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Fernseh-Monopoly in Griechenland

Jannis Papadimitriou, Athen 22. Juli 2016

Linkspremier Tsipras meint es ernst: TV-Sendelizenzen werden neu vergeben, dubiose Medienbarone sollen außen vor bleiben. Kritiker befürchten einen Feldzug gegen unliebsame Berichterstattung.

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Zwei Menschen vor vielen Bildschirmen (Foto: PinkShot)
Bild: Fotolia/PinkShot

Das Morgenmagazin von Dimitris Kambourakis im TV-Sender MEGA ist ein Publikumsmagnet. Freundlich und einfühlsam moderiert der Hobby-Historiker die Sendung. Doch neulich, als er wieder einmal in eine Politikerdebatte geriet, bei der alle durcheinander redeten, platzte ihm der Kragen: "Pause, verdammt. Wenn wir schon den Laden dichtmachen, lasst uns doch mindestens eine vernünftige Sendung hinbekommen", schrie Kambourakis in die Runde und schlug mit der Faust auf den Studiotisch. Spätestens in dem Moment war klar: Dem größten TV-Sender Griechenlands droht das Aus. 1989 war MEGA zum ersten Mal auf Sendung, als Miteigentümer fungierten fünf der größten Zeitungsverleger des Landes. Einige von ihnen verfolgen bis heute auch andere Interessen, etwa in der Baubranche. Mit nur 250 Mitarbeitern konnte der neu gegründete Sender innerhalb weniger Monate das Staatsfernsehen ERT, mit damals 7.000 Angestellten, in der Gunst der Zuschauer überflügeln. Es folgten weitere Privatsender, die meisten gehören reichen Reedern.

Bei vielen Zuschauern und Werbechefs genießen die Privatsender Respekt. Für linke Politiker waren sie vor allem eines: Das Symbol für dubiose Verflechtungen zwischen Politik und Geldadel. Vor dem Athener Linksruck im Januar 2015 polterte der damalige Oppositionschef Alexis Tsipras gegen das "Dreieck der unlauteren Verflechtung zwischen Politik, Banken und Medien". Aus seiner Sicht lief das so: Ermutigt durch die Politiker gewährten die Banken günstige Kredite an Medienmagnaten, die sich bei Politikern und Banken wiederum mit wohlwollender Berichterstattung bedankten. "In der Tat ist dieser Vorwurf nicht von der Hand zu weisen", sagt Giorgos Pleios, Professer für Medienwissenschaften an der Universität Athen, im Gespräch mit der DW. "Wie wäre es sonst zu erklären, dass viele Medienunternehmen Verluste erwirtschaften und dennoch immer wieder Bankkredite bekommen, obwohl sie keine dringlichen Sicherheiten anbieten?"

Der griechische Medienwissenschaftler Giorgos Pleios (Foto: DW)
Medienwissenschaftler Giorgos Pleios: Der Staat agiert als größter Kapitalist in GriechenlandBild: DW/P. Kouparanis

Ein umstrittenes Auktionsverfahren

Um derartige Missständen zu beheben, will Staatsminister Nikos Pappas, ein Vertrauter von Tsipras, die Sendelizenzen neu vergeben - oder genauer formuliert: erstmals überhaupt vergeben. Denn bisher erhielten die sieben nationalen TV-Betreiber temporäre Zulassungen zu Spottpreisen, die immer wieder erneuert werden. Ein Trick der Politiker, findet Pleios: "Auch damit übt der Staat Druck auf die Medien aus. Für mich agiert der Staat als der größte Kapitalist im Land - aus zwei Gründen: Erstens, weil er die Regeln bestimmt, zweitens, weil große Baufirmen in Griechenland von lukrativen Staatsaufträgen leben." Die neuen Regeln von Staatsminister Nikos Pappas lauten: Nur vier TV-Lizenzen sind zu vergeben, der Startpreis beträgt drei Millionen Euro. Bewerber müssen mindestens 400 Mitarbeiter beschäftigen und ihre Aktienanteile offenlegen. Diese Woche hat die Regierung eine Vorauswahl getroffen, demnach dürfen sich sieben Medienunternehmen um die vier Lizenzen bewerben. MEGA gehört nicht dazu, sendet aber trotzdem weiter. Frühestens im August wird das Auktionsverfahren abgeschlossen. Und alles dreht sich um die Frage: Wieso nur vier Sendelizenzen? Eine Erklärung liefert Premier Tsipras im Interview mit dem TV-Sender Skai: "Der griechische Werbemarkt beträgt 200 Millionen Euro im Jahr. Wie hoch sind die Kosten für einen TV-Sender, der ein Vollprogramm sendet und eine bestimmte Mindestzahl von Arbeitnehmern beschäftigt? Ungefähr 50 Millionen. Daher auch die vier Sendelizenzen."

Rechnerisch mag das stimmen. Medienpolitisch ist das neue Gesetz jedoch problematisch, mahnt Pleios. Seine Begründung: Nicht die Politik, sondern der Markt entscheidet, wie viele Sender genug sind. Pleios glaubt, dass der darbende Werbemarkt Griechenlands ohnehin nicht mehr als zwei Privatsender am Leben erhalten kann. Aber es sei eben nicht die Aufgabe der Regierung, diese Entscheidung zu treffen. "Die Politik soll transparente Regeln setzen und sich ansonsten zurückhalten. Tut sie das nicht, entsteht der Verdacht der Parteinahme, als wollten die jeweiligen Regierenden Sendelizenzen nach politischen Kriterien vergeben", kritisiert der Medienexperte.

Kritik aus den eigenen Reihen

Auch einige Politiker der regierenden Linkspartei Syriza plädieren für Änderungen im Auktionsverfahren. Es müsse nicht unbedingt bei vier Sendelizenzen bleiben, ließ neulich Syriza-Kultursprecher Dimitris Sevastakis verlauten. Der Verfassungsrechtler und EU-Parlamentarier Kostas Chryssogonos spricht sogar von "juristischen Unzulänglichkeiten". Seit Monaten mahnt der Linkspolitiker, das oberste Verwaltungsgericht Griechenlands könnte das neue Gesetz kippen. Auf Anfrage der DW erklärt Chryssogonos lapidar: "Es gibt Gerichte, die sollen entscheiden."

Das umstrittene Auktionsverfahren verstoße gegen EU-Recht und griechisches Verfassungsrecht, beklagt der Verband Griechischer Privatsender (ETISEE) in einer Erklärung. Zur Begründung beruft sich der Verband nicht zuletzt auf einen angeblichen Protestbrief von EU-Kommissar Günther Oettinger nach Athen. Doch Pappas dementiert: Der Brief aus Brüssel betreffe gar nicht das Auktionsverfahren, sondern ein völlig anderes Gesetz zur Digitalisierung des Fernsehens.