Europa rüstet sich für den Kampf um Rohstoffe
2. Februar 2011"Wir wollen das Potenzial finden", sagte EU-Industriekommissar Antonio Tajani am Mittwoch (02.02.2011) bei der Vorstellung eines neuen Strategiepapiers der EU in Brüssel. Besonders die Versorgung mit 14 Rohstoffen sieht die Kommission als kritisch an. Sie gelten als bedeutend für die wirtschaftliche Entwicklung, und das Risiko einer Unterversorgung ist größer, weil sie nur in wenigen Ländern gefördert werden. Dazu gehören Antimonium, Kobalt, Germanium, Indium, Tantalum, Magnesium sowie unter anderem auch die sogenannten Seltenen Erden, die unentbehrlich für die Herstellung.von High-Tech-Produkten wie etwa Handys und Computerchips sind.
Lockruf für Investoren und Spekulanten
Die gegenwärtige Preisexplosion entwickelt sich vielerorts zu einer Gefahr für den Aufschwung und lockt zudem Investoren und Spekulanten an, die auf eine weitere Verknappung und abermals steigende Preise setzen. In Schwellenländern wie Brasilien und Indien steigt die Nachfrage, während China als einer der wichtigsten Exporteure der Seltenen Erden die Ausfuhr immer weiter beschränkt.
Deshalb hofft die EU in Zukunft auf den verstärkten Abbau von Industriemineralien in Europa selbst. Die Mitgliedsstaaten müssten dafür die Voraussetzungen schaffen, indem sie langatmige Genehmigungsverfahren vereinfache, hieß es jetzt in Brüssel. Schätzungen gehen davon aus, dass sich beispielsweise sieben Prozent der weltweiten Vorkommen von Seltenen Erden, die für High-Tech-Produkte benötigt werden, auf dem Gebiet der EU befinden.
Keine praktikable Recycling-Lösung
Zweiter Pfeiler des Rohstoffkonzeptes ist das verstärkte Recycling und die bessere Nutzung von Rohstoffen. Dies werde helfen, "wertvolle Mineralien wieder zu nutzen und Energie zu sparen", heißt es in dem Papier. Denn bislang existiert nach Angaben der EU-Kommission noch für eine ganze Reihe wichtiger Rohstoffe keine Recyclinglösung, die sich auch rechnet und damit praktikabel wäre.
Mehr Druck auf China
Um den Zugang zu Vorkommen im Ausland zu sichern, will sich Europa künftig zudem verstärkt in "Rohstoffdiplomatie" üben. Über strategische Partnerschaften und Handelsabkommen vor allem mit Staaten in Afrika und Asien soll auch mehr Transparenz im Markt geschaffen werden. Erwogen werden verstärkte Finanzhilfen für die Infrastruktur in Drittstaaten. Auf mehr Druck gegenüber derzeit übermächtig scheinende Exportländer wie China hofft die EU in diesem Zusammenhang zudem. So will man mit Hilfe der Welthandelsorganisation WTO gegen Exportbeschränkungen vorgehen.
Die Veröffentlichung des neuen EU-Strategiepapiers war verschoben worden, nachdem Frankreich bemängelt hatte, dass darin kein Zusammenhang zwischen Spekulationen an den Devisenmärkten und den Preisen für Agrarprodukten aufgezeigt wurde. Das Thema Agrar-Rohstoffe wurde nun berücksichtigt.
"Ressourcen-Raub"
"Wir wollen Grenzen setzen", sagte jetzt Binnenmarktkommissar Michel Barnier und verwies auf die neuen Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und Börsen sowie Regulierungen etwa für hochspekulative Derivat-Produkte. Internationale Hilfsorganisationen stellt das kaum zufrieden. Sie kritisieren das neue Brüsseler Strategiepapier und sprechen von "Ressourcenraub", der Entwicklungsländer in Armut stürze.
Autor: Gerd Winkelmann (dpa, epd, afp, dapd)
Redaktion Sabine Faber