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PolitikFrankreich

Frankreich-Wahl: Aufatmen in Teilen Europas

8. Juli 2024

Einige Regierungen sind erleichtert, dass die Rechten nicht gewonnen haben. Aber wie geht es nun weiter in Frankreich und der EU? Bernd Riegert berichtet aus Paris.

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Eine Gruppe junger Menschen mit einer französischen, einer palästinensischen Flagge und Plakaten Kundgebung linker Parteien stehen auf dem Sockel des Monuments auf der Place de la République
Anhänger des Linksbündnisses feierten den Wahlsieg bis spät in die Nacht in ParisBild: Lionel Urman/ABACAPRESS/IMAGO

Nach dem überraschenden Ausgang der Parlamentswahl in Frankreich sehen sich alle drei politischen Lager mehr oder weniger als Sieger. Der rechtsextreme "Rassemblement National" (RN), der wider Erwarten nur drittstärkste Kraft wurde, legte dennoch bei den Sitzen im Parlament erheblich zu. Der Durchmarsch zur Macht sei nur durch die "unnatürliche" Koaliton der "Unehrlichen" gestoppt worden, beklagte RN-Chef Jordan Bardella. Er meinte damit das taktische Aufstellen von nur einem Gegenkandidaten der linken und zentristischen Parteien in vielen Wahlkreisen in der zweiten Runde der Abstimmung. Die führende RN-Politikerin Marine Le Pen sagte, die Mehrheit für ihre Partei sei nur "verschoben" auf die nächste Wahl. Sie will 2027 auf jeden Fall zum vierten Mal als Präsidentschaftskandidatin antreten.

Nahaufnahme von Marine Le Pen, die ein Mikrofon in der Hand hält
Enttäuschte RN-Politikerin Marine Le Pen: Sie will 2027 Präsidentin werdenBild: Louise Delmotte/AP/picture alliance

Linksbündnis beansprucht Regierungsbildung

Das Linksbündnis "Neue Volksfront" (NFP) hat ebenfalls einen starken Zuwachs an Sitzen zu verzeichnen und wird die stärkste Gruppe in der Nationalversammlung, dem französischen Parlament. Die lose Vereinigung aus Linken, Linksextremen, Kommunisten, Sozialdemokraten, linken Splitterparteien und Grünen war erst vor wenigen Wochen gegründet worden, um einen Sieg des rechtsextremen RN zu verhindern. "Es gibt innerhalb der NFP erhebliche Differenzen", meint Camille Lons von der Denkfabrik "European Council on Foreign Policy" in Paris. Es gebe auch keine Übereinstimmung, wer von der linken Seite als Premierminister vorgeschlagen werden soll. Jean-Luc Mélenchon, der am Sonntag die Regierungsbildung für die Linke beanspruchte, gilt vielen im Linksbündnis als zu radikal. Allerdings ist Mélenchons Partei  "Unbeugsames Frankreich" die größte innerhalb des Bündnisses.

Jean-Luc Mélenchon redet am Rednerpult der Partei La France Insoumise (LFI) und gestikuliert mit erhobenen Armen und ausgestreckten Zeigefingern
Jean-Luc Mélenchon am Rednerpult: Der extrem Linke will Regierungschef werdenBild: Thomas Padilla/AP Photo/picture alliance

Macron verliert nicht alles

Das liberal-zentristische Parteienbündnis "Ensemble", das Präsident Emmanuel Macron unterstützt, kann voraussichtlich alleine keine Regierung mehr bilden. Allerdings schnitt das Bündnis als zweitbeste Gruppe bei den Wahlen ab, was so niemand mehr erwartet hatte. Man habe zwar Sitze verloren, aber die Rechten abgewehrt, heißt es aus dem Macron-Lager. Das riskante Manöver des Präsidenten nach der verlorenen Europawahl, Neuwahlen in Frankreich anzusetzen, habe den Fokus von den Rechten jetzt auf die Linken gelenkt, meint Frankreich-Expertin Camille Lons. "Trotzdem hat der psychologische Wandel hin zu den Rechten stark eingesetzt. Der Wahlkampf und die Kampagnen in den Medien haben dazu geführt, dass man jetzt Dinge sagen kann, die man früher nicht sagen konnte." Rassistische, xenophobe und homophobe Standpunkte würden viel offener zur Schau getragen als vor den Wahlen. Es sei ganz normal geworden, auch für extreme Parteien zu stimmen.

In Frankreich wird jetzt eine schwierige Regierungsbildung erwartet. Präsident Macron könnte den Versuch machen, eine Art Koalition aus Liberalen und gemäßigten Linken zu formen. Die Sozialdemokraten im Linksbündnis scheinen nicht abgeneigt zu sein. "Wir wissen jetzt wogegen die Menschen gestimmt haben, aber wir wissen nicht, wofür sie eigentlich sind", analysiert Frankreich-Expertin Camille Lons vom European Council on Foreign Affairs in Paris.

Erleichterung in einigen EU-Hauptstädten

"In Europa hat es in vielen Hauptstädten einen Seufzer der Erleichterung nach dem Wahlausgang gegeben", meint Celia Belin, Leiterin des Thinktank ECFR in Paris. Präsident Emmanuel Macron, ein überzeugter Pro-Europäer, sei doch nicht so geschwächt worden, wie befürchtet wurde. Er sei bis zum Ende seiner Amtszeit 2027 doch keine wirklich "lahme Ente", sondern könne auf internationaler Ebene weiter überzeugend auftreten. Allerdings decken sich die außenpolitische Programmatik des NFP und der Präsidentenpartei Ensemble in einigen Bereichen nicht.

Polens Premier Donald Tusk, Bundeskanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuelle Macron stehen nebeneinander und blicken nach links
Polens Premier Donald Tusk (li.) freut sich über den Wahlausgang: Die Zusammenarbeit mit Frankreich könne weitergehen (Archiv)Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Der konservative polnische Ministerpräsident Donald Tusk reagierte am Sonntag als einer der Ersten. Er schrieb auf X, "in Paris Enthusiasmus, in Moskau Enttäuschung, in Kiew Erleichterung. Das ist genug für Freude in Warschau." Tusk, der im vergangenen Jahr die rechtsnationale Regierung abgelöst hatte, rechnet damit, dass Frankreich fest an der Seite der Ukraine im Abwehrkampf gegen den russischen Aggressor stehen wird. Die Sozialdemokraten in Deutschland und Spanien freuten sich ebenfalls über das schwache Abschneiden des rechtsextremen RN. Der sozialistische Regierungschef Spaniens, Pedro Sanchez, fasste die guten Ergebnisse für Linke in Frankreich und die Labour-Party in Großbritannien vergangenen Donnerstag so zusammen: "In dieser Woche haben zwei der größten Staaten in Europa den gleichen Weg eingeschlagen wie Spanien vor einem Jahr. Die Abwehr der extremen Rechten und ein klares Bekenntnis zu einer sozialen Linken, die die Probleme der Menschen anpackt."

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez und der französische Präsident Emmanuel Macron reden lächelnd miteinander
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez (li.) sieht die rechte Gefahr für Präsident Macron abgewehrt. (Archiv)Bild: Bertrand Guay/AP/picture alliance

"Noch keine Entwarnung"

Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth im deutschen Bundestag sieht das Wahlergebnis in Frankreich nicht ganz so positiv. Der Durchmarsch der Rechtsextremen sei gestoppt worden. Das sei ein Verdienst der französischen Wählerinnen und Wähler. "Aber es ist noch viel zu früh, um Entwarnung zu geben, denn die nationalistischen Populisten von rechts und links sind so stark wie nie", sagte der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt in einem Zeitungsinterview mit Funke-Medien. Präsident Macron sei mit seinem Projekt, die politische Mitte zu stärken, "krachend gescheitert". Die Ministerpräsidentin des Saarlandes, Anke Rehlinger (SPD), erwartet, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit unter dem Wahlergebnis nicht leidet. Sie hoffe, "dass Deutschland und Frankreich weiterhin eine starke und stabile Achse in Europa sein können", sagte Anke Rehlinger im Deutschlandfunk. Das Bundesland Saarland grenzt an Frankreich und hat intensive Beziehungen zur Nachbarregion Lothringen.

Ob sich das internationale Standing des französischen Präsidenten durch den Wahlausgang verändert hat, wird der NATO-Gipfel in Washington zeigen, an dem Emmanuel Macron morgen teilnehmen will.

 

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union