Ramsch als Sicherheit
4. Mai 2010Noch vor wenigen Wochen hatte der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, ausgeschlossen, dass sein Institut Staatsanleihen als Sicherheiten akzeptieren würde, deren Rating weniger als BBB-, also gerade noch investmentwürdig, beträgt. Am Montag (03.05.2010) kippte die EZB ihre eigene Regel und nimmt jetzt auch griechische Staatsanleihen mit dem Status BB+, auch als Junk oder Ramsch bezeichnet, entgegen. Diese Anleihen hinterlegen Banken bei der EZB, wenn sie sich von dieser Geld leihen.
Eine Wende um 180 Grad
Vor der Finanzkrise bis zum Jahr 2008 hat die Zentralbank nur Sicherheiten mit dem Rating im A-Bereich (sicheres Investment) angenommen. Das griechische Finanzdrama zwang die Zentralbank jetzt ihren Grundsatz aufzugeben, keinem einzelnen Staat aus der Patsche zu helfen. Schließlich sollte die EZB das Wohl der Gemeinschaftswährung Euro und eine niedrige Inflationsrate im Auge haben. Hilfsaktionen für einzelne Staaten sind ihr sogar vertraglich untersagt. Im Januar hatte Jean-Claude Trichet das Freikaufen, das so genannte bail-out, für einzelne Staaten kategorisch ausgeschlossen. Jetzt stellt er griechischen Banken quasi einen Blankoscheck aus. Sie können sich Geld leihen gegen Sicherheiten, die im schlimmsten Fall unverkäuflich sind.
Der erste Dominostein ist gefallen
Nur so, glauben die Banker in der Frankfurter EZB-Zentrale, ließe sich sicherstellen, dass griechische Banken genügend Geld beschaffen können, um weiter Kredite ausgeben zu können. Die Zentralbank verhindert mit ihrem beispiellosen Schritt einen Liquiditätsengpass in Griechenland. Am Donnerstag will sich der Rat der EZB in Lissabon treffen, um darüber zu beraten, ob auch andere schlechter bewertete Staatsanleihen aus anderen Euro-Ländern als Sicherheiten angenommen werden sollen. Zurzeit hält die EZB geschätzte 40 Milliarden Euro in griechischen Staatsanleihen als Sicherheiten. Die Kosten Griechenlands, Geld auf dem freien Finanzmarkt zu beschaffen, sind durch die Operation der EZB etwas gesunken. Die Europäische Zentralbank begründet ihren Schritt damit, dass das 110-Milliarden-Hilfspaket der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds das Ausfallrisiko für griechische Staatsanleihen stark begrenzt.
Abschied von amerikanischen Ratings
Die europäsichen Währungshüter setzen sich von den drei großen US-amerikanischen Ratingagenturen ab, deren Bewertungen bisher immer Maßstab auch für das Handeln europäischer Banken war. Eine der drei Agenturen, Standard & Poor's, hatte griechische Anleihen auf Ramsch-Status gesetzt. Die anderen beiden Agenturen könnten bald folgen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel macht sich dafür stark, eine eigene europäische Ratingagentur zu schaffen.
Diese solle, so Merkel in Berlin, die besonderen europäischen Wirtschaftsmechanismen besser bewerten können als die amerikanische Konkurrenz. "Es muss mehr um Nachhaltigkeit und die langfristige Entwicklung, nicht um kurzfristige Dinge gehen", sagte Merkel. Die französische Finanzministerin Christine Lagarde fordert mehr Aufsicht, um die Unabhängigkeit der Ratingagenturen sicherzustellen. Auch die EZB hatte das Urteil der Ratingagenturen zu Griechenland und vor allem den Zeitpunkt der Abwertung kritisiert.
Sondergipfel zum Stabilitätspakt
Am Freitag (07.05.10) wollen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bei einem Sondergipfel in Brüssel über bessere fiskalpolitische Regeln für die Währungsunion und auch über Ratingagenturen beraten. Bundeskanzlerin Merkel hatte in Interviews gefordert, Schuldenmachern in der Eurozone solle notfalls das Stimmrecht entzogen werden. Allerdings haben Deutschland und Frankreich gemeinschaftlich die Regeln des Stabilitätspaktes vor fünf Jahren verwässert, als nämlich beide Staaten mit einem entsprechenden Defizit-Verfahren der EU-Kommission konfrontiert waren. Damals wurde der Stabilitätspakt auf Berliner Wunsch hin modernisier: Schuldensündern wurde mehr Zeit eingeräumt, wieder unter die Verschuldungsgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu kommen.
Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Nicole Scherschun