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Pressestimmen zum Gipfel

19. Dezember 2009

Das komplette Scheitern des UN-Klimagipfels in Kopenhagen konnte gerade noch abgewendet werden. Der magere Kompromiss fand am Samstag (19.12.2009) in den Kommentaren europäischer Tageszeitungen unterschiedliches Echo.

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Mehrere Tageszeitungen (Foto: dpa)
Bild: dpa

Die britische Zeitung INDEPENDENT schöpft Hoffnung aus der Weltklimakonferenz in Kopenhagen, fordert aber zugleich mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel:

"Was kann man Gutes über die Vereinbarung von Kopenhagen sagen? Dass ein völliger Zusammenbruch vermieden und dass der Welt etwas gegeben wurde, worauf bei zukünftigen Klimagipfeltreffen aufgebaut werden kann. Wer behauptet, keine Einigung sei besser als ein schlechtes Abkommen, hat Unrecht. Dieser Prozess unter der Aufsicht der UN ist sicherlich mangelhaft, doch er bleibt immer noch die beste Hoffnung auf eine globale Aktion gegen die gemeinsame globale Bedrohung. Allerdings sieht die betrübliche Wahrheit so aus: Diese winzigen Schritte weg vom Desaster sind nicht genug. 2010 brauchen wir größere Schritte."

Kritik an der Abschlussvereinbarung von Kopenhagen kommt von der französischen Zeitung LIBÉRATION:

"Welch ein Chaos. Man hat Monate, wenn nicht gar Jahre damit verbracht, die Konferenz von Kopenhagen vorzubereiten. Sie sollte eine gut geölte professionelle Verhandlung bringen, bei der eine Armee überqualifizierter Wasserträger umsichtig explosiven Konfliktstoff aus dem Weg räumt. Und jetzt ist dabei eine gigantische Posse herausgekommen, bei der die Führer dieser Welt sich als unfähig erwiesen haben, die nötigen klaren und entschlossenen Entscheidungen zu treffen. Sie haben sich lediglich zu einer Vereinbarung durchgerungen, die kaum den Schein wahrt. Als es darum ging, dem Finanzsystem zu helfen, war der Zusammenschluss deutlich wirkungsvoller. Es ist bitter, aber wahr: Es ist viel einfacher die Banken zu retten als unseren Planeten."

Die deutsche Zeitung DIE WELT verweist auf die verschiedenen Interessen und die damit verbundene unterschiedliche Sichtweise von Industrie- und Entwicklungsländern:

"Die Regierungen des Westens, einschließlich der amerikanischen, erzeugen den Eindruck, man sei auf der 'Titanic' und müsse sofort umsteuern. Die meisten Schwellen- und Entwicklungsländer sehen die Sache pragmatischer. Sie fürchten, dass sie beim Streben nach mehr Wohlstand ausgebremst werden sollen. Und verweisen dabei – zu Recht – auf den Lebensstandard, den die Industrieländer bereits erreicht haben. Sie wollen keine Beschränkungen, die ihr Wachstum blockieren. Das ist für sie auch eine Frage der Souveränität. Ein Menschheitsziel soll über ihre nationalen Interessen gestellt werden. Ehemalige Kolonien sind da empfindlich, denn sie wurden einst im Zeichen des Menschheitsziels Christentum erobert."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz hat die beiden größten Treibhausgas-Produzenten, USA und China, im Visier. Das Blatt glaubt nicht an einen schnellen Wandel in deren Klimapolitik:

"Die USA werden wohl noch auf Jahre hinaus keinen Klimavertrag im Stile des Kyoto-Protokolls ratifizieren, und selbst ein nationales Gesetz zur Emissionsverminderung, wie es Präsident Obama vorschlägt, hat vorläufig im Kongress nur geringe Chancen. China wiederum will zwar vom Ausland als verantwortungsbewusste Grossmacht anerkannt werden, aber die kommunistische Führung wird dies stets ihrem obersten Ziel unterordnen, dem Machterhalt. Die Geschichte hält die Lehre bereit, dass Staaten mit der Zeit und unter Druck zu gemeinschaftlichem Handeln zusammenfinden können (...). Aber 'Kopenhagen' erinnert daran, dass solche Prozesse lange dauern."

Für die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG ist die Vielzahl der Teilnehmer mitverantwortlich für das schwache Ergebnis des Gipfels:

"Kopenhagen war zu groß für die großen Ziele. 40.000 Teilnehmer machten eine Konferenz, deren Beschlüsse im Plenum einstimmig gefällt werden müssen, kaum noch steuerbar. Macht- und Wirtschaftsinteressen zogen tiefe Gräben zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, zwischen Arm und Reich. Sie befeuerten die Arroganz gegenüber Vertretern der Gruppe von kleinen Inselstaaten, die in Kopenhagen unter Tränen um ihr Überleben betteln mussten. Die UN-Klimagipfel, sie werden sich neu erfinden müssen."

Abschließend kommentiert die niederländische Zeitung NRC HANDELSBLAD am Samstag in ihrer Online-Ausgabe:

"Jeder Gipfel ist nur ein Zwischengipfel - das erhält die Hoffnung am Leben, dass die Welt in der Zukunft ein besseres Abkommen zustande bringt als das, was in der zurückliegenden Nacht in Kopenhagen erreicht wurde. Nach rund zwei Wochen von Sitzungen, Chaos, bilateralen, trilateralen und anderen Beratungen, nach Penarsitzungen, Lobbyarbeit, Aktionen und durchwachten Nächten ist das Ergebnis von 'COP 15', wie die Konferenz genannt wurde, nur mager und gerade noch nach dem Motto akzeptabel, dass ein Resultat besser ist als kein Resultat..."

Redaktion: Ursula Kissel / Anna Kuhn-Osius