Wo die Welt zur Stadt wird
1. Oktober 2017Weg vom Land und rein in die Stadt. Diesen Weg gingen in den vergangenen Jahrzehnten Milliarden Menschen. Lebten Mitte des 20. Jahrhunderts nur 30 Prozent der Menschen in den Metropolen, so sind es heute schon mehr als 50 Prozent. Und das Wachstum geht rasant weiter, auch ohne Landflucht. Denn nirgendwo werden so viele Kinder geboren wie in den Städten der Welt. Folge: Bis 2050 werden voraussichtlich 80 Prozent der Weltbevölkerung dort leben.
Besonders viele Babys kommen in den Metropolen Asiens, Lateinamerikas und Afrikas auf die Welt. Die meisten Städte in den Industrieländern wachsen dagegen langsamer als bisher oder verlieren sogar an Einwohnern. Auf Platz eins der größten Metropol-Regionen der Welt hält sich die Gegend um Tokio in Japan trotzdem seit den 1960er Jahren.
2020 soll es schon 27 Megacities mit mehr als zehn Millionen Einwohnern geben, fast alle in Entwicklungsländern. Sie entstehen unter anderem dadurch, dass einzelne Städte zu größeren Metropolen zusammenwachsen. Viele Städte breiten sich nämlich immer weiter in der Fläche aus, oft zunächst unkontrolliert mit informellen Siedlungen am Stadtrand. Doch nicht immer gibt es genug Platz dafür. Deshalb leben die Menschen in den meisten Städten auf immer engerem Raum zusammen.
Wenn man wirklich viel Platz braucht, ist man übrigens in den USA am besten aufgehoben. Fast alle Städte am Ende der Rangliste liegen dort. In Knoxville, Tennessee, leben zum Beispiel nicht einmal 1000 Einwohner auf einem Quadratkilometer zusammen.
In den dicht besiedelten Städten ärmerer Länder mangelt es nicht nur an Platz. Trinkwasser? Muss häufig in Kanistern herangeschafft werden. Toiletten? Auch die sind Mangelware, weil viele Wohnungen nicht an die Kanalisation angeschlossen sind. Nicht einmal jeder Dritte verfügt dort über Wohnraum, der ein Leben in Würde möglich macht.
In so genannten Slums oder Armenviertel leben insgesamt etwa 900 Millionen Menschen, die meisten davon in Afrika südlich der Sahara. In solchen urbanen Elendsvierteln lebt auch der Großteil der Menschen, die ihre Heimat als Flüchtlinge verlassen haben. In diesen informellen Siedlungen erschweren nicht nur Enge und fehlende Infrastruktur das Leben. Sie sind besonders anfällig für Naturkatastrophen, weil sie oft an Hängen oder in möglichen Überschwemmungsgebieten liegen. Dabei ist umstritten, was genau als Slum oder Armenviertel gezählt werden sollte.
Doch auch in reichen Ländern gibt es viele Stadtbewohner, die kein vernünftiges Dach über dem Kopf haben. In New York City etwa sind mehr als 60.000 Menschen obdachlos und auf staatliche Hilfe angewiesen. Einer der Gründe: Immobilienpreise und Mieten sind hier deutlich schneller gestiegen als die Einkommen der Menschen.
Anhand einer simplen Berechnung zeigt sich, wo Stadtbewohner in Industrieländern es besonders schwer haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden: Man sortiert die Einkommen aller Einwohner einer Stadt der Höhe nach und nimmt den Wert, der in der Mitte steht (Median). Nun macht man das gleiche mit den Hauspreisen derselben Stadt. Teilt man nun den Median der Immobilienpreise durch den Median der Jahreseinkommen, dann bekommt man einen Wert, der anzeigt, wie schwer es für Bewohner ist, Wohneigentum zu kaufen.
Die Vereinten Nationen appellieren an alle Länder, ihre Immobilienmärkte stärker zu regulieren und sozialen Wohnungsbau zu fördern, um auch Menschen mit niedrigeren Einkommen bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. In vielen Ländern fehlt es jedoch bereits an einer funktionierenden Raumordnung, also der Planung, welche Flächen wie genutzt werden.
Das Wachstum der Städte wird so oder so weiter gehen: ob unkontrolliert oder geplant. Die Stadt von morgen wird nur dann ein Erfolgsmodell, wenn Stadtplaner und Politiker für genug Grünflächen zur Erholung, saubere Transportmittel, ausreichend Wohnraum und Sicherheit auf den Straßen sorgen.
Stimmen die Rahmenbedingungen, dann können die Metropole ihre Stärken voll ausspielen. Denn Städte sind der Motor des Fortschritts, sie beflügeln die Kreativität ihrer Bewohner. Nicht nur Waren und Dienstleistungen lassen sich in Städten viel effizienter austauschen als auf dem Land - auch der Wettbewerb widerstreitender Meinungen ist hier leichter möglich. Deshalb könnten es am Ende die Städte sein, die dafür sorgen, dass die Menschheit nicht Opfer ihres eigenen Wachstums wird. Besonders für den afrikanischen Kontinent könnte das Hoffnung machen. Denn laut UN wird das Wachstum der Städte dort in Zukunft besonders rasant sein.