EU-Zweifel an der libyschen Küstenwache
27. April 2017Ja, man erwarte natürlich von der Küstenwache Libyens eine Bekämpfung der Schlepperbanden - aber nein, die Bitte der Regierung in Tripolis um Schiffe und Material müsse erst noch gründlich geprüft werden. Beim Treffen der EU-Verteidigungsminister in Malta wurde deutliche Kritik an Forderungen der UN-gestützten Regierung zur Ausrüstung ihrer Sicherheitskräfte laut.
"Nicht verlässlich" und "nicht loyal"?
So gab Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu bedenken, anders als im Falle deutscher Waffenlieferungen für die kurdischen Peschmerga im Nordirak sei im Falle Libyens noch "überhaupt nicht" geklärt, ob man es mit verlässlichen Partnern zu tun habe. "Man muss sehr genau prüfen, wen man dort ausbildet und wem gegenüber die Küstenwache in Libyen loyal ist", forderte die CDU-Politikerin nach dem informellen Treffen in Valletta. Deshalb sei noch lange nicht entschieden, ob Deutschland bereit sei, Material zu liefern.
Keine Patrouillenboote
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini schloss schon einmal die Lieferung von bewaffneten Patrouillenbooten für Libyens Küstenwache aus. Solche Boote hatte die Regierung in Tripolis laut einer Liste gefordert, über die die ARD in Brüssel berichtete. Man rede nur über nicht-militärisches Material, stellte Mogherini klar. "Wir wollen immer sicherstellen, dass wir die richtigen Leute ausbilden und die richtige Ausrüstung liefern."
Mogherini erläuterte vor Journalisten, das Ziel sei nicht, dass die EU in den Gewässern Libyens operiere, sondern die dortige Küstenwache in die Lage versetze, dies selbst zu erledigen. Für eine Ausweitung des EU-Marineeinsatzes "Sophia" im Mittelmeer, der den Kampf gegen Schlepperbanden und die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot umfasst, seien die Einladung der libyschen Regierung und ein UN-Mandat nötig. Die EU hat bisher 93 von geplanten 500 Mitarbeitern der Küstenwache ausgebildet. Sie will Mitte Mai die Entwicklung bewerten.
Auf dem Weg zur EU-Supermacht?
In der Auseinandersetzung um eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion scheint sich die Ministerrunde näher gekommen zu sein. Von der Leyen erwartet nach eigenen Angaben sogar einen Durchbruch schon in diesem Jahr. Nach viel anfänglicher Skepsis sei es "beeindruckend zu sehen", dass jetzt alle 27 EU-Mitgliedstaaten außer Großbritannien die Initiative unterstützten, berichtete die CDU-Politikerin. Man erhoffe sich vom EU-Gipfel im Juni ein klares Mandat, um die Verteidigungsunion "im Laufe diesen Jahres" auf den Weg zu bringen.
Eine Vertiefung der EU im Verteidigungsbereich war bisher an Großbritannien gescheitert, das traditionell auf die NATO setzt. Nach dem Brexit-Votum im vergangenen Jahr starteten Deutschland und Frankreich einen neuen Anlauf zur Ausweitung der Verteidigungszusammenarbeit. Sie soll notfalls auch nur durch einen Teil der Mitgliedstaaten erfolgen.
Von der Leyen nannte in Valletta als "erste Ideen" Projekte wie ein europäisches verlegbares Krankenhaus, eine EU-Logistik-Drehscheibe oder gemeinsame Offiziersausbildung. Bereits im März hatte die EU beschlossen, erstmals ein ständiges Hauptquartier für Militäreinsätze einzurichten. Es führt zunächst die Ausbildungsmissionen in Mali, Somalia und der Zentralafrikanischen Republik.
Kampfgruppen wirklich an die Front?
Ein wichtiger Teil beim geplanten Ausbau der EU zur Verteidigungsunion dürften auch die sogenannten "Battlegroups" werden. Mehr als ein Jahrzehnt nach der Gründung wolle man auch die EU-Kampfgruppen endlich einsatzfähig machen. Angesichts vieler Konflikte in der Welt seien Partner wie die Vereinten Nationen der Meinung, "dass schnelle EU-Reaktionskräfte in einigen Krisengebieten stationiert werden sollten", meinte die EU-Außenbeauftragte Mogherini.
Die "Battlegroups" existieren schon seit 2005. Die aus Streitkräften mehrerer Mitgliedstaaten gebildeten Verbände mit 1500 bis 3000 Soldaten sollen bei Krisen schnell entsandt werden. Passiert ist das aber bisher nie.
SC/jj (rtr, afp, dpa)