlichen Appell drauf: "Ich möchte dem amerikanischen Volk sagen, dass es auf uns zählen kann als bester Freund und Verbündeter."
Beim Handelsabkommen cool bleiben
Strittige Themen wie die Spionage-Aktivitäten der US-Geheimdienste in Europa und das Abgreifen von Millionen von Datensätzen europäischer Bürger gerieten bei dem Gespräch in den Hintergrund. Der amerikanische Präsident und die europäischen Vertreter wollen auf jeden Fall das Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen den USA und der EU schnell erfolgreich abschließen. Mit Detailfragen beim Verbraucher- oder Datenschutz haben sich die Staats- und Regierungschefs nicht befasst, das bleibt den Verhandlungsdelegationen überlassen.
"Es ist sinnlos, sich über Bestimmungen in einem Handelsabkommen aufzuregen, die noch gar nicht entworfen worden sind. Es wird genug Zeit geben, das Handelsabkommen zu hinterfragen, wenn es tatsächlich öffentlich vorgelegt wird", sagte Obama und gab ein Versprechen ab: "Ich garantiere Ihnen aber, dass bereits vorhandener Umweltschutz und Verbraucherschutz noch verstärkt werden."
Das Europäische Parlament muss dem TTIP zustimmen. Dort formiert sich Widerstand gegen Teile des Handelsabkommens. Der FDP-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff, der die USA aus eigener Anschauung als ehemaliger Diplomat in der deutschen Botschaft in Washington kennt, sagte, die USA hätten am Freihandel ein ebenso großes Interesse wie die Europäer. "Das sollten wir strategisch nutzen. Die EU und die USA müssen sich beim Datenschutz auf gemeinsame Standards einigen. Das muss parallel zum Freihandelsabkommen erreicht werden. Die Gespräche jetzt auszusetzen wäre das falsche Signal." Herman Van Rompuy, der EU-Ratspräsident, sieht im Handelsabkommen ein strategisches Instrument, um in der aktuellen Krise Russland weiter zu isolieren: "In Tagen wie diesen ist die Vertiefung des transatlantischen Handels auch ein politisches Signal. Wir zeigen der Öffentlichkeit und der Welt, wer wir wirklich sind in Europa und Amerika. Die Wirtschaft fußt auf Regeln. Die Gesellschaft hat gemeinsame Werte. Wir sind stolz darauf."
Mehr amerikanisches Erdgas nach Europa
Die USA und die EU wollen gemeinsam prüfen, wie Europa unabhängiger von russischen Energielieferungen werden kann. US-Präsident Obama kündigte an, die USA wollten mehr Gas auf den Weltmarkt pumpen, um Russland Konkurrenz zu machen. Europa müsse aber auch mehr unternehmen, um eigene Quellen zu erschließen. In der EU ist die Gewinnung von Gas aus Gestein, das sogenannte Fracking, das in den USA angewendet wird, äußerst umstritten. "Falls die russische Führung gedacht haben sollte, die Welt würde sich um das russische Vorgehen in der Ukraine nicht scheren, oder sie könne einen Keil zwischen die USA und Europa treiben, hat sie sich gründlich verrechnet", sagte der US-Präsident. Sollte Russland seinen Kurs beibehalten, würden Wirtschaftssanktionen verhängt werden. Da seien sich EU und USA absolut einig. Obama kündigte an, dass die NATO prüfen werde, ob sie ihre militärische Präsenz in östlichen Mitgliedsstaaten in der Nachbarschaft Russlands dauerhaft erhöhen müsse.