EU schickt Brandbrief nach Polen
23. Dezember 2015Nach dem Votum im polnischen Parlament zur Neuordnung des Verfassungsgerichts hat die EU-Kommission einen Brandbrief nach Polen geschickt. Wie die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) und die ARD-Tagesschau berichten, fordert EU-Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans in einem Schreiben an den polnischen Außenminister Witold Waszczykowski und an Justizminister Zbigniew Ziobro eine Überprüfung der Gesetzesänderung. Die Regierung in Warschau wird darin aufgerufen, das Gesetz nicht in Kraft treten zu lassen, ohne vorher die Auswirkungen auf die "Unabhängigkeit und die Funktionsweise" des Gerichts geprüft zu haben.
"Die Rechtsstaatlichkeit gehört zu den gemeinsamen Werten, auf denen die Europäische Union gegründet ist", zitiert die SZ aus Timmermans Schreiben. Der Kommission sei es daher wichtig, Entwicklungen zu stoppen, die die Rechtsstaatlichkeit eines Mitgliedstaates infrage stellen könnten. Dies gelte zum Beispiel, wenn die Integrität, Stabilität und das ordnungsgemäße Funktionieren eines nationalen Verfassungsgerichts untergraben würden.
Die polnische Regierung wird in dem Schreiben aufgefordert, die EU-Kommission über ihre weiteren Schritte baldmöglichst zu unterrichten.
Zuvor hatte bereits der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn als amtierender EU-Ratspräsident die EU-Institutionen zum Handeln aufgefordert. "Es geht um die Grundrechte nicht nur Polens, sondern der EU, die hier verletzt werden", warnte Asselborn. "Die Entwicklung in Warschau erinnert leider an den Kurs, den auch diktatorische Regime gegangen sind", sagte der Sozialdemokrat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Asselborn warnte weiter, dass auch niedrige Gerichtsinstanzen die Unabhängigkeit zu verlieren drohten, "wenn das oberste Gericht als Kontrollinstanz faktisch entmachtet" werde. Auch Einschränkungen der Meinungsfreiheit seien zu erwarten.
Das polnische Parlament hatte am Dienstagabend mit klarer Mehrheit der regierenden nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) unter ihrem Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski das Gesetz zum Verfassungsgerichtshof geändert. Dieser sieht unter anderem vor, dass künftig für alle Entscheidungen des Verfassungsgerichts eine Zweidrittelmehrheit statt wie bisher eine einfache Mehrheit erforderlich ist. Es entfällt überdies der Paragraf über die Unabhängigkeit des Gerichts.
qu/wl (dpa, afp, SZ)