Hamas und Islamischer Dschihad
25. April 2014Islamischer Dschihad in Palästina
In den Jahren von 1948 bis 1967 stand der Gazastreifen fast die gesamte Zeit unter ägyptischer Verwaltung. Ideen, wie die der Muslimbrüder aus Kairo, dass sich die arabische Gesellschaft zu sehr verweltlichte, stießen daher schnell auf fruchtbaren Boden. Bald wuchsen Widerstandsideologien gegen den Staat Israel.
Mit der Niederlage im Sechstagekrieg und der damit einhergehenden israelischen Eroberung des Gazastreifens und des Westjordanlandes wuchs die Enttäuschung vieler Palästinenser über die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) unter der Führung von Jassir Arafat und trieb sie in die Arme der Islamisten.
Israel schien die Muslimbrüder in den siebziger Jahren zu tolerieren. Das änderte sich aber schlagartig mit der Revolution im Iran und dem Sturz des Schahs 1979. Denn die Errichtung eines iranischen Gottesstaates wirkte sich auch auf die Palästinenser aus.
Gottesstaat Iran als Vorbild
Die Muslimbrüder waren in den siebziger Jahren auf dem Weg, im Gazastreifen ein den israelischen Besatzern zwar nicht willkommener, von ihnen aber tolerierter Faktor zu werden. Zum Teil, weil Israel ein Gegengewicht zur PLO aufweisen wollte, die damals noch wenigstens offiziell das Ziel der Rückeroberung Palästinas verfolgte. Bald spaltete sich ein militanter Flügel der Muslimbrüder ab, um dem Beispiel des Iran nachzueifern: Der "Palästinensische Islamische Jihad" wurde 1979 von dem Arzt Fathi Shakaki und gleich gesinnten Palästinensern gegründet.
Die Muslimbrüder waren ihnen im Kampf gegen Israel und die Besatzung zu gemäßigt, ebenso die PLO. Ihr Ziel war ein großer islamischer Staat für alle Muslime. Noch bevor in den besetzten Gebieten die Erste Intifada - der erste Aufstand der Palästinenser - ausbrach, begann die Untergrundorganisation Anfang der 1980er Jahre ihre Überfälle und Terroranschläge auf israelische Ziele.
Militante Organisation
Obwohl die Intifada eigentlich gewaltlos von statten gehen sollte, bot sie den Extremisten die ideale Gelegenheit, sich zu positionieren. Als Israel die Gefahr erkannte, brachte man Shakaki in den Libanon, wo er gute Beziehungen zur Hisbollah, dem Iran und Syrien aufbaute. Als es dann 1993 zum Oslo-Abkommen zwischen der PLO und Israel kam, übernahm die Gruppe Islamischer Dschihad die Führungsrolle in der Widerstandsbewegung.
Die selbst ernannten Gotteskrieger lehnen einen Frieden mit Israel und die Anerkennung Israels ab. Shakaki fiel 1995 in Malta einem Mordanschlag des israelischen Geheimdienstes zum Opfer. Sein Nachfolger wurde Ramadan Abdallah Shalah, ein Mitbegründer der Bewegung. Die Gruppe wurde im Dezember 2001 auf internationalen und israelischen Druck hin von Jassir Arafat verboten - doch das blieb wirkungslos. Sie operiert weiterhin aus dem Gazastreifen heraus.
Die Hamas
Hamas (Abkürzung für "Harakat Al-Muqawama Al-Islamia" - "Islamische Widerstandsbewegung") trat erstmals Ende 1987 mit dem Ausbruch der Ersten Intifada in Erscheinung, um der PLO die Stirn zu bieten. Israel sah sich auf einmal mit zwei Bewegungen konfrontiert: der Hamas und der PLO.
1978 meldete Sheich Ahmed Jassin, ein muslimischer Führer in Gaza, die sogenannte "Mujamma Al Islami" an, eine Islamische Vereinigung, die sich um hilfebedürftige Palästinenser kümmern wollte. Israel genehmigte die Vereinigung, auch um zu beweisen, dass es lokale Kräfte gibt, die sich um ihre Bevölkerung kümmern können und ein Gegengewicht zu Terrorist Arafat sein könnten. Dieser führte die PLO damals aus Jordanien heraus. Doch dann tauchten genau diese Leute als Hamas auf und sagten Israel den Kampf an. Während der Ersten Intifada riefen sie ihren eigenen Aufstand aus, verübten Anschläge und versuchten, die PLO zu verdrängen.
Politischer und militärischer Arm
Ebenfalls aus der Muslimbrüderschaft hervorgegangen, zeigte die Hamas ihre kompromisslosen und radikalen Ideologien. Sie versteht sich als Widerstand gegen die Besatzung im ganzen Land, nicht nur in den besetzten Gebieten: Palästina sei ein islamisches Land, heißt es in der Charta von 1988.
Als Israel und die PLO das Oslo-Abkommen aushandelten, waren sich die Hamas und der Islamische Dschihad einig: Das sei eine Politik des Verrats. Doch im Gegensatz zur Gruppe Islamischer Dschihad teilte sich Hamas schnell in einen "politischen" und einen "militärischen" Flügel auf. Während der politische Flügel versuchte, an Einfluss zu gewinnen, verübte der militärische schwere Anschläge auf Israel. Diese Attentate nahmen an Zahl und Intensität während der Zweiten Intifada ("Al Aqsa-Intifada") zu.
2006, nach dem Tod von Jassir Arafat und der Ermordung von Scheich Ahmed Jassin, nahm die Hamas erstmals an den Wahlen teil. Wegen der großen Unzufriedenheit über Korruption und Vetternschaft der PLO ging die Hamas als großer Sieger hervor. Nicht nur die PLO war geschockt, sondern auch das Ausland: Trotz demokratisch abgehaltener Wahlen war man im Westen nicht bereit, das Ergebnis anzuerkennen. Es sei denn, Hamas verabschiedete sich von ihrer radikalen Anti-Israel-Haltung. Die Hamas unter ihrem Regierungschef Ismail Hanijeh war dazu nicht bereit.
Bruderzwist mit Fatah beigelegt?
Während die Hamas immer mal wieder Waffenruhen verkündet, setzt der Islamische Dschihad seine Angriffe fort. Die Hamas kündigte die Waffenruhe schließlich auf und die Situation im Gazastreifen eskalierte, bis sie 2007 in einen offenen Bruderkampf zwischen Hamas und der Fatah mündete. Nach heftigen Kämpfen übernahm die Hamas im Juni 2007 die alleinige Kontrolle über den Gazastreifen. Israel - das Gaza im Herbst 2005 verlassen hatte - griff immer wieder dort ein und riegelte das Gebiet ab. 2008/2009 griff Israel den Gazastreifen massiv aus der Luft und mit Bodentruppen an. Geschätzte 1500 Menschen wurden dabei getötet. International geriet Israel wegen des Krieges und der Blockade des Gazastreifens unter heftige Kritik. In der Arabischen Welt löste der Konflikt breite Solidarisierung der Massen mit der Hamas aus.
Die Hamas ist weiterhin im Gazastreifen an der Macht. 2011 und 2012 kam es zu Versuchen, sich mit der PLO auszusöhnen. Doch diese führten ins Nichts. Am 23. April 2014 gingen Hamas und Fatah wieder aufeinander zu: Binnen fünf Wochen wollen die rivalisierenden Gruppen eine gemeinsame Regierung bilden und ein halbes Jahr danach Neuwahlen für Parlament und Präsidentenamt abhalten.