Faktencheck: Fake-Bilder von Hisbollah-Angriff auf Israel
26. September 2024Vor dem Jahrestag des Terror-Angriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober liefern sich Israel und die Hisbollah die heftigsten Schusswechsel seit Beginn des Krieges im Gazastreifen. Die Geschosse der vom Iran unterstützten Miliz, die von den USA, Deutschland und mehreren sunnitischen arabischen Ländern als terroristische Organisation eingestuft wird, dringen weiter auf israelisches Gebiet vor als je zuvor.
Israel wiederum führt seit dem 21. September Hunderte von Angriffen auf Ziele der Hisbollah durch und bezeichnet diese als Präventivschläge zur Vereitelung geplanter Angriffe. Die Hisbollah antwortet mit Sperrfeuer von Raketen und anderen Geschossen auf Israel und behauptet, dies sei eine Vergeltung für die israelischen Angriffe im Libanon.
Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums wurden bei den Angriffen seit dem 23. September mehr als 2000 Menschen verwundet und mindestens 630 getötet.
Die jüngste Eskalation zwischen Israel und der Hisbollah hat auch zu einer Welle irreführender Videos im Internet geführt. Ein immer wiederkehrendes Thema in den sozialen Medien sind manipulierte Bilder, die angeblich Angriffe der Hisbollah auf Israel zeigen sollen.
Diese Videos, die oft aus dem Kontext gerissen sind oder in keinem Zusammenhang mit der Eskalation zwischen Israel und Hisbollah stehen, verbreiten sich auf Social-Media-Plattformen rasant. DW-Faktencheck hat die Behauptungen hinter einigen dieser Posts untersucht.
Kein Foto des Angriffs auf den Luftwaffenstützpunkt Ramat David
Behauptung: "Trotz der hermetischen militärischen Zensur Israels ist ein Foto des Stützpunktes Ramat David an die Öffentlichkeit gelangt. Der Stützpunkt wurde [am 22. September] im Morgengrauen von der Hisbollah angegriffen. Israel gibt nicht zu, dass auf diesem Luftwaffenstützpunkt etwas passiert ist", heißt es in der Beschreibung zu einem Foto, das in den sozialen Medien viral ging.
Das Bild zeigt ein großes, in Flammen stehendes Flugzeug, das von Fahrzeugen auf einem Flughafen umgeben ist. Auch Militärfahrzeuge und Personal halten sich in der Umgebung auf. Das Bild wurde auf mehreren Plattformen geteilt, darunter X(früher Twitter), Redditund Threads, und erreichte Nutzer in mehreren Sprachen.
DW-Faktencheck: Fake.
Trotz des Vorwurfs der "militärischen Zensur" haben israelische Medienüber den Angriff auf den Luftwaffenstützpunkt Ramat David im Norden des Landes berichtet. Außerdem gibt es eindeutige Hinweise darauf, dass das geteilte Bild von einer künstlichen Intelligenz generiert wurde.
Eines der deutlichsten Anzeichen für KI-generierte Inhalte ist verschwommener oder unleserlicher Text. Auf der Seite eines der Fahrzeug vorne in der Mitte des Bildes ist so etwas wie weiße Schrift zu sehen, aber der Text ist verzerrt und unleserlich.
Einige der Zeichen ähneln hebräischen Buchstaben, andere wiederum ergeben keinen Sinn. Dieser häufige KI-Fehler, bekannt als "Halluzination", tritt auf, wenn das System Elemente erzeugt, die in der realen Welt nicht existieren oder keinen Sinn ergeben.
Im Bild gibt es mehrere visuelle Verzerrungen, insbesondere bei den Formen und Umrissen von Objekten. So ist der Lastwagen im Vordergrund im Ladebereich gekrümmt. Die Fahrzeuge in der Nähe des Flugzeugs scheinen miteinander verschmolzen zu sein. Ihre Umrisse gehen ineinander über, so dass sie nur schwer voneinander zu unterscheiden sind. Solche Fehler sind typisch für KI-generierte Bilder.
Auch die Tragfläche des Flugzeugs scheint falsch ausgerichtet zu sein. Der Rumpf hat eine merkwürdige Beule. Noch aufschlussreicher ist es, wie unrealistisch scharf die Flammen im Bild sind im Kontrast zu den etwas verschwommenen Fahrzeugen.
Die Ungereimtheiten deuten stark darauf hin, dass das Bild von einer künstlichen Intelligenz generiert wurde und kein authentisches Foto eines echten Angriffs auf den Luftwaffenstützpunkt Ramat David ist.
Eine digitale Analyse mit Truemedia, einem gemeinnützigen digitalen Tool, das auf die Erkennung von politischen Deepfakes in sozialen Medien spezialisiert ist, unterstützt den Verdacht. Das Tool entdeckte "erhebliche Anzeichen von Manipulation", was die Plattform später durch menschliche Experten bestätigte.
Aufnahmen von Feuerwerkskörpern in Algerien und Feuer in Indonesien
Behauptung: In einem am 22. September verbreiteten viralen Postheißt es: "Hisbollah hat Israel in eine Isra-Hölle verwandelt." Der Post beinhaltet ein rund eine Minute langes Video, das aus mehreren Clips zusammengeschnitten ist.
Um ein Gefühl von Kontinuität zu erzeugen, wurden durchgehend Schussgeräusche, Sirenengeheul und Schreie hinzugefügt, die keinen thematischen Bezug zu den Aufnahmen besitzen. Die ersten Sekunden zeigen glühende Leuchtkörper, die den Nachthimmel an einem öffentlichen Ort erhellen. Im zweiten Teil befinden sich chaotische Szenen, in denen Gebiete nachts in Flammen aufgehen.
Der Post kursiert in mehreren Sprachen, darunter Englisch, Arabisch, Urduund Hindi. In allen wird behauptet, das Video zeige die Folgen eines Raketenangriffs der Hisbollah auf Israel.
DW-Faktencheck: Falsch.
Eine Bilderrückwärtssuche mit einem Screenshot des ersten Clips zeigt, dass das Video keine Szenen aus dem Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah zeigt. Es zeigt keine militärische Auseinandersetzung, sondern die Feierlichkeiten zum 103. Jahrestag des Fußballclubs Mouloud d'Algerin Algerien.
Es gibt im Netz noch weitere Videos von derselben Veranstaltung, auf denen Polizeibeamte in Uniformen mit der Aufschrift "G.I.P." zu sehen sind, die mit denen der algerischen Strafverfolgungsbehörden übereinstimmen. Diese Feiern fanden Anfang August statt, also lange vor der jüngsten Eskalation des Konflikts.
Das Gleiche gilt für weitere Teile des Videos. Auch die anderen Clips haben nichts mit dem aktuellen Konflikt zwischen der Hisbollah und Israel zu tun. Sie sind bereits seit mindestens zwei Jahren im Umlauf und sollen Brändeim Landesinneren von Indonesienzeigen.
Die DW konnte die genauen Orte, an denen die Videos gedreht wurden, nicht verifizieren. Die Tatsache, dass die Clips mindestens zwei Jahre alt sind, bestätigt jedoch, dass sie keinen Bezug zu den laufenden Feindseligkeiten haben.
Zu einem Ausschnitt aus dem Video konnten wir keine älteren Versionen finden. Einige Originalversionen der Clips wurden gespiegelt, was die Bilderrückwärtssuche weniger effektiv macht und damit die Suche nach den ursprünglichen Quellen der Videos erschwert.
Aufnahmen aus Russland als Hisbollah-Drohnenangriff ausgegeben
Behauptung: "Hisbollah-Drohnen haben die Ölraffinerien im Norden des besetzten Palästina erreicht", heißt es in einem Beitrag auf X. Die Hisbollah und andere anti-israelische Gruppen bezeichnen Israel als "besetztes Palästina", weil sie es nicht als rechtmäßigen Staat anerkennen.
Dem Beitrag ist ein Video beigefügt, das angeblich eine Drohne zeigt, die über ein Industriegelände fliegt, einen Teil der Anlage trifft und explodiert. Das Filmmaterial wurde von zahlreichen Accounts auf X mit ähnlichen Behauptungen geteilt.
DW-Faktencheck: Falsch.
Eine Bilderrückwärtssuche mit einem Screenshot des Videos zeigt, dass dieses älter ist. Das Filmmaterial zeigt einen ukrainischen Drohnenangriff auf eine Ölraffinerie in der russischen Kreisstadt Tuapsein der Region Krasnodar Ende Juli und nicht einen Hisbollah-Angriff in Nordisrael.
Die Hisbollah hat nach eigenen Angaben am Dienstag (25.9.) mehrere israelische Militäreinrichtungen angegriffen, darunter eine Sprengstofffabrik in Israel. Berichten zufolge schoss die militante Gruppe auch eine ballistische Rakete auf Tel Aviv ab. Nach Angaben des israelischen Militärs war dies das erste Mal, dass ein aus dem Libanon abgefeuertes Geschoss das Zentrum Israels erreicht hat. Viele im Internet kursierende Bilder und Videos, die angeblich die Folgen dieser Angriffe zeigen, sind jedoch gefälscht.
Mitarbeit: Emad Hassan und Tilman Wagner
Dieser Text erschien zuerst auf Englisch.