EM-Halbfinale: Dynamik trifft auf Erfahrung
25. Juli 2022"Ich glaube, dass wir ein deutlich besseres Team haben als in früheren Jahren", sagt die schwedische Angreiferin Stina Blackstenius der DW. "Wir haben bei den letzten Turnieren sehr gut abgeschnitten. Das hat uns viel Selbstvertrauen gegeben. Aber wir spielen im Moment auch wirklich guten Fußball. Ich glaube an unser Team und an unsere Stärken."
Schweden will seine Chance bei dieser EM 2022 unbedingt ergreifen. Im ersten Halbfinale an diesem Dienstag in Sheffield (Anpfiff 21 Uhr MESZ) treffen die Schwedinnen auf die Gastgeberinnen aus England. Den letzten großen Titel konnten die Skandinavierinnen bei der ersten EM im Jahr 1984 gewinnen - im Finale gegen England. Zuletzt standen sich beide Teams bei der WM 2019 im Spiel um Platz drei gegenüber: Schweden siegte mit 2:1. Die Mannschaft von Trainer Peter Gerhardsson will es nun mit Erfahrung richten. Die Engländerinnen, die sich in der Heimat ebenfalls den Titel zum Ziel gesetzt haben, setzen jugendlichen Spirit dagegen.
Reich an Erfahrung
Schweden verfügt über einige hochkarätige Spieler. Die größten Stärken des Teams aber sind Erfahrung und Teamwork. Im Viertelfinale gegen Belgien zeigten die Schwedinnen eine dominante Leistung - mit 32 Torschüssen, die jedoch 90 Minuten lang keinen Treffer Tor einbrachten. Den hochverdienten Siegtreffer erzielte schließlich in der Verlängerung die 35 Jahre alte Linda Sembrant.
Die Verteidigerin von Juventus Turin ist eine von fünf schwedischen Spielerinnen, die bereits mehr als 100 Länderspiele absolviert haben. Mannschaftsführerin Caroline Seger hat mit 232 Partien sogar europaweit die meisten Einsätze in einer Nationalmannschaft.
Nicht weit von Segers Bilanz entfernt ist auch Torhüterin Hedvig Lindahl (192 Länderspiele) sowie die Vize-Kapitänin Kosovare Asllani (165). "Das ist eine große Sache", sagte Lindahl der DW. "Wir diskutieren viel über unsere Beziehungen untereinander und darüber, wie wir uns am besten gegenseitig helfen und jeden Blickwinkel nutzen können, den wir haben. Ich denke, das ist definitiv eine unserer Stärken."
Aufstrebende Talente für England
England hat mit dem unerwartet hohen 8:0-Sieg im letzten Gruppenspiel gegen Norwegen und der kämpferischen Leistung im Viertelfinale gegen Spanien gezeigt, wie stark es ist. Selbst dann, wenn die Spielerinnen von Trainerin Sarina Wiegmann mit dem Rücken zur Wand stehen. Im Gegensatz zum schwedischen Erfolg mit viel Erfahrung sorgten für England im Viertelfinale gegen Spanien drei junge Spielerinnen für den Einzug in die Runde der besten Vier: Die 22-jährige Ella Toone traf per Volleyschuss nach einer Vorlage der 23-jährigen Alessia Russo (23) zum 1:1-Ausgleich, ehe die 23 Jahre alte Georgia Stanway mit ihrem Tor in der Nachspielzeit für die Entscheidung sorgte.
"Wir haben verschiedene Spielertypen, die den Unterschied ausmachen können", sagte Fran Kirby nach dem Spanien-Spiel der DW. Mit 29 Jahren ist die Chelsea-Spielerin eine der Erfahrensten in Englands Mannschaft. Nur Stürmerin Ellen White und Mittelfeldspielerin Jill Scott sind älter als 30 und haben gleichzeitig bereits mehr als 100 Länderspiele absolviert.
Auch wenn das Talent der englischen Mannschaft unbestritten ist, besteht die Gefahr, dass der immer weiter steigende Erwartungsdruck der englischen Öffentlichkeit die Spielerinnen überfordern könnte.
Den Weg vorgeben
In dieser Situation kommt es vor allem auf Spielerinnen wie Lucy Bronze an, die schon lange international auf höchstem Niveau spielen und es gewohnt sind, unter Druck Leistung zu bringen. Bronze wird in der nächsten Saison für den FC Barcelona spielen. Mit Olympique Lyon hat die Außenverteidigerin drei Champions-League-Titel gewonnen, mit England stand sie im Halbfinale bei EM und WM. Bronze sieht sich in der Verantwortung. "Es ist eine Gratwanderung, die jüngeren Spielerinnen mitzureißen", sagte die 30-Jährige der DW, "und dafür zu sorgen, dass sie den Moment genießen."
Der Text wurde aus dem Englischen von Jörg Strohschein übersetzt