Nahles warnt SPD vor Illusionen
18. Januar 2018"Die Verhandlungen sind an bestimmten Punkten ausgereizt", sagte Andrea Nahles den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir haben die großen Themen durchgesprochen", erklärte sie im Hinblick auf die Sondierungsgespräche mit CDU und CSU. "Wir haben beispielsweise tagelang über die Bürgerversicherung oder die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen verhandelt." Dabei sei klar geworden: "Die Union will das unter keinen Umständen." Nahles kündigte jedoch an: "Wir werden auch noch einmal einen Anlauf für die Bürgerversicherung machen, das verspreche ich." Sie streue aber niemandem Sand in die Augen hinsichtlich der Erfolgsaussichten.
Parteichef Schulz weiter auf Werbetour für GroKo
Eine Neuauflage der ungeliebten großen Koalition mit CDU und CSU ist bei vielen Sozialdemokraten höchst umstritten. Kritiker beurteilen die Sondierungsergebnisse als unzureichend und wünschen sich "Nachbesserungen", etwa bei der Steuerpolitik oder beim Gesundheitssystem. Viele haben aber auch prinzipielle Bedenken gegen eine erneute GroKo.
Mehr als 600 SPD-Delegierte stimmen am Sonntag in Bonn bei einem Sonderparteitag über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ab. Das letzte Wort würden dann nach Abschluss der Verhandlungen die SPD-Mitglieder haben. Nahles sagte der Funke Mediengruppe, sie schätze, dass ein Drittel der Delegierten noch unentschlossen sei.
Die SPD-Spitze wirbt intensiv für Koalitionsgespräche mit der Union. Allen voran der SPD-Vorsitzende Martin Schulz, der zu diesem Zweck weiter durch die Landesverbände tingelt. Er sieht noch Spielraum für Verhandlungserfolge seiner Partei in möglichen Koalitionsverhandlungen. "Man darf nicht den Eindruck erwecken, als wären wir schon am Ende des Weges", sagte Schulz am Mittwochabend in Mainz. Damit reagierte er auf Kanzlerin Angela Merkel, die größere Nachverhandlungen der Sondierungsergebnisse mit der SPD ausgeschlossen hatte.
Alte Garde macht sich für GroKo stark
Unterstützung für eine Neuauflage der GroKo kommt von ehemaligen Parteigrößen. "Es spricht mehr dafür, in Koalitionsverhandlungen einzutreten als Nein zu sagen", sagte der frühere SPD-Vorsitzende Kurt Beck der "Saarbrücker Zeitung". Beck betonte, dass es im Sondierungspapier "eine ganze Reihe von Punkten" gebe, die aus SPD-Sicht positiv seien. Unter dem Strich spreche mehr für weitere Verhandlungen, als jetzt Schluss zu machen.
Ähnlich äußerte sich Erhard Eppler, über Jahrzehnte Vertreter des linken Flügels der SPD. "Wenn ich, immerhin seit 62 Jahren Mitglied der Partei, gefragt werde, ist die Antwort: Ich bin für das Ja", schreibt der 91-Jährige in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung". Es stimme nicht, dass die große Koalition der SPD nur den Niedergang bringen könne - das habe das erste Bündnis unter Kurt Georg Kiesinger (CDU) und Willy Brandt gezeigt, das direkt in eine sozialliberale Koalition mit einem Bundeskanzler Brandt geführt habe.
qu/cw (dpa, afp)