Ex-Porsche Chef wehrt sich mit breiter Brust
22. Oktober 2015Für Wendelin Wiedeking ist es eine Reise in seine Vergangenheit. Fast eineinhalb Stunden spricht der Porsche-Topmanager außer Diensten zum Prozessauftakt vor dem Stuttgarter Landgericht am Donnerstag über sein Leben, seinen Erfolg, seine weiße Weste. Die Anklage wegen Marktmanipulation in der VW-Übernahmeschlacht 2008 sei haltlos, er habe sich nichts vorzuwerfen, sagt er in dem Verfahren.
Und dann erzählt der heute 63-Jährige, wie das damals so gewesen sei - als er 1992 Chef des existenzbedrohten Sportwagenbauers Porsche wurde und ihn danach zum profitabelsten Fahrzeughersteller der Welt gemacht habe. Der Angeklagte ist begeistert beim Blick zurück auf seine Gestaltungskraft: "Organisatorisch blieb in dem Unternehmen kein Stein auf dem anderen." Und auf seinen Erfolg: "Wir haben dem Unternehmen seinen Stolz zurückgegeben." Den Vorwurf der frühzeitigen illegalen Mauscheleien mit hochriskanter Zockermentalität weist er von sich: "Wir waren Visionäre, aber keine Spieler."
Erhobenen Hauptes
Nun sitzt Wiedeking auf der Anklagebank. Doch es soll kein Tiefpunkt in seinem Leben sein: Selbstsicher und erhobenen Hauptes geht er in den Gerichtssaal, wirft wartenden Journalisten den Satz "Ich bin unschuldig" zu. Als er im Gerichtssaal auf den Beginn der Verhandlung wartet, steht er einige Minuten mal lächelnd, mal lachend, mal bedächtig guckend neben seinen Anwälten. Niedergeschlagen? Mitnichten.
Dabei wiegen die Vorwürfe gegen Wiedeking schwer. Er soll 2008 verschleiert haben, dass der kleine Autobauer Porsche beim Branchenriesen VW eine Dreiviertelmehrheit angepeilt hatte. Dadurch hätte Wiedeking den Riesen Volkswagen mehr oder minder nach seinem Gusto steuern können. Wiedeking und sein ehemaliger Finanzvorstand Holger Härter (59) sind wegen Marktmanipulation angeklagt. Weil Wiedeking und der mitangeklagte Finanzvorstand Härter von März bis Oktober 2008 ihre Übernahmepläne verheimlicht hätten, sei der Börsenpreis beeinflusst worden, lautet die Anklage.
Spekulative Wetten
Doch das Vorhaben ging schief, der Luxusauto-Hersteller übernahm sich. Die Familien Porsche und Piëch einigten sich schließlich nach einem langen Streit darauf, einen integrierten Autokonzern zu bilden. Volkswagen übernahm erst Teile des Sportwagenbauers Porsche AG. 2012 wurde der Sportwagenbauer komplett an VW verkauft. Die Porsche-Holding wurde als VW-Mehrheitseigner das Dach des Gebildes.
Anleger erlitten damals vor allem mit spekulativen Hedgefonds massive Verluste, sie klagen in parallelen Zivilprozessen auf mehr als fünf Milliarden Euro Schadenersatz. Aber die Börsenverluste seien doch nicht seinetwegen entstanden, sondern die Hedgefonds hätten sich nun mal verzockt, argumentiert Wiedeking. "Die Hedgefonds sind mit Leerverkäufen hochspekulative Wetten gegen VW eingegangen", sagt er. "Sie haben diese Wetten im Herbst 2008 verloren."
"Zocker sind keine Opfer"
Im Publikum sitzen zahlreiche Anwälte solcher Hedgefonds und schreiben fleißig mit, was Wiedeking zu berichten hat. In Richtung dieser Anwälte sagt der 63-Jährige: "Dass gerade diese 'Spezialisten' von der Staatsanwaltschaft zu Opfern stilisiert werden, kann ich nicht nachvollziehen." Genau diese Zocker seien doch mit schuld an der Finanzkrise gewesen. Zu aktiven Zeiten als Porsche-Chef fuhr Wiedeking gern Bankern rhetorisch hart an den Karren, nun hat er neue Buhmänner ausgemacht: Hedgefonds-Manager.
Wiedeking war in der Autobranche geradezu eine Lichtgestalt, in Sachen Bezahlung spielte er in seiner eigenen Liga. Sage und schreibe 100,6 Millionen Euro soll Wiedeking für das Geschäftsjahr 2007/08 eingestrichen haben - Rekord für einen angestellten deutschen Manager. Den Richtern präsentiert sich Wiedeking zum Prozessauftakt in schwäbischem Understatement. "Meine wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet", sagt er. Das sorgt für Gelächter im Publikum.
Großer Gegenspieler von Wiedeking war damals der VW-Patriarch Ferdinand Piëch, der zeitweise die Ablösung von Wiedeking betrieb. Aus der Logik der Anklage heraus hätten er und Piëch aber gemeinsame Sache machen müssen bei den angeblichen heimlichen Übernahmeplänen, sagt Wiedeking kopfschüttelnd. Diese Unterstellung sei eine Zumutung. "Die mir unterstellte Nähe zu Piëch schmerzt mich geradezu."
Der Prozess ist noch bis Januar geplant, möglicherweise ist er früher zuende. Wiedeking aber will für den Rest des Prozesses schweigen, wie er zum Abschluss seiner Ausführung sagt.