Exilkunst im Netz
6. Dezember 2013"Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit" - das schrieb einst der Dichter Friedrich Schiller. Für kritische Künstler aber ist der Alltag in vielen Ländern der Welt ein anderer. In Diktaturen und totalitären Regimen werden sie nicht nur argwöhnisch beobachtet, sondern oft auch verfolgt und verhaftet. Der einzige Ausweg, um die eigene künstlerische Freiheit zu erhalten, ist nicht selten das Exil. "So gehöre ich nirgends mehr hin, überall Fremder und bestenfalls Gast", klagte 1942 der Schriftsteller Stefan Zweig. Er musste nach der Machtergreifung durch die Nazionalsozialisten nach London fliehen.
Wie aber erging es Künstlern wie ihm im Exil? Wie wirkte sich Flucht und Vertreibung auf das Werk von Künstlern aus? Die Ausstellung "Künste im Exil" geht diesen Fragen nach. Sie kann überall und zu jeder Zeit besucht werden – denn sie existiert virtuell im Internet.
"Museum des Exils"
Ein Museum, speziell für Exilkunst, suchte man bislang vergebens in der deutschen Kulturlandschaft. Und dies, obwohl tausende Schriftsteller, Musiker, Maler, Bildhauer, Schauspieler und andere Künstler in einem beispiellosen Exodus Deutschland in den Jahren des Nationalsozialismus verlassen mussten.
Die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, die selbst aus dem kommunistischen Rumänien nach Deutschland ins Exil ging, machte 2011 in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel auf diese wichtige Lücke aufmerksam. Die Ausstellung "Künste im Exil" soll nun die Arbeit der verschiedenen Institutionen bündeln, die sich mit der Exilforschung beschäftigen, darunter Universitäten, Bibliotheken und Archive.
Was ist Exilkunst?
Die Geschichte der deutschen Kultur ist ohne die Darstellung des massenhaften Exils in den Jahren 1933 bis1945 nicht verständlich. "Im deutschsprachigen Kontext ist es fast so, dass alle nennenswerten Literaten oder Künstler während der NS-Zeit das Land verlassen haben", meint Dörte Bischoff, die an der Universität Hamburg Neuere deutsche Literatur lehrt und die Walter A. Berendsohn Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur leitet. Sie sitzt zudem im Beirat der virtuellen Ausstellung.
Doch was versteht man überhaupt unter dem Begriff "Exil"? Verallgemeinern lässt sich die Geschichte des Exils nicht. Jeder Künstler hat ein anderes Schicksal erlitten. Der eine ging ins Exil, weil er von den Nazis mit dem Tod bedroht wurde. Andere gingen, weil sie nicht in einem Unrechtsstaat leben wollten. Und wieder andere konnten ihre Kunst nicht mehr ausüben, weil sie als "unarisch" oder "entartet" galt.
Exilliteratur, egal aus welcher Epoche sie stammt, hat ein charakteristisches Kennzeichen, erklärt Dörte Bischoff: "Während Diktaturen und totalitäre Regime Kunst gleichschalten, eine Angleichung und Homogenität literarischer und künstlerischer Formen erzwingen, ist die Exilliteratur vielfältig."
"Wo ich bin, ist Deutschland"
Sylvia Asmus leitet bei der Deutschen Nationalbibliothek das Deutsche Exilarchiv 1933–1945, das ebenso an der Ausstellung beteiligt ist. "Wir haben es nicht definiert", meint sie auf die Frage, welche exakte Vorstellung von Exil der Ausstellung zugrunde liegt. Stattdessen soll sich der Besucher der Internetseiten selbst ein Bild machen.
Dafür bietet die virtuelle Ausstellung verschiedene Einstiegsmöglichkeiten. Der Besucher kann sich über die Biographien der einzelnen Personen informieren, über die verschiedenen Künste und über das Exil allgemein. "Herzstück" der Ausstellung sind persönliche Gegenstände, Briefe oder Werke der Künstler.
Vor allem Gefühle von Verlust und Ausgeliefertsein empfanden viele Flüchtlinge. Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann meinte in Kalifornien, dass Exil sei "schwer zu ertragen". Gleichzeitig war er jedoch auch überzeugt: "Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir." In seinem Antrag zur Einreise in die USA gab er als Grund an: "Wegen der politischen Situation in Europa". Und meinte damit den Terror im nationalsozialistischen Deutschland.
Exil damals, Exil heute
Verfolgung und Vertreibung von Künstlern sind auch in der Gegenwart alltäglich. Darum beschränkt sich die Ausstellung nicht auf die Jahre 1933-1945. "Exil ist kein historisches Thema, deswegen ist es ganz wichtig, auch heutige Personen zu berücksichtigen ", meint Sylvia Asmus.
Aus diesem Grund stoßen die Ausstellungsbesucher auf den Internetseiten auch auf den chinesischen Exilschriftsteller Liao Yiwu, der seit 2011 in Deutschland lebt, oder auf die rumänisch-deutsche Literatin Herta Müller. In den kommenden Monaten und Jahren wird die virtuelle Ausstellung weiter wachsen und weitere Exilschicksale auch von Künstlern der Gegenwart darstellen. Bleibt nur zu hoffen, dass irgendwann überall auf der Welt Kunst in Freiheit geschaffen werden kann – und die Ausstellung "Künste im Exil" keine aktuellen Beispiele exilierter Künstler mehr aufzunehmen braucht.