Kroatiens Push-Backs von Flüchtlingen
13. Juli 2019Das EU-Land Kroatien hat ein wichtiges Ziel: Den Beitritt zum Schengen-Raum. Doch wer zahlt den Preis für das grenzfreie Reisen von Hamburg bis Dubrovnik? In den letzten 12 Monaten wurde das immer deutlicher: Es gibt viele Berichte über den brutalen Umgang kroatischer Grenzpolizisten mit Flüchtlingen, die versucht haben, die bosnisch-kroatische Grenze jenseits der offiziellen Grenzübergänge zu passieren. Die kroatischen Hüter der EU-Außengrenze scheinen vor Grausamkeiten nicht zurückzuschrecken: Es gibt Medienberichte, in denen Flüchtlinge - darunter auch Kinder - vor der Kamera ihre Wunden zeigen, die ihnen von Polizisten zugefügt worden seien.
Die meisten kroatischen Medien ignorierten diese Tragödie, die sich weniger als 150 Kilometer von der Hauptstadt Zagreb abspielte. Das kroatische Innenministerium wies Berichte über Misshandlungen von Flüchtlingen an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina und sogenannte Push-Backs, also illegale Abschiebungen, zurück.
Leugnen in Zagreb, Schweigen in Brüssel
Amnesty International kritisierte auch das Schweigen Brüssels zu diesen Vorgängen. "Europäische Staaten verschließen die Augen vor den bösartigen Angriffen kroatischer Polizisten und finanzieren auch deren Aktivitäten", schrieb die Menschenrechtsorganisation in einem Statement.
Seit Journalisten des TV-Senders SRF aus der Schweiz im Mai illegale Abschiebungen an der kroatisch-bosnischen Grenze gefilmt haben, ist es für die kroatischen Behörden noch schwieriger geworden, diese Vorgänge zu verschweigen und zu verharmlosen.
Doch auch die Präsidentin Kroatiens, Kolinda Grabar-Kitarović, sagte Anfang Juli noch vor einheimischen Journalisten an der kroatisch-bosnischen Grenze: "Wenn jemand durch dieses schwierige Gelände geht, ist es normal, dass Schürfungen, Hämatome und Wunden auftreten. Sie müssen darüber nachdenken, wenn Sie nächstes Mal Geschichten über die Brutalität unserer Polizisten hören. Die sind nicht brutal, ich garantiere das."
Push-Backs gebe es keine, hieß es damals noch. Die Präsidentin fügte die pauschale Behauptung hinzu, es handele sich ohnehin nicht um Flüchtlinge, sondern um Wirtschaftsmigranten.
Fauxpas vor der Kamera
Doch ein paar Tage später räumte die Grabar-Kitarović in einem SRF-Interview während eines Besuchs in der Schweiz ein, dass die kroatischen Polizisten Push-Backs durchführen.
"Ich habe mich beim Innenminister, dem Polizeichef und den Polizisten vor Ort erkundigt, und sie haben mir versichert, dass sie nicht übertriebene Gewalt anwenden. Natürlich ist ein bisschen Gewalt nötig, wenn sie Push-Backs durchführen", sagte Kolinda Grabar-Kitarović vor laufenden Kameras. Sie bestätigte genau das, was andere kroatische Politiker seit Monaten dementieren.
Jelena Sesar von Amnesty International bezeichnet diese Erklärung der kroatischen Präsidentin als "schockierend" und betont im Gespräch mit der DW: "Nach internationalem Recht und EU-Recht sind kollektive Vertreibungen und Push-Backs immer illegal."
Es sei ein Skandal, wie die kroatische Präsidentin versuche, Push-Backs als legale Maßnahme darzustellen und "ein bisschen Gewalt" zu rechtfertigen. Amnesty International fordert, dass die Europäische Kommission Druck auf Kroatien ausübt, um dieses Vorgehen an der kroatisch-bosnischen Grenze zu beenden.
Die EU-Kommission antwortete auf eine DW-Anfrage über die Äußerungen von Kolinda Grabar-Kitarović lediglich, man habe dazu keinen Kommentar.
Grenzwächter Europas
Schon vor einem Jahr war klar, dass Kroatien seine neue Rolle als "Grenzwächter der EU" ernstnehmen will. Mitten im Streit zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) über die Flüchtlingspolitik besuchte der kroatische Innenminister Davor Božinović Berlin. Der Gast aus Zagreb sagte vor einem Jahr stolz: "Kroatien, das weiß inzwischen jeder, hat die stärkste Grenzpolizei im diesen Teil Europas." Er warb dafür, dass Kroatien im Gegenzug Mitglied der Schengen-Zone wird.
Inzwischen gehen die Push-Backs mit "ein bisschen Gewalt" an der kroatisch-bosnischen Grenze weiter.