Frankreich: Ziel deutscher Bauarbeiter
14. Dezember 2004Lebenslanges Lernen, Mobilität und interkulturelle Kompetenz predigen Jobvermittler in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit. Ihre Strategien zielen dabei auf hochqualifizierte Global Player. Hans-Christian Wolf hat weder einen Hochschulabschluss noch ist er an Dienstreisen gewöhnt. Aber der Bauarbeiter hat die "Prinzipien des Erfolgs" beim Wort genommen: Mit Ende Vierzig packte der Duisburger seine Koffer und zog dahin, wo es Arbeit für ihn gab - in die südfranzösische Stadt Fos-sur-mer.
Der Auszug der EinschalerWolf ist Einschaler von Beruf. Sein ganzes Leben hat er im Ruhrgebiet Betonfundamente für Häuser angefertigt. Im Ausland zu arbeiten war nie sein Traum. Aber die realen Umstände haben ihn zu diesem Schritt gezwungen. "Wichtig ist nur, dass man Arbeit hat," sagt Hans-Christian Wolf pragmatisch.
Er war seit einem halben Jahr arbeitslos, als er auf eine Stellenausschreibung der deutsch-französischen Arbeitsvermittlungsagentur ECC France aufmerksam wurde. Er bewarb sich, machte in Duisburg einen Französischkurs und hatte bei einem französischen Arbeitgeber Erfolg.
ECC France hat sich auf die Vermittlung deutscher Fachkräfte aus dem Baugewerbe spezialisiert. "In Frankreich fehlen in diesem Bereich circa 300.000 Fachkräfte", erklärt Christine Zahn, die Leiterin der Agentur. Sie bezieht sich hierbei auf eine statistische Untersuchung des französischen Soziologen Henry Vaquin. Besonders Maurer und Zimmermänner sind sehr gut vermittelbar. Auch an Gerüstbauern, Einschälern und Gas-Wasser-Installateuren mangelt es in Frankreich.
Exportgut: Deutsche HandarbeitIn Frankreich häuften sich in den vergangenen Jahren die Skandale in Sachen Pfusch am Bau. Das prominenteste Beispiel hierfür ist der Dacheinsturz eines Terminals im Pariser Flughafen Charles de Gaulle. In Frankreich versuchen daher die Politiker Jugendliche für Bauberufe zu gewinnen, um den Bedarf an Fachkräften zu sichern. "Aber die wollen lieber in schicken Büros arbeiten und sich nicht die Hände schmutzig machen," sagt Christine Zahn.
"Das ist eine Chance für die vielen deutschen arbeitslosen Handwerker. Gerade in Ostdeutschland gibt es viele erfahrene Fachkräfte ohne Beschäftigung", betont die in Lyon lebende Deutsche. Bei der Vermittlung Ostdeutscher hat ECC France besonders gute Erfahrung gemacht. Mangels Alternativen seien sie besonders flexibel, mobil und stellten keinen überzogenen Gehaltsforderungen.
Sprachbarriere nicht zu hochMehr als 2500 Handwerker aus der Baubranche hat die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) im Jahr 2004 in das westeuropäische Ausland vermittelt. Miguel Peromingo geht in dieser speziellen Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit Stellenausschreibungen in ausländischen Zeitungen durch und stellt dann den Kontakt zu Arbeitssuchenden her.
Nach Österreich und in die Niederlande sei die Vermittlung besonders einfach, weil die Sprache kein Problem darstelle, erklärt der Sohn spanischer Einwanderer. Die Bereitschaft, Sprachen zu lernen, sei aber trotzdem vorhanden. Miguel Peromingo beschreibt seine Erfahrung bei der Vermittlung deutscher Bauarbeiter im Großen und Ganzen als sehr positiv. Denn im Ausland bekämen viele Arbeitslose eine Chance, die hierzulande schlichtweg als zu alt gälten: "Im Ausland zählt Qualifikation und Erfahrung immer noch mehr als in Deutschland. Hier ist das Alter eines Arbeitssuchenden leider viel zu oft ein k.o.-Kriterium."
Grenzüberschreitender ArbeitsmarktIm europäischen Binnenmarkt gilt das Prinzip der Freizügigkeit. Europäische Bürger dürfen in jedem Mitgliedsland leben und arbeiten. Bei dem großen Mangel an Arbeitskräften im benachbartem Ausland könnten mehr als nur rund 4000 Arbeitslose - wie im Jahr 2004 durch die ZAV erreicht - eine Beschäftigung finden.
"Auch ECC France könnte noch viel mehr Jobs vermitteln, wenn wir vom deutschen Staat unterstützt würden", klagt die Leiterin Christine Zahn. Innerhalb Deutschlands bekommen private Arbeitsvermittlungen eine Erfolgsprämie von 2000 Euro. Für Vermittlungen ins Ausland gibt es kein Geld.