Gemeinsam sind wir (etwas) stärker
27. September 2016Das Thema "Europäische Verteidigungszusammenarbeit" steht seit fast zwanzig Jahren auf der Tagesordnung der EU. Der Fortschritt war bisher minimal, alle größeren Initiativen wurden von Großbritannien blockiert. Nach dem Brexit-Votum sehen Paris und Berlin nun eine neue Chance - eine starke europäische Verteidigung betrachten sie als Anliegen der Bürger und als Weg vorwärts in der EU. Deutschland und Frankreich legen also beim Treffen der Verteidigungsminister in Bratislava alte Vorschläge frisch formuliert auf den Tisch, unterstützt inzwischen von Italien, das mit seinen Ideen sogar noch etwas weiter geht.
Bestehendes besser koordinieren
"Wenn man sieht, wie viel Personal und Finanzen vorhanden sind, aber wie wenig wir untereinander koordiniert sind, dann können wir deutlich besser werden", sagt Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen vorsichtig. Ihr französischer Kollege Jean-Yves Le Drian hofft dagegen schon auf deutliche Fortschritte bis Ende des Jahres. Zunächst wollen beide ein zentrales EU-Sanitätskommando und eine gemeinsame Logistikzentrale einrichten. Bisher dauere es monatelang, bis die Europäer zivil-militärische Projekte in Gang bekamen, jetzt wollen sie schneller werden. Sei es bei der Katastrophenhilfe oder bei friedenssichernden Missionen etwa in Afrika. Auch die Migration wird genannt, wo Europa unter anderem bei der Grenzkontrolle mit zivil-militärischen Kapazitäten gefragt sein könne.
Darüber hinaus geht es beiden Ländern auch um die Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie. Die EU-Kommission soll noch im November einen entsprechenden Aktionsplan vorlegen, der auch Finanzierungsvorschläge vorsieht, etwa einen Investitionsfonds sowie eigene Einrichtungen für Forschung und Entwicklung.
Mogherinis Fahrplan
In Bratislava zeigen sich erste Fraktionen in der Union: Spanien, Portugal und Griechenland befürworten die Vorschläge, von den Osteuropäern ebenso Ungarn und Tschechien, heißt es aus Verhandlungskreisen. Polen dagegen wolle noch Zusicherungen, dass die gemeinsame europäische Verteidigung nicht im Widerspruch zur NATO steht. Ziemlich umstritten ist bei einigen Ländern die Idee eines operativen EU-Hauptquartiers, für das Deutschland den Sitz des Euro-Corps in Straßburg vorschlägt. Von dort aus könnten künftig europäische Missionen geleitet werden.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bei allen Mitgliedsstaaten angefragt, wer sich wie weit in der europäischen Vereidigungs- und Sicherheitspolitik engagieren will. Die Sorge, die EU könnte Doppelstrukturen zur NATO aufbauen, kontert sie: "Wir reden hier nicht über eine europäische Armee, sondern über bessere Zusammenarbeit im Einvernehmen mit der NATO". Bis zum Verteidigungsministertreffen im November will Mogherini einen zustimmungsfähigen Plan zur Zusammenarbeit vorlegen, die Regierungschefs beim Gipfel im Dezember könnten ihn schon beschließen.
Störrische Briten
Ob die EU tatsächlich noch mit 28 Stimmen diese Pläne beschließt oder nur eine Gruppe von Ländern im Rahmen der sogenannten "Permanenten verstärkten Zusammenarbeit", das hängt vor allem von Großbritannien ab. Denn London stellt sich quer.
Plan B sieht daher letztere Lösung vor, aber auch dabei ist nicht sicher, ob die Briten solche Beschlüsse nicht weiter blockieren können. Verteidigungsminister Michael Fallon jedenfalls warnte in Batislava einmal mehr: "Es wäre der falsche Weg, wenn man einfach die Strukturen der Nato duplizieren oder die Allianz schwächen würde". Schon im Vorab hatte er seinen unbeugsamen Widerstand gegen eine "europäische Armee" in britischen Zeitungen öffentlich gemacht.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wies die britischen Einwände in Bratislava zurück: "Es gibt keinen Widerspruch zwischen einer starken europäischen Verteidigung und der NATO." Er habe vor dem Brexit-Votum gefordert, die Europäer sollten ihre Verteidigung stärken, und er tue es jetzt danach. Es gehe um zusätzliche Fähigkeiten, nicht um eine Verdoppelung von NATO-Strukturen.
In Großbritannien allerdings geht der Kampf gegen die EU-Pläne weiter. Niemand außer Ungarn habe in der Ministerrunde etwa über die Idee einer europäische Armee gesprochen, so heißt es. Aber die Briten bauen sie weiter als Popanz auf, um sie öffentlich abschießen zu können. Wie groß die Blockade der britischen Regierung tatsächlich sein wird, ist offen - obgleich sie versprochen hat, nach dem Brexit-Votum die EU nicht in ihren Entscheidungen zu behindern. Und ob sie möglicherweise sogar eine verstärkte Zusammenarbeit der übrigen Mitgliedsländer verhindern könnte, ist politisch und rechtlich noch nicht sicher.