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NSU: Explosion war lebensgefährlich

Marcel Fürstenau15. Januar 2014

Kurz nach der Enttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds explodierte dessen Wohnung. Die Anklage hält Beate Zschäpe für die Brandstifterin. Das Gutachten eines Physikers könnte entscheidend für das Urteil sein.

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Die Ruine der Wohnung des NSU, das Obergeschoss ist weggesprengt.
Bild: DW

Meterhohe Flammen schlugen am 4. November 2011 aus dem Haus in der Zwickauer Frühlingsstraße 26, große Teile der Vorderfront waren auf die Straße gestürzt. Innerhalb weniger Minuten war das Versteck der mutmaßlichen NSU-Mörder eine Ruine. Den Brand hat nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft die Hauptangeklagte im Prozess gegen den Nationalsozialistischen Untergrund, Beate Zschäpe, gelegt. Ihre Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hatten sich kurz vor der Explosion das Leben genommen, um ihrer Festnahme zu entgehen.

Ein Physiker des bayerischen Landeskriminalamtes stützte am 74. Verhandlungstag vor dem Münchener Oberlandesgericht (OLG) die Sicht der Anklage. Demnach wurde in der Wohnung planmäßig Benzin ausgeschüttet, der dadurch ausgelöste Brand und die Explosion hätten zu einer "hohen Gefährdung Dritter" geführt. Am meisten gefährdet war eine zum Tatzeitpunkt 89-jährige Nachbarin in der Wohnung neben dem NSU-Unterschlupf. Die unmittelbar an das Wohnzimmer der älteren Dame grenzende Wand wurde durch die Wucht der Explosion verschoben und hatte zahlreiche Risse.

Es bestand die Gefahr von tödlichen Rauchvergiftungen

Durch diese Risse hätten Rauchgase dringen können, die sich überall in dem brennenden Haus ausgebreitet hatten, erläuterte der Brand-Experte. Deshalb seien Menschen "hochgradig" gefährdet gewesen. Durch das schnelle Eintreffen der Feuerwehr konnte möglicherweise Schlimmeres verhindert werden, meinte der Sachverständige. Auch zwei Arbeiter, die sich noch kurz vor dem Brand im Dachgeschoss aufgehalten haben, hätten ums Leben kommen können. Gleiches trifft auf Passanten zu, die durch herabstürzende Mauerteile hätten erschlagen werden können.

Die mit Hilfe zahlreicher Fotos und Zeichnungen erfolgte Rekonstruktion der Brandstiftung und ihrer (möglichen) Folgen dürfte beim frühestens Ende des Jahres zu erwartenden Urteilsspruch im NSU-Prozess von großer Bedeutung sein. Denn die Staatsanwaltschaft kann Beate Zschäpe nach heutigem Kenntnisstand keine direkte Beteiligung an der Ermordung von neun Männern mit ausländischen Wurzeln und einer Polizistin nachweisen. Deshalb stützt sich die Anklage wegen Mordes und versuchten Mordes stark auf die mutmaßlich von Zschäpe herbeigeführte Brandstiftung.

Im Prozess geht es jetzt um die Ermordung einer Polizistin

Das Motiv ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft offensichtlich, in der Anklageschrift heißt es: "Die Angeschuldigte legte diesen Brand, um (...) alle in der Wohnung und im Keller befindlichen Beweismittel und Spuren, die zur Aufdeckung ihrer Straftaten (...) führen konnten, zu vernichten." Dieses Vorhaben misslang, denn in der Ruine des NSU-Unterschlupfs fanden sich zahlreiche Spuren. Offenbar wurde in der Wohnung auch das Bekennervideo angefertigt, mit dem sich die Täter ihrer Mordserie rühmen. Das letzte Opfer war 2007 die Polizistin Michèle Kiesewetter. Mit Zeugenbefragungen zu dem mysteriösen Mord in Heilbronn wird der NSU-Prozess fortgesetzt. Unter anderen ist Kiesewetters Kollege geladen, der lebensgefährlich verletzt wurde und kein Erinnerungsvermögen an die Tat hat.