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Filmfestspiele Venedig: Eisige Eröffnung

Jochen Kürten2. September 2015

Hollywood schickte die Stars gleich im Dutzend an den Lido. Auch die europäische Filmbranche wartete mit bekannten Schauspielern und Regisseuren auf. Auftakt-Film war das Bergsteiger-Drama "Everest".

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Filmstill Biennale Venedig Filmfestspiele Everest Bergsteiger Drama (Foto: Festival)
Bild: Universal Pictures

Los ging es mit Sturm und Eis. Und tragisch ging es zu Ende: mit tiefgefrorenen Leichen am Boden. Doch dieser dramatische Auftakt fand nur im Kino statt. "Everest" hieß der Eröffnungs-Film der 72. Filmfestspiele in Venedig (2.9.-12.9.2015) und wohl selten hatte es einen größeren Kontrast zwischen den Geschehnissen auf der Leinwand und der meist sonnigen Festival-Atmosphäre am Lido in Venedig gegeben.

Der isländische Regisseur Baltasar Kormákur hat "Everest" gedreht, doch die Stars des Films kommen vor allem aus Hollywood: Josh Brolin und Robin Wright, Sam Worthington, Keira Knightley und Jake Gyllenhaal sind dabei, dazu Jason Clarke aus Australien. "Everest" erzählt vom Drama, das sich 1996 am höchsten Berg der Erde abgespielt hat.

"Everest": Katastrophe auf dem höchsten Gipfel der Erde

Damals kamen acht Menschen bei dem Versuch, den Mount Everest zu besteigen, ums Leben. Mehrere internationale, kommerzielle Bergsteiger-Teams hatten im Mai des Jahres 1996 für großes Gedränge an den Aufstiegsrouten gesorgt. Ein unvorhergesehener Wetterumschwung, mangelhafte Ausrüstung und unzureichende Technik wurden einigen Kletterern zum Verhängnis, für die der Aufstieg zum Gipfel schlicht eine Nummer zu groß war.

Filmstill Biennale Venedig Filmfestspiele Everest Bergsteiger Drama (Foto: Festival)
Vor dem großen Abenteuer: die Bergsteiger kommen in Nepal anBild: Universal Pictures

An Dramatik ist "Everest" kaum zu übertreffen. Der Film wurde in 3D gedreht und bietet spektakulärstes Abenteuerkino mit großartigen Bildern und Effekten. Die Dramaturgie ist zwar konventionell und verdichtet die authentischen Ereignisse an einigen Stellen allzu arg. Dennoch wird sich kaum ein Zuschauer in Venedig den dramatischen Geschehnissen entziehen können. "Everest" lief außer Konkurrenz. Im Wettbewerb um den Goldenen Löwen traten 21 Filme gegeneinander an.

72. Mostra: Viele Promis, aber auch Debütanten

Festivalchef Alberto Barbera präsentierte in diesem Jahr eine Mischung aus Hollywood-Kino, europäischen Autorenfilmen sowie Beiträgen aus Lateinamerika, Asien, Israel und Australien. Die Branche verändere sich derzeit so stark wie die Welt um uns herum, sagte Barbera im Vorfeld des Festivals. "Wir bewegen uns auf neuem Terrain - eine ganze Generation von Filmemachern verschwindet - weil sie schlichtweg zu alt ist oder mit wachsenden Finanzierungsproblemen zu kämpfen hat."

Und doch schmückten einige prominente Namen den Wettbewerb am Lido: Aus Italien war Altmeister Marco Bellocchio dabei, aus Polen Jerzy Skolimowski, aus Russland Aleksandr Sokurow. Auch der Amerikaner Charlie Kaufman, der einen Animationsfilm mitbrachte, sowie der Brite Tom Hooper zeigen neue Arbeiten. Mit großer Spannung wurden auch die Filme des Kanadiers Atom Egoyan und des israelischen Regisseurs Amos Gitai erwartet. Deutsche Regisseure suchte man in diesem Venedig-Jahr vergeblich, deutsches Geld steckte aber in den internationalen Produktionen von Sokurow und Egoyan.

Filmstill Biennale Venedig Filmfestspiele Everest Bergsteiger Drama (Foto: Festival)
Strapaziöser Aufstieg auf den Mount EverestBild: picture-alliance/dpa/Universal Film

Die Entscheidung, wer den Goldenen Löwen am 12.9. mit nach Hause nimmt, lag bei der hochkarätig besetzten Jury unter Vorsitz des Mexikaners Alfonso Cuarón. Die seit längerem in Hollywood arbeitende deutsche Schauspielerin Diane Kruger, der türkische Meisterregisseur Nure Bilge Ceylan und Polens jüngster Oscar-Preisträger Pawel Pawlikowski standen Cuarón (selbst in Venedig schon preisgekrönt und oscarprämiert für "Gravity") zur Seite.

Diane Kruger wird auf dem roten Teppich erwartet

Kruger war nur eine von vielen Hollywood-Stars auf dem roten Teppich vor dem Festivalpalais. Ihren Besuch in der Lagunenstadt angekündigt, hatten unter anderem Johnny Depp und Benedict Cumberbatch, Kristen Stewart und Juliette Binoche, Anthony Hopkins und der junge Oscar-Preisträger Eddie Redmayne.

Auch politisches und sozialkritisches Kino hatte einen Platz im Programm. In einer Nebenreihe wurde die ukrainische Dokumentation "Winter on Fire" von Regisseur Evgeny Afineevsky über die Proteste auf dem Majdan-Platz gezeigt. Der Dokumentarfilm "I Ricordi del Fiume" von Gianluca e Massimiliano de Serio wirft ein Schlaglicht auf das Leben entwurzelter Menschen.

Die große Retrospektive von Venedig war in diesem Jahr dem 2010 gestorbenen italienischen Filmregisseur Mario Monicelli gewidmet. Monicelli, 1991 für sein Lebenswerk bereits mit einem Goldenen Löwen ausgezeichnet, wurde im italienischen Nachkriegskino mit sozialkritischen Komödien bekannt. Träger des diesjährigen Ehren-Löwen ist der französische Regisseur Bertrand Tavernier.

Vor allem in den 1980er Jahren schuf Tavernier eine Reihe eindrucksvoller Meisterwerke ("Der Saustall", "Ein Sonntag auf dem Lande", "Um Mitternacht"). Schließlich wird auch der mexikanische Filmemacher Arturo Ripstein für sein fünfzigjähriges Kinoschaffen vom Festival geehrt.

Regisseur Atom Egoyan (Foto: Wesley Hitt/Getty Images)
Atom Egoyan hat seinen neuen Film auch mit deutschen Geldern produziertBild: Getty Images

Toronto macht Venedig Konkurrenz

Alles eitel Sonnenschein also beim ältesten Filmfestival der Welt? Ein Wehrmutstropfen kam aus Kanada. Dort finden nur ein paar Tage später (10. - 20.9.) die Filmfestspiele in Toronto statt. Die kanadische Metropole hat sich in den vergangenen Jahren zur ernsthaften Konkurrenz gemausert. Insbesondere viele nordamerikanische Studios schicken ihre neusten Produktionen lieber nach Toronto als nach Venedig.

Wer neue Filme deutscher Regisseure sehen will, der ist auch besser in Kanada aufgehoben. Toronto wird den neuen Blockbuster von Roland Emmerich ("Stonewall") ebenso präsentieren wie das jüngste Werk des deutschen Oscarpreisträgers Florian Gallenberger ("Colonia"). Venedig wird das verkraften - die architektonische Kulisse des Festivals ist konkurrenzlos und auch das diesjährige Programm verspricht viele Highlights.