Evakuierungsaktion für Studierende aus Afrika
6. März 2022Princilla Ayealey Adjar aus Ghana lebte fast fünf Jahre in Czernowitz in der Westukraine und studierte dort Medizin. Plötzlich zwang sie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zur Flucht, zusammen mit vielen anderen Menschen. Der Weg in die Sicherheit war beschwerlich: "Wir stiegen aus dem Bus und mussten über eineinhalb Stunden laufen, bis wir die rumänische Grenze erreichten, dort herrschte bereits Chaos", sagte Adjar nach ihrer Ankunft im DW-Interview.
"An den Grenzposten waren so viele Menschen, Ukrainer, Ghanaer, Nigerianer, Simbabwer, Äthiopier, Ägypter, Inder eingetroffen - alle versuchten, einen Weg aus dem Land zu finden", erinnert sie sich an die Reise. Vor wenigen Tagen, am 1. März, war es dann endlich soweit: Adjar und 16 weitere ghanaische Studierende, die es bis zur rumänischen Grenze und zu anderen Grenzübergängen geschafft hatten, sind in die Landeshauptstadt Accra evakuiert worden.
"Chaos" am Grenzübergang
Nach Angaben der ghanaischen Behörden kam die erste Gruppe von Studierenden mit separaten Flügen von Qatar und Turkish Airlines in ihren Heimatländern an. Sie zählen zu den 527 Ghanaern, die sicher über die ukrainische Grenze in die Nachbarländer Rumänien, Polen, Moldawien, Ungarn und die Tschechische Republik gelangt waren.
Princillas Vater Samuel Adjar ist froh, seine Tochter wieder bei sich zu haben: Die ganze Familie sei "überglücklich, dass sie es sicher nach Hause geschafft hat", sagte er zur DW. Adjar betonte, die ghanaische Regierung solle sich vorrangig um die Evakuierung der noch in der Ukraine festsitzenden Menschen kümmern. Sie ist erleichtert, wieder in Ghana zu sein. Aber ihre Sorgen sind noch nicht vorbei. "Wir machen uns Gedanken, dass wir nicht so bald wieder zur Universität gehen können. Russland hat es jetzt auf wichtige Infrastruktur abgesehen und ich weiß nicht, ob unsere Lehrgebäude verschont bleiben werden. Es ist also ziemlich beunruhigend", sagte sie.
Ghana will Evakuierungen beschleunigen
Die angespannte Lage in der Ukraine ließ Ghanas Außenministerin Shirley Ayorkor Botchwey schnell handeln: Accra habe mindestens 500 Staatsangehörige aus der Ukraine evakuiert, sagte sie vor Journalisten: "Wir sind entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um sicherzustellen, dass alle unsere Staatsangehörigen in der Ukraine und diejenigen, die das Land erfolgreich verlassen haben, vor Schaden bewahrt werden und nach Hause zurückkehren können, wenn sie dies wünschen."
Die Außenministerin forderte Eltern und andere Familien auf, Informationen über ihre noch in der Ukraine verbliebenen Angehörigen mitzuteilen, damit die Behörden auch deren Evakuierung planen können. Ghana ist das erste afrikanische Land, das die meisten seiner Bürger erfolgreich aus der Ukraine evakuiert hat. Laut Botchwey werden in den kommenden Tagen Hunderte Ghanaer in ihre Heimat zurückkehren. Mehr als 2.000 von ihnen hätten bereits mehrere Grenzübergänge der Ukraine in die Nachbarländer sicher überquert.
Auch andere afrikanische Länderhaben Bemühungen verstärkt, ihre Staatsangehörigen aus der Ukraine in Sicherheit zu bringen. Die Afrikanische Union forderte die Regierungen auf, das Völkerrecht einzuhalten und allen Kriegsflüchtlingen in der Ukraine zu helfen, nachdem afrikanische Studenten von diskriminierenden Vorfällen an den Grenzübergängen berichtet hatten.
Obwohl einige Studenten bereits zu ihren Familien zurückgekehrt sind, sitzen viele noch in der Ukraine und an der Grenze zum Nachbarland Polen fest. Andere Afrikaner haben sich entschieden, in der Ukraine zu bleiben, insbesondere diejenigen ohne Aufenthaltsgenehmigung.
Afrikanische Länder holen Studenten nach Hause
Im südafrikanischen Simbabwe teilte die Regierung mit, 118 Studenten seien aus der Ukraine nach Rumänien, Ungarn, in die Slowakei und nach Polen evakuiert worden.
Auch 80 kenianische Studenten haben laut Angaben der Behörden in Kenia die Ukraine nach dem Einmarsch Russlands verlassen und in Nachbarländern wie Polen, Rumänien und Ungarn Zuflucht gesucht. Jedoch sei nur ein Student wieder in Kenia angekommen, hieß es. Die Regierung von Präsident Uhuru Kenyatta hat erklärt, sie koordiniere die Evakuierung vieler weiterer Studenten aus verschiedenen Städten der Ukraine.
Die nigerianische Regierung teilte mit, dass 256 Staatsbürger die Ukraine verlassen haben. Gambia erklärte, dass es sich mit Marokko und Nigeria über die mögliche Evakuierung seiner Bürger abstimmt.
Das tansanische Außenministerium bestätigte, dass 38 Studenten von der Ukraine ins benachbarte Polen geflüchtet seien und Beamte der tansanischen Botschaften in Deutschland und Schweden überwachten die Rückführung aller noch in der Ukraine festsitzenden Tansanier.
In Abidjan traf sich die Außenministerin der Elfenbeinküste, Kandia Camara, mit Abgesandten der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs zu einem Krisengespräch. Sie wolle die Unterstützung bei der Evakuierung der Ivorer aus der Ukraine erbitten, hieß es.
Auch das Außenministerium in Guinea erklärte, es habe einen Krisenstab eingerichtet, um die Evakuierung seiner Bürger aus der Ukraine zu koordinieren.
Trotz der Bemühungen, die afrikanischen Bürger aus dem Kriegsgebiet zu evakuieren, sind einige ungeachtet der Sicherheitsbedenken zurückgeblieben. Nach Angaben der staatlichen angolanischen Zeitung "Jornal de Angola" weigerten sich einige Angolaner, die illegal in die Ukraine eingewandert waren, evakuiert zu werden: Die angolanischen Migranten hätten Angst, dass die ukrainischen Behörden sie an der Rückkehr in ihr Land hindern könnten.
Mitarbeit: Isaac Kaledzi (Accra)
Aus dem Englischen adaptiert von Martina Schwikowski