EZB feuert aus allen Rohren
7. November 2013Aus Angst vor einem für die Konjunktur gefährlichen Preisrückgang feuert die Europäische Zentralbank (EZB) aus allen Rohren. Sie senkte den Leitzins am Donnerstag überraschend um ein Viertelpunkt auf das Rekordtief von 0,25 Prozent - pumpt also noch mehr billiges Geld ins Finanzsystem und schließt selbst eine weitere Zinssenkung nicht mehr aus. Während es dafür aus Deutschland heftig Kritik hagelte, sparte Italiens Regierungschef Enrico Letta nicht mit Lob für den Beschluss der Währungshüter unter Führung seines Landsmann Mario Draghi.
Und der ging in die Vollen: "Wir haben die Null-Linie noch nicht erreicht. Wir könnten vom Prinzip her noch weiter gehen", sagte Draghi am Donnerstag (07.11.2013) in Frankfurt. "Uns steht nach wie vor unser volles Instrumentarium zur Verfügung." Zwar bestehe akut noch nicht die Gefahr einer Deflationsspirale in den 17 Euro-Ländern. "Aber wir stehen vor einer längeren Phase mit niedriger Inflation." Sinkende Preise sind für die Wirtschaft gefährlich, weil Unternehmen dann wichtige Investitionen aufschieben und sich auch Konsumenten in der Erwartung zurückhalten, Produkte bald günstiger kaufen zu können. Japan hat dieses Phänomen jahrelang gehemmt.
Euro stürzt ab - Aktien heben ab
Am Devisenmarkt sorgten die Zinssenkung und die Äußerungen Draghis für einen Absturz des Euro. An den Aktienbörsen ging es dagegen steil bergauf: Der Deutsche Aktienindex Dax kletterte in Frankfurt auf ein Rekordhoch. Während sich die Börsianer über den Kurs der EZB freuten, schlugen deutsche Banken und Versicherer Alarm.
So warnte beispielsweise der Verband der privaten Banken vor massiven Risiken durch die Geldpolitik der Zentralbank. Durch sie wachse die Gefahr von spekulativen Preisblasen. Der Versicherungsverband GDV sprach von einem "fatalen Signal" für all jene deutschen Sparer, die fürs Alter vorsorgten. "Die niedrigen Zinsen gehen massiv zu ihren Lasten." Applaus kam dagegen aus Italien: Regierungschef Letta nannte den Beschluss der Währungshüter "großartig". Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici sprach von einer Stütze für die Konjunkturerholung in der Euro-Zone.
Konjunkturerholung "schwach und fragil"
Draghi sagte, der EZB-Rat sei durch die niedrige Teuerung, die sich weit vom Zielwert der Notenbank von knapp zwei Prozent entfernt habe, alarmiert worden. Zudem habe sich gezeigt, dass die Erholung der Konjunktur sich zwar fortsetze, aber "schwach und fragil" bleibe. Einig waren sich die Geldpolitiker aber nicht: "Ich würde die Diskussion von heute so charakterisieren, dass es Einigkeit darüber gab, dass wir handeln müssen. Aber es gab Uneinigkeit darüber, wann wir aktiv werden sollen."
Einstimmig hätten die Notenbanker aber ihren Zinsausblick bestätigt: "Die Zinsen werden noch für einen längeren Zeitraum so niedrig bleiben oder weiter sinken." Zusätzlich zur Senkung des Leitzinses kappten sie auch den Zins, zu dem Banken sich kurzfristig Geld bei der EZB leihen können von einem auf 0,75 Prozent. Den sogenannten Einlagesatz, den Institute zahlen müssen, wenn sie Geld bei der Zentralbank parken, ließen sie bei null Prozent und verlängerten zudem ihre Rundumversorgung für die Banken bis Mitte 2015.
Lob und Tadel
Das Echo der Fachwelt auf die Beschlüsse fiel geteilt aus. DIHK-Chefvolkswirt Alexander Schumann sagte, es habe keinerlei Grund für eine Zinssenkung bestanden: "Was die Euro-Zone braucht, ist eine Fortsetzung der Strukturreformen. Die getroffenen Maßnahmen zeigen langsam Wirkung. Probleme mit immer mehr Zentralbankgeld zuzudecken, erhöht nur das Risiko, dass der Reformeifer erlahmt." KfW-Chefökonom Jörg Zeuner widersprach: "Dies ist die richtige Reaktion auf die zu niedrige Inflation im Euro-Raum."