Ex-Porsche-Chef Wiedeking vor Gericht
22. Oktober 2015Jahrelang haben Richter und Staatsanwälte die Akten gewälzt. An diesem Donnerstag hat der Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht begonnen, der die Rolle von früheren Porsche-Vorständen in der Übernahmeschlacht mit Volkswagen im Jahr 2008 beleuchtet.
"Ich bin unschuldig", sagte Wiedeking beim Betreten des Gerichtsgebäudes. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft.
Dem Ex-Porsche-Chef und seinem Finanzvorstand Holger Härter wird Marktmanipulation vorgeworfen - sie sollen versucht haben, den Kurs der VW-Aktie zu beeinflussen, um dadurch die Übernahme des Branchenriesen finanziell stemmen zu können. Das Vorhaben scheiterte unter anderem wegen der Finanzkrise. VW drehte den Spieß um und machte den hoch verschuldeten Sportwagenbauer zu seiner Tochterfirma.
Porsche hatte seine Anteile an VW Schritt um Schritt erhöht. Nach Auffassung der Ankläger leugneten Wiedeking und Härter die meldepflichtigen Übernahmepläne, obwohl sie den Beschluss zur Mehrheitsübernahme längst gefasst hatten. Als sie das im Oktober 2008 dann in einer Pressemitteilung taten, geschah dies laut Staatsanwaltschaft nur unvollständig. Spekulationen um die Übernahme führten damals zu einem rasanten Kursanstieg und anschließenden Einbruch der VW-Aktie.
"Konstruiert, falsch und haltlos"
Durch Intransparenz habe die Porsche-Führungsriege die Börsenanleger getäuscht, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Die Angeklagten weisen die Anklage mit Nachdruck zurück. Ihre Verteidigung betont, die Vorwürfe seien "ausnahmslos unbegründet" sowie "ersichtlich konstruiert, sachlich falsch und haltlos".
Das Verfahren wird schon seit langem mit Spannung erwartet - es gilt als beispiellos. "Juristisch gesehen betreten wir Neuland", sagt der Frankfurter Juraprofessor Matthias Jahn. Das Gesetz regele bisher eher unpräzise, was genau unter Marktmanipulation zu verstehen ist. "Das ist die Crux an diesem Strafverfahren." Jahn zeigt sich skeptisch, dass die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung durchsetzen wird. "Es gibt belastbare Indizien, dass die Staatsanwaltschaft sich mit ihrer Anklage sehr schwer tun wird", sagt der Rechtsexperte.
Mit besagten Indizien meint Jahn zwei Ereignisse im Vorfeld des Prozesses: Schon 2012 hatte die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, doch das Landgericht Stuttgart lehnte die Verfahrenseröffnung ab. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein, daraufhin ließ das übergeordnete Oberlandesgericht (OLG) das Verfahren doch zu.
"Der Staatsanwalt hat es schwer"
Das Pikante an der Sache: Ausgerechnet die Strafkammer - also eine Gruppe von Richtern, die das Landgericht-Verfahren zuerst abgelehnt hatte - muss sich nun doch mit dem Prozess beschäftigen. Seither gab es zwar Besetzungswechsel, zudem rechnet Jahn mit einer gewissen "Lernfähigkeit" der Richter.
Dennoch: "Die Staatsanwaltschaft wird sehr, sehr starke Argumente brauchen, um die anfängliche Haltung der Strafkammer abzuändern", sagt Jurist Jahn. Genau solche Argumente könne er derzeit aber nicht erkennen. Aus seiner Sicht wäre es sauberer gewesen, die Sache einer anderen Strafkammer anzuvertrauen.
Verfahren gegen Aufsichtsrat eingestellt
Auch gegen den damaligen Porsche-Aufsichtsrat hatte die Staatsanwaltschaft ermittelt, diese Ermittlungen wegen Beihilfe zur Marktmanipulation aber im August 2015 eingestellt. Jurist Jahn wertet das als weiteren Anhaltspunkt, dass die Staatsanwaltschaft einen schweren Stand hat. "Auch wenn der Aufsichtsrat nicht operativ verantwortlich ist, sondern nur als Kontrollinstanz fungiert - die Regeln für beide Gremien sind letztlich die gleichen", sagt Jahn, der in einer Nebenfunktion Richter am Frankfurter Oberlandesgericht ist.
Theoretisch drohen Wiedeking und Härter hohe Geldstrafen oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Dass die früheren Porsche-Bosse jedoch tatsächlich hinter Gittern landen oder eine Bewährungsstrafe aufgebrummt bekommen, hält Juraprofessor Jahn für so gut wie unmöglich - die Angeklagten hätten schließlich keine schlimme kriminelle Vergangenheit, vielmehr seien sie lange Zeit Leistungsträger der Gesellschaft gewesen. Sollte es überhaupt einen Schuldspruch geben, dann liefe das wohl auf eine Geldstrafe hinaus. Für das Verfahren hat das Gericht 17 Prozesstage eingeplant.