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Fremde Tiere und Pflanzen bedrohen heimische Arten: Und nun?

Stuart Braun
4. September 2023

Invasive Tier- und Pflanzenarten verringern die biologische Vielfalt, zerstören die Ökosysteme und kosten viele Milliarden Euro. Davor warnt der Weltbiodiversitätsrat IPBES in seinem neuen Bericht. Gibt es Lösungen?

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Feuerameisen auf einem Holzstück
Verheerende Schäden weltweit durch invasive Feuerameisen Bild: Digitalpress/Shotshop/picture alliance

Als Feuerameisen erstmals durch Schiffe von Argentinien in andere Teile der Welt gelangten, konnte sich wohl kaum jemand vorstellen, welche immensen Schäden die kleinen Tiere anrichten würden.

Von China und Japan bis nach Australien und den USA verdrängten und töteten die rotbraunen Insekten viele einheimische Tiere, darunter auch andere Insekten, die einheimische Pflanzen bestäubten. Das führte zu langfristigen Veränderungen der Vegetation und hatte zum Teil schwere Auswirkungen auf Nutzpflanzen und Ökosysteme.

Feuerameisen bevorzugen ein warmes Klima und dringen durch den Klimawandel nun auch in ehemals kältere Regionen vor. Der Versuch, ihre Ausbreitung dort zu verhindern, kam vielerorts zu spät und misslang.

Die Feuerameise ist inzwischen ein Symbol für die sich abzeichnende Krise, deren Gefahren und Probleme der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) in den Mittelpunkt seines gerade  veröffentlichten Berichts stellt.

Vier Jahre lang trugen 86 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 49 Ländern ihre Erkenntnisse zusammen. Die daraus entstandene Bestandsaufnahme soll das öffentliche Bewusstsein schärfen und Entscheidungsträgern Werkzeuge an die Hand geben, um die Auswirkungen invasiver Arten abzuschwächen.

"Gebietsfremde Arten stellen eine große Bedrohung für die Biodiversität dar und können irreversible Schäden in der Natur verursachen. Dazu gehören das lokale wie globale Artensterben und auch die Gefährdung des menschlichen Wohlergehens", sagt Helen Roy, eine der Hauptverantwortlichen des IPBES-Berichts und Wissenschaftlerin am britischen Centre for Ecology & Hydrology.

Bei 60 Prozent des weltweiten Tier- und Pflanzensterbens seien derartige "biologischen Invasionen" der Hauptfaktor gewesen, ergänzt Anibal Pauchard, ebenfalls Hauptverantwortlicher des Berichts und Professor an der Fakultät für Forstwissenschaften der Universität Concepción in Chile.

"Die Risiken und Herausforderungen haben zwar globale Wurzeln, aber sehr lokale Auswirkungen. Menschen in jedem Land und aus jeder Gesellschaftsschicht sind damit konfrontiert. Sogar die Antarktis ist betroffen."

Globalisierung fördert die Ausbreitung fremder Arten

Ökosysteme haben sich seit langem an natürliche Wanderungen von Pflanzen- und Tierarten angepasst. Doch die Ausbreitung gebietsfremder Arten habe sich im letzten Jahrhundert rapide beschleunigt, sagt Emili Garcia-Berthou, Professor für Ökologie an der Universität Girona in Spanien und Experte für die Auswirkungen von gebietsfremden Arten auf Süßwassersysteme. 

Hauptgrund dafür sei das fast grenzenlose, globalisierte Handels- und Transportnetzwerk, erklärt er. "Wir transportieren täglich Lebensmittel und Waren aus allen Teilen der Welt." Darüber hinaus reisten und bewegten sich die Menschen viel stärker als in früheren Zeiten und importieren dabei ebenfalls gebietsfremde Arten.

Dadurch wurden einst isolierte regionale Ökosysteme zunehmend anfällig für fremde Arten, die die lokale Flora und Fauna verdrängten - mit Auswirkungen auch auf die menschliche Gesundheit: So sind beispielsweise invasive Mückenarten für die derzeitigen Malariaausbrüche am Horn von Afrika verantwortlich.

Gelbfiebermücke auf der Haut
Todesgefahr Malariamücke: Die Ausbreitung einer invasiven Mückenart könnte den Anstieg von Malariafällen begünstigenBild: PongMoji/IMAGO

Wie invasive Arten Schäden anrichten

Nach der Zerstörung von natürlichen Lebensräumen durch Landwirtschaft und Urbanisierung sind invasive Arten die zweitgrößte Ursache für den Verlust der biologischen Vielfalt. Garcia-Berthou vergleicht die Dimension dieser Entwicklung mit den Auswirkungen des Klimawandels. 

Laut UNESCO haben nur rund 30 invasive Arten zum Aussterben von etwa 738 Tierarten weltweit beigetragen. Auf Inseln, die einen besonders großen Anteil der weltweiten Artenvielfalt beherbergen, lassen sich demnach sogar 86 Prozent des Artenrückgangs auf das Auftreten gebietsfremder Arten zurückführen. 

Im pazifischen Inselstaat Tonga beispielsweise reduzierten eingeschleppte Ratten die Populationen von Seevögeln erheblich, weil sie deren Eier und Küken fraßen. Seevögel verbreiten jedoch wichtige Nährstoffe an den Küsten und verbessern dadurch die Lebensbedingungen von Fischbeständen. Tongas Regierung und die betroffenen Gemeinden reagierten und rotteten die Ratten im größten intakten tropischen Laubwald des Landes mit Giftködern aus. 

Ebenfalls extreme Auswirkungen hatte laut Garcia-Berthou die Ausbreitung aus Nordamerika eingeschleppter Mückenfische auf Süßwassersysteme in Südeuropa. Der in Griechenland heimische Korfu-Zahnkärpfling leide beispielsweise unter dem Mückenfisch, da dieser die Eier und Larven einheimischer Fische fresse und somit die Zahnkärpflinge verdränge. 

Darüber hinaus beschleunige auch die Klimakrise die Ausbreitung der Mückenfische, da sich die Gewässer erwärmten, so der Forscher. Das europäische Verbreitungsgebiet der nordamerikanischen Fischart dehne sich mittlerweile vom Mittelmeer bis in nördliche Gewässer, einschließlich in Deutschland, aus.

Klimawandel beschleunigt die Verbreitung invasiver Arten 

Der aktuelle IPBES-Bericht beleuchtet auch den Zusammenhang zwischen Erderhitzung und Ausbreitung invasiver Arten. "Der IPBES hat sehr deutlich gemacht, dass alle seine Bewertungen mit denen des IPCC (Weltklimarat - Anm.d.Red.) verflochten sind, weil man das eine nicht wirklich ohne das andere machen kann", sagt Corey Bradshaw, Professor für globale Ökologie am ARC Kompetenzzentrum für Biodiversität und Kulturerbe in Südaustralien. 

Bradshaw war bei der Entwicklung einer Berechnungsmethode zur Schadensermittlung durch invasive Arten beteiligt - hauptsächlich durch die Einschätzung der Kosten für Prävention und Kontrolle. Laut einer von ihm mitverfassten Studie aus dem Jahr 2021 wurden zwischen 1970 und 2017 schätzungsweise 1,18 Billionen Euro ausgegeben, um die Ausbreitung invasiver Arten zu verhindern oder gebietsfremde Arten auszurotten.

Die jährlichen Durchschnittskosten überstiegen demnach 2017 das Bruttoinlandsprodukt von 50 Ländern auf dem afrikanischen Kontinent, während sich die Kosten für das Behandlung und die Abwehr gebietsfremder Arten pro Jahrzehnt verdreifacht hätten.

Gamba-Gras heizt Waldbrände in Australien an

Die USA geben weltweit am meisten Geld für die Prävention und Bekämpfung von invasiven Arten aus. An zweiter Stelle folgt laut Bradshaw der besonders anfällige Inselstaat Australien und danach China und Kanada.

Zuletzt gab die australische Regierung enorme Finanzmittel zur Ausrottung des Gamba-Grases (Andropogon gayanus) frei. Es war in den 1930er-Jahren als Viehfutter in Nordaustralien eingeführt worden - und heizt nun die Waldbrände an. "Gamba-Gras ist leicht entflammbar, wenn es austrocknet, und erhöht die Schwere und das Ausmaß von Bränden in weiten Teilen Australiens massiv", sagt Bradshaw. Das Unkraut verdränge zudem einheimische Pflanzenarten und beeinträchtige die biologische Vielfalt.

Der Forscher weist darauf hin, dass es sich bei invasiven Arten um ein globales Problem handelt. Doch während sich wohlhabende Länder die Bekämpfung leisten könnten, verfüge der globale Süden nicht über ausreichende Ressourcen, um das Problem zu bewältigen. Die Schaffung eines klaren Maßstabs zur Messung der Schäden könne Regierungen der wohlhabenden Industrienationen aber möglicherweise dazu motivieren, Lösungen zu finanzieren, so hofft er. 

Auch der Weltbiodiversitätsrat empfiehlt zur Eindämmung mehr Finanzmittel für ärmere Länder. Denn hier richteten gebietsfremde Arten nicht nur viele Schäden an - viele invasive Arten stammten auch aus ihnen. Dem IPBES-Bericht zufolge ist die Prävention die "kostengünstigste" Option. Die Verbreitung invasiver Arten müsse von Anfang an verhindert werden - und das müsse eine viel höhere Priorität bekommen, fordert Wissenschaftler Emili García-Berthou.

"Wir können viel tun, um die Ankunft und Ansiedlung neuer Arten in Ländern zu verhindern", so García-Berthou. Eine Möglichkeit dafür sei etwa eine bessere Überwachung grenzüberschreitender Reisen und Transporte. 

Redaktion: Tamsin Walker

Adaption aus dem Englischen: Gero Rueter / Jeannette Cwienk

Artenkiller Klimawandel

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.