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Faule Kredite und strenge Prognosen

Klaudia Prevezanos22. Oktober 2002

Japans Wirtschaft steckt seit zehn Jahren in der Krise. Vor allem die Banken sind dafür verantwortlich. Ein Weg aus der Misere ist noch immer nicht klar.

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Mit hoch verschuldetem Staatshaushalt: Premierminister Junichiro KoizumiBild: AP

Die Globalisierung stelle das Wirtschaftssystem seines Landes vor neue Herausforderungen, sagte Japans Wirtschaftsminister Takeo Hiranuma Anfang Juli dieses Jahres bei einer Konferenz in Tokio. Da konnte der Politiker noch nicht wissen, dass auch er vor noch größere Aufgaben gestellt würde. Denn Anfang Oktober wurde Hiranuma zudem zum Chef der japanischen Finanzaufsicht erklärt. Die Ernennung des reformfreudigsten Ministers der Regierung gilt als bisher stärkstes Signal von Ministerpräsident Junichiro Koizumi, dass er es Ernst meint mit der Lösung der Wirtschafts- und Bankenkrise im Land.

In einer Sondersitzung des Parlaments am Freitag (18. Oktober 2002) hat Koizumi von der Liberaldemokratischen Partei (LDP) nun strenge Maßnahmen zur Überwindung der anhaltenden Wirtschaftskrise im Lande angekündigt. Bis 2004 strebe er Steuersenkungen in Höhe von umgerechnet mehr als 8,5 Milliarden Euro an. Er wolle dafür sorgen, dass die Bankenkrise innerhalb der kommenden zwei Jahre ein Ende finde und sich die Wirtschaft erhole.

Kaum Wettbewerb im Bankensektor

Dies ist auch mehr als nötig, denn Japan steckt sei Anfang der neunziger Jahre in einer schweren Krise. Sie begann durch das Platzen einer kreditfinanzierten Spekulationsblase und hat bis heute eine Anzahl erheblicher Probleme vorzuweisen. Allen voran die nicht abgeschlossene Neuordnung der japanischen Finanzbranche: Der Bankensektor ist weiterhin stark geschützt, Wettbewerb kommt kaum vor. Notleidende Kredite wurden mehrfach mit staatlichen Geldspritzen unterstützt.

Solange die Geldhäuser noch auf Hilfe vom Staat rechnen können, ist nicht damit zu rechnen, dass sie ihre fragwürdige Geldvergabepolitik ändern. Japans Finanzaufsicht FSA geht mittlerweile davon aus, dass die Banken Kredite in Höhe von mehr als 366 Milliarden Euro vergeben haben, deren Rückzahlung völlig ungesichert ist - das sind zehn Prozent aller Bankkredite. Strengere Prognosen rechnen sogar mit bis zu drei mal so hohen faulen Krediten. Doch obwohl viele japanische Banken als chronisch unterfinanziert gelten, bleiben sie für ausländisches Beteiligungskapital verschlossen.

Hohe Staatsschulden

Weiteres Problem ist die für japanische Verhältnisse hohe Arbeitslosigkeit von 5,4 Prozent, nachdem Arbeitnehmer bis vor kurzem davon ausgehen konnten, ein Leben lang bei einem Arbeitgeber beschäftigt zu sein. Unternehmenspleiten nehmen zu, so wie in dieser Woche beim Golfplatzbetreiber STT Kaihatsu, der mit über vier Milliarden Euro Schulden zahlungsunfähig wurde. Aber auch der Staat hat finanzielle Schwierigkeiten: Ende dieses Jahres wird mit Staatsschulden von umgerechnet sechs Billionen Euro gerechnet – das sind 140 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Pro Jahr muss der japanische Fiskus ein Fünftel seiner Budgets für Tilgung und Zins aufwenden, obwohl die Zentralbank die kurzfristigen Zinsen auf fast Null gedrückt hat. Doch während die Zentralbank durch ihre Niedrigzinspolitik an Politiker und Bankiers großzügig Geld vergibt, bekommen junge innovative Unternehmen kein Kapital.

Nach wie vor hat Japan einen weltweit guten Ruf als Produzent hochwertiger Hifi-Geräte, Autos und Computerprodukte. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es sich - unter anderem durch seine Just-in-Time-Produktion - so stark entwickelt, dass es nach den USA die zweitgrößte Industrienation ist. Doch ist das Land im Osten auch extrem abhängig vom Export. Neue Produktideen sollten darum eigentlich gefördert werden. Eine weitere japanische Besonderheit ist die starke Abhängigkeit von Rohstoffen, zum Beispiel von Energierohstoffen - davon hat das Land wenig zu bieten.

Kredite abschreiben

Darüber, wie das Land aus der Misere kommen kann, gibt es unterschiedliche Ansichten: Die Banken sollen ihre ungesicherten Kredite endlich abschreiben und ihre wahre Finanzsituation offen legen, ist die häufigste Forderung. Zudem müsse die Regierung ihren Haushalt in Ordnung bringen und ihre Ausgaben den Einnahmen anpassen. Bislang nur teilweise durchgeführte Reformen, beispielsweise im Steuer- und Sozialsystem, müssten rasch zum Ende gebracht werden. Und die Subventionierung ganzer Wirtschaftsbranchen ist zu beenden. Das käme auch dem Staatshaushalt zugute.

Allerdings birgt das Aufräumen im Finanzsektor auch Gefahren. Denn hinter fast jedem schlechten Kredit steht ein zahlungsunfähiges Unternehmen. Würden die alle wegen Insolvenz zumachen, wäre das zwar eine nötige Marktbereinigung - sie würde aber auch zu Millionen von Arbeitslosen führen, die das soziale System weiter belasten.