Mehr Europa liegt in der Luft
4. Mai 2010Wegen der Vulkan-Asche aus Island wird der Luftraum über Schottland und Nordirland ab Mittwoch (04.05.2010) 8 Uhr MESZ wieder geschlossen. Auch Irland hat erneut ein Flugverbot verhängt. Ab 12.00 Uhr MESZ seien am Mittwoch alle Flüge ab und nach Dublin verboten, teilte die irische Luftfahrtbehörde IAA mit. An den Airports Shannon und Galway sollte der Betrieb vorerst normal weiterlaufen.
In Deutschland dürfte die neue Wolke dem Deutschen Wetterdienst (DWD) zufolge aber vorerst zu keinen Beeinträchtigungen führen.
EU beschließt Grenzwerte
Am Dienstag (04.05.2010) hatten Verkehrsminister der Europäischen Union bei einem Sondertreffen in Brüssel eine europäische Lösung für Flugverbote vereinbart. "Wir brauchen dringend einheitliche Mess-Systeme über Konzentration von Vulkanasche in der Luft", forderte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). "Wir brauchen einheitliche Grenzwerte über die Frage, was verträgt ein Flugzeug bedenkenlos und bei welchen Aschekonzentrationen kann auf gar keinen Fall geflogen werden?"
Europaweite Grenzwerte sollen nun sofort in Kraft treten. "Ich glaube, dass wir damit im Interesse von Verantwortung und Sicherheit erhebliche Fortschritte erzielt haben", sagte Ramsauer und betonte, dass sich die 27 EU-Mitglieder einvernehmlich verpflichtet hätten, bei den Grenzwerten dem empfohlenen Drei-Zonen-Modell der Europäischen Flugsicherung Eurocontrol zu folgen. Demnach sind Flüge verboten, sobald die Aschekonzentration in einem Kubikmeter Luft zwei Milligramm übersteigt (Zone 3). Das Flugverbot gilt dann auch in einem Radius von rund 110 Kilometern um die Verbotszone. Nur unterhalb von 0,2 Milligramm Asche pro Kubikmeter gebe es keine Einschränkungen (Zone 1). Dazwischen in der Zone 2 gelten dann besondere Sicherheitsauflagen.
Im September wolle die EU außerdem versuchen, ihre Grenzwerte bei der Generalversammlung der Welt-Luftfahrtorganisation ICAO weltweit verbindlich durchzusetzen. Bis zum nächsten Treffen der EU-Verkehrsminister am 24. Juni in Luxemburg soll darüber hinaus ein einheitliches europäisches Messsystem, bestehend aus den Boden- und Luftmessstationen in den Mitgliedsstaaten, entwickelt werden. Allein in Deutschland gebe es 52 Boden-Messstellen.
Streitpunkt: einheitlicher Luftraum
Ungelöst blieb aber ein anderes, größeres Problem: Denn praktisch jedes EU-Land hat seine eigene Luftüberwachungsbehörde und möchte daran auch festhalten. Da nutzt auch nicht viel, dass es schon seit 50 Jahren die europäische Organisation für Luftfahrtsicherheit, kurz Eurocontrol, gibt. Denn sie kann den nationalen Behörden keine Vorschriften machen.
Die Kommission arbeitet seit langem auf das Ziel eines einheitlichen europäischen Luftraums hin - mit wenig Erfolg. Der spanische Verkehrsminister und Ratsvorsitzende José Blanco glaubt aber, die Aschewolke habe plötzlich neue Einsichten befördert. "Bei der Frage eines einheitlichen europäischen Luftraums haben wir in zwei Wochen mehr erreicht als in Jahren." Die Kommission will den gemeinsamen Luftraum aber nicht nur durchsetzen, um auf Naturkatastrophen reagieren zu können. Es geht zunächst schlicht darum, das erwartete weitere Anwachsen des Luftverkehrs bewältigen zu können.
Es geht um Hoheitsrechte
Als Beispiel für Fortschritte sprach EU-Verkehrskommissar Siim Kallas vom neuen Posten eines sogenannten Netzmanagers, auf den sich die Verkehrsminister in Brüssel jetzt geeinigt haben. Dieser Posten ist auch Teil des geplanten einheitlichen Luftraums. Doch auch dessen Befugnisse sind begrenzt, wie Kallas auf Befragen zugab. "Der Netzmanager war nie als supranationale Einrichtung gedacht. Es geht um Koordinierung, die bei der Lösung dieser Krise sehr geholfen hätte. Aber die letzte Entscheidung liegt bei den Mitgliedsstaaten." Und deren Widerstand ist groß, weil es bei der Luftraumüberwachung auch um Hoheitsrechte geht. Kein Staat gibt sie leicht auf. Deswegen ist der einheitliche Luftraum wohl eher eine Langzeitaufgabe.
Beim nächsten Vulkanausbruch: Bahn fahren
Aber parallel dazu will die EU auch auf andere Weise besser auf den nächsten Vulkanausbruch vorbereitet sein: Wenn der Flugverkehr gesperrt werden muss, sollen andere Verkehrsträger, vor allem die Bahn, problemloser einspringen können.
Auch dazu ist mehr europäische Kooperation nötig: Der grenzüberschreitende Bahnfernverkehr müsste erleichtert und ausgeweitet werden. Umweltschützer sehen hier ein weiteres Argument, die Bahn als Verkehrsmittel mehr zu fördern als bisher.
Autor: Christoph Hasselbach / Marion Linnenbrink (dpa/rtr)
Redaktion: Nicole Scherschun / Oliver Samson