"Rhetorisch brillant"
20. Februar 2012DW: Bemerkenswert an der Nominierung Gaucks war, dass er zunächst von den oppositionellen Sozialdemokraten und Grünen ins Spiel gebracht worden war. Dann schwenkte die FDP um. Und erst zum Schluss stimmten die Unionsparteien zu. Was sagt das über das Zusammenspiel der Regierungsparteien Union und FDP aus?
Falter: Dass das nicht ideal war, hat man ja gesehen. Bei der Union war es am Ende die Einsicht in den Zwang der Notwendigkeit. Denn wenn man daran festgehalten hätte, einen eigenen Kandidaten zu nominieren - auf den man sich ja mit der FDP nicht einigen konnte - dann hätte das zu einer großen Koalitionskrise geführt. Und Angela Merkel wollte natürlich alles, nur kein Platzen der Koalition zu diesem Zeitpunkt. Das hätte ja nicht nur den möglichen Untergang der FDP bedeutet, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch, dass die Unionsparteien in die Opposition gelangt wären.
Heißt das also: Die FDP hat gepokert - und gewonnen?
Ja, die FDP hat versucht, Eigenständigkeit zu beweisen. Sie hat auf den populärsten Kandidaten gesetzt, einen Kandidaten, von dem schnell klar war, dass er am ehesten eine Mehrheit in der Bundesversammlung bekommen könnte. Und sie hat sich durchgesetzt. Die FDP hat einen Punktsieg erreicht, auch wenn es Unfrieden in die Koalition getragen hat.
Wie wird sich denn dieser "Unfrieden in der Koalition" ihrer Meinung nach auswirken?
Das wird sich auf die Atmosphäre innerhalb der Koalition auswirken, wie man öffentlich und intern miteinander umgeht. Aber die Regierungsarbeit dürfte es nicht wirklich lahm legen. Da existieren die alten "Baustellen" weiter, es gibt große Konflikte zwischen Ministern der Union und der FDP zum Beispiel beim Umstieg in der Energiepolitik und beim Ausbau der Energienetze. Diese Konflikte zu überwinden, wird nun natürlich nicht einfacher werden.
Können sich die atmosphärischen Störungen innerhalb der Bundesregierung und das erzwungene Nachgeben der Union negativ auf das Handeln von Bundeskanzlerin Merkel im Ausland auswirken?
Ganz im Gegenteil: Es wird ihr vermutlich als ein weiteres Zeichen ihrer großen Flexibilität und Führungsstärke ausgelegt werden, dass sie in der Lage ist, so zu reagieren, dass sie am Ende nicht als die Blamierte dasteht.
Ist Joachim Gauck - nachdem er bei der letzten Präsidentenwahl gegen Christian Wulff unterlag - ein "Second-Hand-Kandidat"?
Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass das eine dominierende Interpretation werden wird. Schon allein deshalb, weil Wulff ja damals gewählt wurde, um die Handlungsfähigkeit der Koalition zu beweisen. Das wird Gauck nicht negativ anhaften. Es kommt ja hinzu: Gauck ist eine Persönlichkeit, die mit der Macht des Wortes punkten kann. Er ist zu rhetorischer Brillanz fähig und hat eine sehr eindrucksvolle Biographie, die er mit seiner Themenwahl "Freiheit" zusammen bringt. Ich glaube es daher nicht, dass man ihn als "zweitrangigen Kandidaten" oder als "Verlierer, der es dann doch noch geschafft hat" ansehen wird.
Gauck ist also Ihrer Meinung nach ein Kandidat, der, wie seine Unterstützer sagen, nach Christian Wulff "dem Bundespräsidentenamt die Würde zurückgeben" kann?
Ja, ich glaube, dass er das im öffentlichen Auftreten auf jeden Fall kann. Auch Wulff hat Würde gezeigt - das darf man trotz seiner vielen Fehler aus der Zeit, bevor er Bundespräsident wurde, nicht vergessen. Er war ein würdevoller Präsident, der zurückhaltend und mit Distanz auftrat. Und ich glaube, dass Gauck mindestens in gleichem Maße dazu in der Lage ist, ohne dass er vermutlich die Mängel hat, die man leider Wulff vorhalten konnte.
Autor: Klaus Dahmann
Redaktion: Sonila Sand