Die Fracking-Frage
16. März 2013Erdgas wird als Energiequelle immer wichtiger. Es verbrennt sauberer als Kohle und Öl. Außerdem können Gaskraftwerke wetterbedingte Stromschwankungen von Solarzellen und Windrädern ausgleichen. Das Problem: In Deutschland gehen die leicht zu fördernden Erdgasreserven allmählich zur Neige. Seit 2006 hat die Erdgasförderung um gut 30 Prozent abgenommen. Derzeit deckt Deutschland etwa 12 Prozent seines Bedarfs aus heimischen Ressourcen.
Um diesen Rückgang auszugleichen, wollen die Konzerne nun Lagerstätten ausbeuten, die bislang als unwirtschaftlich galten - Gas aus Schiefergesteinen. Im Schiefer ist das Gas in kleinen, voneinander abgeschotteten Poren und Ritzen gefangen. Um es zu fördern, hilft nur eine spezielle, in Deutschland bislang selten eingesetzte Methode - das Fracking. Die Funktionsweise: Die Gasfirma presst Wasser, vermischt mit Chemikalien, durch das Bohrloch in die Tiefe. Da die Flüssigkeit unter Hochdruck steht, sprengt sie Risse in den Schiefer. Diese Risse verbinden die zuvor getrennten Gasporen miteinander. Die Folge: Das Erdgas kann zum Bohrloch strömen und nach oben gepumpt werden.
Gängige, aber gefährliche Methode in den USA
In den USA wird seit mehr als zehn Jahren in großem Maßstab gefrackt - bislang rund eine Million Mal. Mittlerweile machen dort Gasvorkommen aus Schiefergestein rund 30 Prozent der Förderung aus. Die Kehrseite des Booms: In Regionen wie Texas stehen die Bohrstellen dicht an dicht. Nicht jedes dieser Bohrlöcher ist fachgerecht abgedichtet. Aus manchen strömt Methan heraus und steht im Verdacht, Trinkwasserbrunnen unbrauchbar zu machen.
Deutschlandweite Aufstände
Auch in Deutschland gibt es Schiefergas-Vorkommen. Als Gaskonzerne, wie ExxonMobil, Probebohrungen beantragten, um in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen das Fracking in Schiefergesteinen zu erproben, erhob sich eine Welle des Protestes: Angesichts der Umweltschäden in den USA befürchten Wasserversorger und Bürgerinitiativen massive Risiken:
- Einige der Fracking-Chemikalien sind giftig und könnten das Trinkwasser verunreinigen
- Zusammen mit dem Erdgas wird zwangsläufig Lagerstättenwasser gefördert. Damit können Schadstoffe und radioaktive Substanzen nach oben gelangen
- Zwar lässt sich durch die horizontale Bohrtechnik heute schon die Anzahl der Bohrlöcher mindern, nach Expertenmeinungen werden aber wohl noch immer mehr Plätze als bei der konventionellen Gasförderung gebraucht. Eine Belästigung für die Anwohner.
Deshalb fordern die Kritiker ein generelles Fracking-Verbot für Deutschland. Der Protest kommt aus allen Schichten und Parteien.
Wie sauber und sicher fracken?
Manche Experten allerdings bezweifeln, dass die verdorbenen Brunnen in den USA tatsächlich vom Fracking herrühren. Sie glauben, dass das Methan durch unsachgemäße Bohrungen ins Trinkwasser geraten oder durch natürliche Faulprozesse im Erdboden entstanden ist. Hinzu kommt: Die Bedingungen in den USA seien nicht mit denen in Deutschland vergleichbar. Dort herrschten deutlich geringere Umwelt- und Sicherheitsstandards, und die US-Behörden seien mit den Kontrollen überfordert.
Trotz dieser Argumente haben mittlerweile nicht nur Anwohner und Wasserwerke Vorbehalte, sondern auch Politiker und Behörden. Diverse Gutachten, etwa des Bundesumweltamts, halten das Fracking nur unter strengen Auflagen für verantwortbar. So müssten die giftigen Anteile der Chemikalien durch harmlose Substanzen ersetzt werden. Bereits getestet wird ein Verfahren, bei dem man das in den Boden gepresste Wasser mit UV-Strahlung sterilisiert, statt wie heute mit giftigen Bioziden. Beides verhindert unerwünschtes Bakterienwachstum im Untergrund.
Die Industrie gibt sich aufgeschlossen: ExxonMobil hat angekündigt, künftig keine als giftig klassifizierten Stoffe mehr einzusetzen. Lange hatte das Unternehmen die genaue Zusammensetzung ihrer Chemikalien-Cocktails geheim gehalten. Mittlerweile sind die Daten auf der Internetseite veröffentlicht.
Außerdem fordern die Gutachten vor jedem geplanten Fracking-Prozess ein geologisches Urteil. Dieses soll die jeweiligen Gesteins-Gegebenheiten genauestens untersuchen - etwa die Dicke der Deckschicht und den Abstand zum Grundwasser. Für allzu riskante geologische Gebiete soll das Fracking dann untersagt werden.
Kritische Frage der Abwasserentsorgung
Ein weiteres Problem ist die Entsorgung jenes Abwassers, das bei der Gasförderung aus dem Untergrund mit nach oben gepumpt wird. Dieses Abwasser enthält nicht nur den Großteil der Fracking-Flüssigkeit, sondern auch Lagerstättenwasser, Schwermetalle, Kohlenwasserstoffe - und es kann radioaktive Substanzen beinhalten. Die kommunalen Kläranlagen scheinen nicht in der Lage, diese Abwässer zu reinigen.
Deshalb hegt die Industrie einen anderen Plan: Das Gemisch soll in alte, ausgebeutete Lagerstätten gepresst werden. Für die Kritiker ist das keine Lösung. Sie befürchten, dass sich die Abwässer im Untergrund einen Weg durchs Gestein bahnen und irgendwann die Trinkwasserreservoirs verschmutzen. Stattdessen könnte man die Abwässer zwar mit speziellen Verdampfungs- und Filteranlagen entgiften. Diese Prozedur ist jedoch sehr teuer.
Angesichts der Vorbehalte soll Fracking nicht in Regionen eingesetzt werden, in denen Trinkwasser gewonnen wird. Zudem soll für jede Fracking-Bohrstelle eine detaillierte Umweltverträglichkeitsprüfung verpflichtend sein. Welchen genauen Kriterien eine solche Prüfung folgt, ist allerdings noch nicht im Detail geklärt.
Fracking in Deutschland überhaupt rentabel?
Bleibt die Frage, ob sich das Fracking in Deutschland überhaupt lohnt. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover schätzt die heimischen Vorkommen der förderbaren Schiefergas-Ressourcen immerhin auf etwa 1,3 Billionen Kubikmeter - mehr als das Vierfache der konventionellen deutschen Erdgasreserven. Im Prinzip wäre das genug, um Deutschland mehr als zehn Jahre komplett mit Erdgas zu versorgen.
Kritiker jedoch glauben, dass sich längst nicht alles davon wirtschaftlich fördern lässt. Denn sollten die Konzerne tatsächlich in Deutschland fracken dürfen, dann nur unter verschärften Umweltschutz-Auflagen. Das aber würde die Bohrungen teuer und zeitaufwändig machen - und damit womöglich zum großen Teil unrentabel.