Faktengesättigt: Frank Schätzings neuer Roman "Breaking News"
7. März 2014Angekündigt wird er wie ein Hollywoodfilm. Mit einem Mediengetöse, das seinesgleichen sucht in der deutschen Literaturszene. Der neue Roman des Bestsellerautors Frank Schätzing kommt mit einer Auflage von 500.000 auf den Markt - für hiesige Verhältnisse ist das enorm.
Aber Schätzing ist ja auch nicht irgendwer. Seine beiden Romane "Der Schwarm" und "Limit" verkauften sich bestens, ersterer wurde in 27 Sprachen übersetzt. Schätzing ist in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt zu sowas wie einer "Marke" geworden. Auch, weil er sich selbst gern als Unterhaltungsautor ins Spiel bringt, der nichts am Hut hat mit der Unterscheidung zwischen E und U, zwischen der sogenannten ernsten und der unterhaltenden Literatur.
Angelsächsische Vorbilder
Das kommt an bei einem Teil des lesenden Publikums, das sowieso neidisch auf den amerikanischen und britischen Markt schielt - mit all seinen erfolgreichen Thriller- und Bestsellerautoren. Auf ein Vorbild wie John Le Carré bezieht sich Schätzing auch gern. Überhaupt weiß dieser Autor genau, wie er sich professionell vermarkten kann. Schätzing-Lesungen werden gleich als Medien-Spektakel inszeniert, mit Filmeinspielungen und Musik. Bevor er zum erfolgreichen Schriftsteller aufstieg, arbeitete er in der Werbebranche.
Auch "Breaking News", das neue, annähernd 1000-Seiten starke Opus, wird seit ein paar Wochen von Verlag und Autor geschickt in der Medienlandschaft platziert. Journalisten, die vor Veröffentlichungstermin einen Blick in das Buch werfen wollten, mussten eine Einverständniserklärung zur Beachtung einer Sperrfrist unterschreiben. Das kennt man ansonsten nur von den großen Studios in Hollywood. Dass bei Schätzing bestimmte Zeitungen dann doch vorpreschen durften, gehört zum Spiel.
Geschichte eines Journalisten
Was verbirgt sich nun hinter dem großen Romanprojekt? Frank Schätzing hat sich nicht weniger vorgenommen, als eine Gesamtschau der historischen und aktuellen Konflikte im Nahen und Mittleren Osten zu präsentieren. Es sind zwei große Handlungsstränge, die sich abwechseln. Zum einen erzählt "Breaking News" die Geschichte des Kriegsreporters Tom Hagen, der seinen Geschäften zunächst in Afghanistan, später in Libyen und schließlich im Nahen Osten nachgeht.
Parallel dazu erzählt der Autor die Geschichte zweier jüdischer Familien, die Ende der 1920er Jahre nach Palästina einwandern: die eine kommt aus Deutschland, die andere aus Weißrussland. In mehreren großen Zeitsprüngen verfolgt der Autor das Schicksal dieser Familien, der Zwillinge Benjamin und Jehuda sowie Ariks, der sich später als der kürzlich verstorbene israelische Ministerpräsident Ariel Scharon entpuppt. Nach mehreren Hundert Seiten werden die beiden großen Handlungsstränge zusammengeführt. Im zweiten Teil des Buches geht es dann vornehmlich um ein fiktives Komplott innerhalb des israelischen Geheimdienstes, dem Tom Hagen auf der Spur ist.
Plädoyer für einen differenzierten Blick
"Ich hasse alles Messianische. Ich habe nie eine Botschaft", antwortete Schätzing in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" auf die Frage, ob er eine politische Botschaft vermitteln wolle. Eine Botschaft hat Schätzing aber doch, auch wenn diese einem durchaus sympathischen Plädoyer für einen differenzierten Blick auf das komplexe Geschehen im Nahen Osten gleicht.
Doch das ist nicht das Hauptproblem des Romans. Das liegt vielmehr in der ungeheuren Faktendichte dieses literarischen Textes begründet. "Breaking News" gleiche, so ein Kritiker, einem "historischen Studienkolleg". Ein anderer spricht von "arg gedehnten historischen Exkursen" und einer "ermüdenden Prosa". Insbesondere die Passagen, in denen die Familiengeschichte in Israel aufgerollt wird, sind wie aus einem populärwissenschaftlichen Sachbuch entnommen.
Informationen statt Poesie
Fahre man in den Nahen Osten, so stellt man fest, dass es keine Systeme gibt, erklärt Frank Schätzing: "Systeme sind Konstrukte. Es gibt nur Menschen. Millionen Einzelschicksale". Damit hat der Autor recht. Und doch verschwinden im Roman diese Menschen hinter der Dominanz der vielen Fakten. "Wahrscheinlich ist am Ende meine Detailversessenheit schuld, dass es so lange dauert" lautete die Antwort Schätzings auf die Frage, warum er nur im Fünfjahrestakt veröffentliche.
Hollywood habe das alles längst ästhetisiert, meint an einer Stelle des Buches Schätzings Kriegsreporter Tom Hagen und spielt damit auf die vielen großen US-Kriegsfilme an und deren Umgang mit der Zurschaustellung der Konflikte in Afghanistan oder dem nahen Osten. Doch Schätzing macht nichts anderes. Auch er verfällt immer wieder in spekulative und seelenlose Beschreibungen des alltäglichen Bombenterrors und Gemetzels.
An anderer Stelle sinniert Hagen, dass für ihn all die literarischen Helden seiner Jugend, angesichts der realen Schrecken, mit ihrem draufgängerischem Gehabe ihren Reiz verloren hätten: "Sie demaskierten sich als Erfindungen, bis nichts mehr von ihnen bleibt als Druckerschwärze." Frank Schätzings Protagonisten in "Breaking News" ergeht es nicht viel anders.
Zum Weiterlesen: Frank Schätzing: Breaking News, Roman, 976 Seiten, Kiepenheuer & Witsch Verlag Köln 2014, ISBN: 978-3-462-04527-7. Gleichzeitig ist beim Verlag eine vollständige Lesung des Romans erschienen, auf 3 mp3-CD, ca. 33 Stunden, gelesen von Hansi Jochmann und Oliver Strizel.