Fallon Sherrocks Darts-Märchen geht weiter
22. Dezember 2019Fallon Sherrock schreibt bei der Darts-WM weiter eifrig Geschichte und wird nach dem furiosen 3:1-Sieg über Österreichs Weltklassespieler Mensur Suljovic nach den Feiertagen erneut im Londoner Partytempel die Bühne betreten. Das nächste Kapitel ihres modernen Sport-Märchens nannte die 25 Jahre alte Engländerin ganz spontan "ihr schönstes Weihnachtsgeschenk überhaupt". Am späten Samstagabend strahlte Sherrock so sehr, dass man das Gefühl bekam, auf diese drei Tage Weihnachtspause könnte sie gerade sehr gut verzichten. "Ich will einfach nur wieder auf die Bühne und wieder spielen", sagte die Mutter eines Sohnes.
Dem Publikum im Alexandra Palace geht es wohl genauso, sie können das Match gegen Englands Chris Dobey am kommenden Freitag (27.12.2019, 16.00 Uhr MEZ) schon jetzt kaum noch erwarten. Minutenlang und mit unfassbarer Lautstärke besangen die 3000 Fans ihre neue Heldin und stellten sie gar auf eine Stufe mit Rekord-Weltmeister Phil Taylor. "There's only one Fallon Sherrock", schallte es in maximalem Pegel durch die Arena. Die schon als "Queen of the Palace" bezeichnete Sherrock wirkte etwas verlegen ob dieser grenzenlosen Zustimmung.
Sherrock schreibt Darts-Geschichte für die Frauen
Was Sherrock sportlich auf der Bühne bot, war eine gewaltige Leistung und eine deutliche Steigerung zum historischen Erstrundensieg gegen Landsmann Ted Evetts. Überragende 67 Prozent aller Würfe auf die Doppelfelder fanden ihr Ziel und sorgten dafür, dass sie auch den hoch favorisierten Ranglistenelften aus dem Turnier warf. "Wir können die Männer schlagen, wir haben das bewiesen!", rief Sherrock. Die Forderung, die da an den Weltverband mitschwang, war überdeutlich: Gebt uns noch mehr Chancen!
Wie sich die Männer-WM der PDC (Professional Darts Corporation) und die Frauen-WM der BDO (British Darts Organisation) unterscheiden, lässt sich am besten über das Preisgeld verdeutlichen. Sherrock hat nach zwei Siegen und dem Einzug in die dritte Runde bereits 25.000 Pfund eingespielt - dafür hätte die gelernte Friseurin das Turnier der Frauen zweimal gewinnen müssen. Schafft sie im nächsten Duell gegen Dobey eine weitere Überraschung, würde Sherrock alleine mehr Preisgeld gewinnen, als für alle Teilnehmerinnen der Frauen-WM ausgeschüttet wird.
Sherrock steht jetzt im Darts-Geschichtsbuch als erste siegreiche Frau bei einer WM und als erste Frau in Runde drei. "Ich bin immer noch sprachlos, weil ich nicht glauben kann, was da passiert ist", sagte sie. Schon nach dem ersten Sieg waren der mediale Rummel und das öffentliche Interesse beinahe ins Unermessliche gestiegen. Sherrock absolvierte einen 24-stündigen Pressemarathon, auch diesmal war an Ruhe nicht zu denken. "Ich weiß gar nicht, wie ich heute Nacht schlafen soll", sagte sie auf der Bühne, nach dem sie sich ungläubig die Hand vors Gesicht hielt und wieder mit den Tränen kämpfte.
Auch schwierige Zeiten verschweigt Sherrock nicht
Doch die 25-Jährige berichtete bei ihrem Medienmarathon auch von dunkleren Tagen. Sie erkrankte nach der Geburt ihres mittlerweile fünfjährigen Sohnes Rory und hat mit Nierenproblemen zu kämpfen. Zu den sexistischen Anfeindungen in einer Männerdomäne kamen hämische Kommentare über ihr Aussehen: 2017 war ihr Gesicht durch Medikamente stark angeschwollen. "Ich habe es allen Trollen gezeigt", sagte sie nun stolz.
Da stellte sich unvermeidlich die Frage, wie weit es für Sherrock bei dieser WM noch gehen kann. Ein Reporter von Sky Sports traute sich: Kann sie das Turnier gewinnen? "Warum nicht?", fragte Fallon Sherrock zurück. "Ich habe zwei der besten Spieler der Welt geschlagen. Ich werde es versuchen." Doch jetzt wird Sherrock, die aus dem englischen Milton Keynes kommt, erst einmal mit ihrem Sohn Weihnachten feiern und dann versuchen, im Drittrunden-Duell gegen ihren Landsmann Dobey den Alexandra Palace, oder auch Ally Pally genannt, erneut zum Beben zu bringen.