Freiwillige für die Zukunft
30. Juni 2020"Schüler Helfen Leben hat mir die Möglichkeit gegeben, politisch aktiv zu werden", sagt Nina Atanasovska aus Nordmazedonien. Die 19-Jährige macht zur Zeit ein Freiwilliges Soziales Jahr in Neumünster bei der Hilfsorganisation, die kurz "SHL" genannt wird. Zusammen mit anderen Jugendlichen aus ganz Europa implementiert Atanasovska SHL-Projekte mit den Themenschwerpunkten Antidiskriminierung, Jugendengagement und Unterstützung von Geflüchteten.
Durch die Arbeit dort hat die junge Nordmazedonierin nicht nur fließend Deutsch gelernt, sondern auch, Vorträge und Workshops mit anderen Schülern zu leiten. "Aber die beste Erfahrung für mich war der Tag der offenen Tür im Bundeskanzleramt. Dort haben wir auch Frau Merkel gesehen", so die SHL-Freiwillige im DW-Gespräch.
Auch die 20-jährige Lisa Elischer aus Sankt Peter-Ording engagiert sich freiwillig bei SHL. "Klar kenne ich Nina! Wir machen einen Podcast auf Deutsch. Thema ist das Engagement von Jugendlichen. Der Podcast heißt: Mach doch!‘", berichtet sie begeistert über ihre Zusammenarbeit mit Nina Atanasovska.
Lisa Elischer ist seit Jahren aktiv bei der Hilfsorganisation, die 1992 auf dem Höhepunkt des Krieges im ehemaligen Jugoslawien gegründet wurde. Damals sammelten Studenten in Deutschland Hilfsgüter, die die mit einem privaten Auto in Flüchtlingslager an der kroatischen Küste transportierten. Heute, 25 Jahre nach Kriegsende, sind SHL-Freiwillige nach wie vor in Ex-Jugoslawien aktiv. Lisa Elischer etwa hat zuerst in Bosnien-Herzegowina geholfen - und dann ganze acht Monate in Serbien bei der SHL-Partnerorganisation "Atina" Migranten und Jugendliche unterstützt, die Menschenhandel und vergleichbare Formen der Ausbeutung erlebt haben.
Was unterscheidet den Balkan von Deutschland?
Lisa Elischer hat heute viele Freunde auf dem Westbalkan. Sobald die Corona-Krise es zulässt, will sie wieder dorthin zurück, um dabei "live" zu sein und direkt helfen zu können. "Südosteuropa ist mir ans Herz gewachsen", erklärt sie.
Was den Balkan von Deutschland unterscheidet? Atanasovska und Elischer sind sich einig: die fehlende Perspektive für Jugendliche in Albanien, Bosnien, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien. Um dem entgegen zu wirken, fördert SHL in den sogenannten Westbalkan-Staaten "Jugendorganisationen, die demokratisch organisiert sind und die Stimme der Jugend gegenüber Politik und Gesellschaft vertreten", so Ansgar Seng, der Geschäftsführer der Hilfsorganisation.
"Um das Zusammenwachsen Europas zu unterstützen, möchten wir in den nächsten Jahren den internationalen Austausch von Jugendlichen aus Südosteuropa mit Deutschland und anderen EU-Ländern weiter intensivieren", fügt er hinzu.
Austausch interessiert am meisten
Dieser Austausch interessiert auch die freiwilligen Helferinnen und Helfer von SHL am meisten. "Junge Leute auf dem Balkan haben wenig Möglichkeit sich zu engagieren, aber durch die SHL-Projekte habe ich die Möglichkeit dazu bekommen. Und das nicht nur in Nordmazedonien, sondern auch in Bosnien und jetzt hier in Deutschland", erklärt Nina.
Das bestätigt auch Elischer. Sie vergleicht ihre Erfahrungen auf dem Balkan mit denen in ihrer deutschen Heimat: "Ich komme aus einem Land, in dem sich kein Mensch groß Gedanken darüber machen muss, was nach der Schule passiert. Die Menschen in Serbien haben nicht so wunderbare Perspektiven - aber sie machen aus dem Wenigen, was sie haben, eine Menge."
Mehr als 30 Millionen Euro gespendet
Das tut auch SHL, etwa mit dem Projekt "Der soziale Tag": Mehr als 60.000 Schülerinnen und Schüler arbeiten in Deutschland einen Tag im Jahr freiwillig für die Hilfsorganisation. Ihr Lohn wird für Jugendliche in Südosteuropa, Jordanien und Deutschland gespendet. Dabei kommt über eine Millionen Euro zusammen.
Mehr als 30 Millionen Euro hat SHL seit 1998 auf diese Weise gesammelt. Mit dem Geld wurden hunderte Projekte weltweit gefördert. Ein Teil davon landet bei SHL- Partnerorganisationen wie "Atina" in der serbischen Hauptstadt Belgrad oder "Arsis" im albanischen Tirana. Die meisten Projekte, die so finanziert werden, richten sich an Jugendliche, Migranten oder junge Menschen aus diskriminierten Minderheiten wie den Roma.
"Unsere Ziel ist, dass die diskriminierten Jugendlichen mit unserer Unterstützung selbst Lösungen für sich finden", erklärt Jelena Hrnjak von "Atina". "Sie sollen ins Bildungssystem zurückkehren, sich weiterbilden - und so in der gesellschaftlichen Normalität ankommen."
"Wir versuchen nicht nur die Kinder zu ermutigen unsere Hilfen zu nutzen, sondern sprechen auch deren Familien an und helfen mit Information, etwa bei rechtlichen Fragen", fügt Ana Majko, die Direktorin von "Arsis" hinzu.
#GemeinsamSolidarisch
Wegen Corona wurde der diesjährige "Soziale Tag" von SHL von Juni auf den 1. Oktober verschoben. Andere Aktivitäten der Hilfsorganisation aber fanden trotz Pandemie statt: "SHL hat uns ganz konkret geholfen", so Ana Majko. Per Hilfspaket kamen Essen und Hygieneprodukte nach Tirana. Auch bei der Organisation von Onlinekursen wurde der albanische Partner von SHL unterstützt.
Jugendliche Freiwillige nutzten auch den neuen weltweiten Trend zu Online-Konzerten, um Spenden für SHL-Projekte zu sammeln. Nina Atanasovska aus Nordmazedonien etwa hat unter dem Hashtag "#GemeinsamSolidarisch" ein Konzert mit moderiert, das auf YouTube und anderen Inernet-Plattformen ausgestrahlt wurde.
"Junge Leute sind nicht passiv", betont Jelena Hrnjak vom serbischen SHL-Partner "Atina", "sie übernehmen Verantwortung für ihr Leben, auch wenn sie momentan unter unwürdigen Bedingungen leben. Sie sehen sich selbst als Treiber dieser Veränderung."