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Europa 2015: Frischer Wind?

Bernd Riegert, Brüssel30. Dezember 2014

Das Neue Jahr wird die EU fordern: Die Wirtschaft muss angekurbelt werden mit Milliarden an öffentlichen Investitionen und ein klarer Kurs gegenüber Russland ist mehr denn je nötig. Intern droht Zoff mit den Briten.

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Symbolbild Europa Fahne unscharf
Bild: picture-alliance/dpa

"Es wird frischen Wind geben, aber keinen Sturm", sagte Jean-Claude Juncker auf eine Frage der DW nach den Veränderungen im Jahr 2015. Die EU-Kommission will der EU neuen Schwung geben und sich vor allem auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und ihr Investitionsprogramm in Höhe von 315 Milliarden Euro konzentrieren. "Trotzdem wird die Sanierung der öffentlichen Haushalte wichtig bleiben", schränkte Juncker übertriebene Erwartungen in wirtschaftlichen Krisenländern wie Italien und Frankreich ein. Die Wirtschaftsprognosen der EU-Kommission laufen auf ein bescheidenes Wachstum von 1,1 Prozent für die Euro-Staaten hinaus. Die Entwicklung in den einzelnen Mitgliedsstaaten wird weiter sehr unterschiedlich sein. Deutschland geht es einigermaßen gut, während die anderen großen Staaten in der Euro-Zone eher stagnieren werden. Der zuständige EU-Kommissar, Jyrki Katainen, hat erkannt: "Die Wirtschafts- und Beschäftigungslage erholt sich nicht schnell genug."

Jean-Claude Juncker Pressekonferenz 12.11.2014
Mehr zuhören: Kommissionspräsident Juncker will die EU erneuernBild: picture-alliance/dpa/Olivier Hoslet

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird auch im kommenden Jahr mit den Folgen der Staatsschulden-Krise und dem mauen Wirtschaftswachstum kämpfen. Die Risiken überwiegen, schreibt die EZB in ihren jüngsten Analyse. Vor allem die zu niedrige Inflationsrate macht den Währungshütern zu schaffen. Die EZB steht bereit, massiv Geld in die Märkte zu pumpen. Wann dieser Schritt getan werden muss, ist offen. Italien drängt darauf, Deutschland bremst und bevorzugt wie üblich eine sehr zurückhaltende Fiskalpolitik.

Griechenland könnte erneut abrutschen

Die Euro-Krise, die viele in Europa für überwunden glaubten, könnte 2015 massiv zurückkehren. Sollte bei möglichen Neuwahlen in Griechenland die in den Umfragen führende linksradikale Partei "Syriza" gewinnen, würde das Vertrauen der Finanzmärkte massiv gestört. "Die Griechen wissen sehr wohl welche Auswirkungen ein falsches Ergebnis der Wahlen haben würde", warnte ganz unverblümt EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Die Investment Bank "Goldman-Sachs" wird in einer Analyse deutlicher: "Sollte eine Syriza-Regierung ihre Drohung wahrmachen und ihre Schulden nicht mehr bedienen und in Konfrontation zu ihren internationalen Schuldner gehen, dann wäre die EZB wohl gezwungen, die Banken in Griechenland tagelang geschlossen zu halten." Griechenland würde ins finanzielle Chaos stürzen. Griechenland schuldet dem Internationalen Währungsfonds und verschiedenen EU-Institutionen insgesamt 250 Milliarden Euro. Eine griechische Tragödie hätte natürlich auch Auswirkungen auf andere Staaten mit zu hohen Schulden. Die Risikoaufschläge für Zypern, Italien, Portugal und vielleicht auf Frankreich würden steigen. Und das wäre wiederum Gift für die öffentlichen Haushalte, die ja eigentlich investieren und nicht höhere Zinslasten tragen sollen.

David Cameron
Suche nach dem Ausgang: Großbritanniens Premier Cameron verlässt das EU-Ratsgebäude in Brüssel meistens genervtBild: DW/V. Over

Großbritannien: Auf dem Weg zum Ausstieg?

Nicht nur wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage, auch wegen der allgemeinen Unzufriedenheit mit Europa und "denen da in Brüssel", wachsen die Fliehkräfte in der EU. Manifestieren wird sich der Trend bei den Wahlen zum britischen Unterhaus Mitte Mai. Die britische Unabhängigkeitspartei UKIP, die bei den Europawahlen in diesem Jahr in Großbritannien siegte, könnte erneut Triumphe feiern. Der britische Premierminister David Cameron hat seinen Wählern, getrieben von der UKIP, Verhandlungen mit der EU über mehr Souveränität für Großbritannien versprochen. Allerdings hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine rote Linie gezogen: "Die Freizügigkeit der EU-Arbeitnehmer ist nicht verhandelbar." Cameron will den Zuzug von EU-Bürgern nach Großbritannien begrenzen, um wachsender Ausländerfeindlichkeit in Großbritannienzu begegnen. Sollte sein Plan scheitern, dann könnte er beim 2017 geplanten Referendum über den Verbleib der Briten in der EU, selbst für einen Austritt werben müssen. Vielleicht heißt es schon in diesem Mai: Goodbye Britain!

Das würde die Europäische Union in eine schwere Krise stürzen. Die Europa-Skeptiker in Ungarn, Frankreich, Italien, Schweden und auch in Deutschland würden einen neuen Schub bekommen. In Frankreich, wo die rechts-populistische Marine Le Pen für einen Austritt aus der EU kämpft und den schwachen sozialistischen Präsidenten Francois Hollande bedrängt, könnte die Lage eskalieren. Zwischen Großbritannien und dem Rest der EU zu vermitteln wird eine Hauptaufgabe für den neuen Ratspräsidenten der EU, den ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk werden.

Außenpolitische Herausforderung Ukraine-Krise: "Extrem vorsichtig"

Ganz oben auf der europäischen Agenda sieht EU-Ratspräsident Donald Tusk die außenpolitische Krise Nummer 1: Die Ukraine und das Verhältnis zu Russland. Als Vorsitzender der Staats- und Regierungschefs will Tusk die EU anhalten, wachsam nach Osten zu schauen und Russland zum Dialog anzuhalten. "Ich will die osteuropäische Perspektive einbringen", sagte Tusk bei seinem Amtsantritt. Im März wird die EU über eine Verlängerung der Sanktionen gegen Russland entscheiden. Ein erster und ernster Test für den Zusammenhalt in der Union. Bereits heute gibt es Stimmen aus Italien oder Ungarn, die den Sinn der Wirtschaftssanktionen, die nach der Annexion der Krim verhängt wurden, anzweifeln. Im Mai lädt die lettische Ratspräsident nach Riga zu einem EU-Gipfeltreffen mit den östlichen Nachbarstaaten, Ukraine, Georgien, Moldawien. Der lettische Außenminister Edgars Rinkevics sagte der Deutschen Welle mit Blick auf das Jahr 2015 EU und NATO müssten eine passende Antwort auf das russische Vorgehen in der Ukraine entwickeln. "Wir brauchen politischen Dialog mit Russland, aber wegen seines aggressiven Verhaltens auch eine Art Eindämmung, ein containment." Russlands Präsident Putin, so Rinkevics, werde weiter versuchen die NATO zu testen: " Wir müssen extrem vorsichtig sein."

Wladimir Putin warnt vor zerbrechlichem Frieden in Europa 01.08.2014
Zerbrechlicher Frieden: Russland Präsident Putin mahnt Europa die Lehren des Ersten Weltkriegs zu achten (01.08.2014)Bild: picture-alliance/dpa

Die EU-Kommission hat sich vorgenommen, 2015 eine bürokratische Schlankheitskur einzuhalten und weniger, dafür aber relevantere Gesetzesvorhaben durchs Parlaments zu bringen. Ob dieser Vorsatz einzuhalten ist, wird man sehen, denn die Parlamentarier protestieren bereits jetzt nachdrücklich, gegen die Ankündigung bestimmte Gesetzesvorhaben im Umweltbereich zu verwässern oder ganz einzustellen. Die Umweltpoltik wird Ende des Jahres eine zentrale Rolle in Europa spielen. Dann wird Paris Gastgeber für die Klimaschutz-Konferenz der Vereinten Nationen sein. Die EU setzt sich dafür ein, verbindliche Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen festzulegen.

Waterloo und Ende des Zweiten Weltkrieges

Zum Gedenken wird ebenfalls wieder Gelegenheit sein. Im Mai jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum siebzigsten Mal. Krieg und Frieden in Europa werden also vor dem Hintergrund der aktuellen Krise an der Ostgrenze der EU noch einmal reflektiert werden. Welche Folgen Landnahme, Eroberungsfeldzüge und das Auslöschern ganzer Staaten langfristig haben kann, wird ein anderes Jubiläum zeigen. Im Juni jährt sich zum 200. Mal die Schlacht von Waterloo. Nahe der heutigen europäischen Hauptstadt Brüssel erlitt der machthungrige französische Kaiser Napoleon die entscheidende Niederlage. Waterloo wird mit Tausenden Komparsen nachgespielt werden. Dazu werden Gäste aus ganz Europa erwartet. 1815 waren Großbritannien, Preußen, Österreich und Russland verbündet - gegen den Aggressor Frankreich.