Freiheit für den Zucker
29. September 2017Ende September läuft die Zuckermarktordnung in der EU aus, die fast fünfzig Jahre lang Produktionsquoten und Mindestpreise für Zuckerrüben bestimmt hat. Die europäischen Zuckerhersteller müssen sich dann dem weltweiten Wettbewerb stellen. Druck machen dabei vor allem die Produzenten von Zuckerrohr, das in Ländern wie Brasilien günstiger angebaut und verarbeitet werden kann als die in unseren Breiten üblichen Zuckerrüben. Dadurch dürften die Preise für Zucker in Europa zunächst sinken.
"Wir waren nie ein Befürworter dieser politischen Entscheidung, mit dem Ende der EU-Zuckermarktordnung das Marktgleichgewicht in Europa aufzugeben", sagt denn auch Dominik Risser, Sprecher der Südzucker AG, im Gespräch mit der DW. Ein nach seiner Einschätzung funktionierendes, gut ausbalanciertes Gefüge, das die Interessen der Anbauer, der Fabriken aber auch der Verbraucher geschützt hätte - dieses System werde jetzt über Bord geworfen. "Wir sind damit in Europa der am wenigsten regulierte Zuckermarkt weltweit", so Risser. Er sieht in allen anderen Zucker produzierenden Ländern weiterhin Subventionen oder Regulierungen. "Das haben wir in Europa dann nicht mehr. Es ist ein dramatischer Schritt für uns."
Schutz der heimischen Produktion
Die erste Europäische Zuckermarktordnung trat bereits 1968 in Kraft, als Regelwerk aus Quoten, Zöllen und Subventionen zum Schutz der heimischen Produktion von Zucker, sprich: dem Anbau von Zuckerrüben. Dadurch entwickelte sich die Europäische Union, die bis dahin ein Nettoimporteur gewesen war - also mehr Zucker ein- als ausführte - zu einem Exporteur von Zucker.
2005 setzte dann die Welthandelsorganisation (WTO) nach Klagen von Brasilien, Thailand und Australien eine Begrenzung dieser Exporte durch. Gleichzeitig wurden den ärmsten Exportländern von Zucker die Zölle gestrichen, um die Entwicklung dieser Länder zu unterstützen.
Als Folge lockerte die EU bereits ab 2006 die Produktionsquoten, die komplette Streichung war also abzusehen, sodass die heimische Zuckerbranche sich vorbereiten konnte. Alleine zwischen 2005 und 2011 wurden in Europa mehr als 80 Zuckerfabriken geschlossen, die Zahl der Beschäftigten sank von 50.000 auf etwas über 20.000.
Auch die Exportbeschränkungen fallen
Doch mit dem Ende der EU-Zuckermarktordnung fallen ab Oktober auch die Exportbeschränkungen. Neue Chancen entstehen. Alleine die Südzucker AG will ihre Exporte auf 800.000 Tonnen pro Jahr steigern. "Wir sind auch auf dem Weltmarkt der größte Zuckerproduzent - man glaubt es kaum", sagt Sprecher Dominik Risser, "und das mit einer Produktion von insgesamt vier bis fünf Millionen Tonnen pro Jahr".
Da der Zucker-Weltmarkt aber ein Gesamtvolumen von rund 180 Millionen Tonnen hat, zeigen diese Zahlen, dass der Markt - von der Produzentenseite her gesehen - sehr kleinteilig aufgebaut ist. Außerdem ist er sehr volatil, es gibt größere Schwankungen.
Weltmarkt wächst jährlich um rund zwei Prozent
Auf der anderen Seite wächst die Nachfrage auf dem Weltmarkt jedes Jahr zwischen 1,5 und zwei Prozent. "Das heißt das also, die Produzenten müssen jedes Jahr die zusätzliche Menge einer Südzucker-Gruppe dem Markt zur Verfügung stellen", so Risser.
Experten glauben nicht, dass durch steigende europäische Exporte der Weltmarktpreis des Zuckers nachhaltig beeinflusst wird - dafür sind die Mengen einfach zu klein. Missernten bei den Zuckerrohr-Anbauern in Brasilien oder Australien beispielsweise könnten den Markt viel stärker beeinflussen. Sogar dem Ölpreis kommt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu: Je höher er steigt, desto eher stellt der weltgrößte Exporteur Brasilien seine Produktion um und produziert dann Bio-Ethanol zur Spritherstellung aus seinem Zuckerohr. Was wiederrum zur Folge hat, dass Zucker knapp wird und die Preise steigen.
Viel zu hoher Zuckerkonsum
Vielleicht würde das so manchen Verbraucher sogar dazu bringen, die Lust auf Süßes zumindest etwas zu zügeln. Der Gesundheit wäre das nur zuträglich: Nach Recherchen der "Wirtschaftswoche" hat sich der Zuckerkonsum weltweit innerhalb von 50 Jahren verdreifacht. Auch der europäische Konsument nimmt immer mehr Zucker zu sich - mit 38 Kilogramm pro Kopf und Jahr etwa doppelt so viel, wie etwa die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt.