Freundschaft kennt keine Grenzen
8. Januar 2013Es ist Montag früh, neun Uhr. Bürgermeisterin Krimhild Leutloff sitzt in ihrem Büro im Ronneburger Rathaus und läßt die vergangenen Tage in der französischen Partnerstadt Hauteville-Lompnès noch einmal vorüberziehen, als das Telefon klingelt. "Bonjour Bernard", ruft Leutloff freudig ins Telefon. Es ist ihr Bürgermeister-Kollege Bernard Maclet, der sich erkundigt, ob sie gut zuhause angekommen ist. "Die Menschen in Ronneburg fasziniert die Herzlichkeit in Hauteville", sagt Leutloff und es ist zu spüren, dass diese Städtepartnerschaft ihr sehr am Herzen liegt.
Aus einer Idee wird Freundschaft
Begonnen hat diese Verbindung, weil zwei Menschen an zwei Orten eine ähnliche Idee hatten. In Ronneburg, das etwa 90 Kilometer entfernt von der tschechischen Grenze liegt, war das Thomas Laich, Kirchenmusiker und Leiter der Ronneburger Turmbläser: "Das war die pure Neugier", erzählt er, "wir hatten ja zu DDR-Zeiten keine Möglichkeit ins Ausland zu fahren." Die Musik sah er als den idealen Brückenschlag zur Kontaktaufnahme. Geholfen hat dabei Regina Born, die seit Oktober 1991 als Krankenschwester in Hauteville, im französischen Departement Ain, nahe der Schweizer Grenze arbeitete. Sie hatte Ronneburg aus Frust verlassen: "Wie die Wende sich gestaltete, das machte mich unzufrieden", erinnert sie sich. Über die zentrale Arbeitsvermittlung in Frankfurt bekam sie eine Stelle in Hauteville und organisierte kurze Zeit später den ersten Aufenthalt der Turmbläser. "Was daraus wurde, konnte ich ja nicht absehen", sagt sie und freut sich, dass Bürgermeister Maclet sie und ihre Familie eingeladen hat, Hauteville mal wieder zu besuchen, auch wenn sie seit fast 20 Jahren keine Ronneburgerin mehr ist.
Fast zeitgleich wollte in Hauteville der Deutschlehrer Marc Jaubert mit seiner Schulklasse nach Deutschland fahren und suchte dort eine Schule, die an einem Austausch interessiert war. Seine von ihm getrennt lebende Frau Janine erinnert sich jedoch noch gut an die Anfänge: dank Regina Born sei der Kontakt zu den Musikern aus Ronneburg hergestellt worden und der Schüleraustausch kam trotz eines Altersunterschieds zwischen den Klassen zustande. Bis heute gebe es zwischen einigen Familien enge Kontakte.
Mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede
Ronneburg hat ungefähr 5000 Einwohner und muß mit den Problemen fertig werden, die der Strukturwandel für viele Kleinstädte mit sich bringt: steigende Arbeitslosigkeit, Verlust von Arbeitsplätzen und Abwanderung von jungen Leuten. Vor allem letzteres ist spürbar auf den Straßen von Ronneburg. Tagsüber sind nur wenig junge Leute auf den Straßen des Städtchens zu sehen. Das war früher anders. Ende des 18. Jahrhunderts wurde Ronneburg wegen seiner mineralischen Quellen zum gefragten Kurort. Die Quellen versiegten infolge des Bergbaus, der mit dem Abbau von Uranerz ab 1953 in der DDR-Zeit zu einer der wichtigsten Einnahmequellen der Region wurde. Nach der Wende kam das Ende des Uranabbaus. Heute empfängt die "Neue Landschaft", der Beitrag Ronneburgs zur Bundesgartenschau Gera 2007, Besucher aus Nah und Fern auf den ehemaligen Bergbauflächen. Der Bürgermeister von Hauteville, Maclet, der ebenfalls mit den Folgen des Strukturwandels konfrontiert ist, erinnert sich: "Als ich das erste Mal nach Ronneburg kam, vier Jahre nach dem Mauerfall, da waren die Straßen in schlechtem Zustand, die Gebäude der volkseigenen Betriebe waren geschlossen. Heute ist alles anders. Das ist ein enormer Erfolg."
Ähnlich ist auch die Altersstruktur der beiden Partnerschaftsvereine: die meisten Mitglieder sind Mitte 40 und älter. Höchste Zeit also, sich Gedanken zu machen, wer in die Fußstapfen der jetzt Aktiven treten soll.
Freundschaft über drei Generationen
Abends treffen sich die Mitglieder des Partnerschaftsvereins im Ronneburger Rathaus. Mit von der Partie sind auch Musiker der Dixie Mix Altstars, die bei den Treffen mit den Franzosen regelmäßig für gute Laune sorgen. Sie stimmen den französischen Schlager "Oh, Champs Elyssée" an, alle um den Tisch versammelten Fans von Hauteville singen mit, schunkeln und strahlen. Sie planen die nächste Reise in ihre Partnerstadt, die im Herbst 2013 stattfinden soll. Nebenbei werden Fotoalben herumgereicht, Erinnerungen an die letzten Treffen werden wach. Zum Beispiel die 700-Jahr-Feier Ronneburgs 2004. Damals hatten die Freunde aus Hauteville einen szenischen Auftritt mit Napoleon vorbereitet. Und im Sommer 2012 war die junge französische Band PVC in Ronneburg. Einer der Ansätze, jüngere Leute für die Städtepartnerschaft zu begeistern. Bandmitglied Valentin Leroy räumt ein, dass er Anfangs überhaupt keine Lust hatte, nach Deutschland zu fahren: "Ich hatte null Bock. Da waren bestimmte Bilder in meinem Kopf. Aber dann waren die Tage dort ein echter Glücksfall." Valentin Scion stimmt zu und sagt, Deutschland sei nicht das erste Land, an das er denke, wenn er verreisen will. Für Franzosen sei das Norden, da regne es immer. Und natürlich hat es geregnet, als die Band ankam. Aber, so sagt Scion: "Es war trotzdem sehr schön und die Leute sind extrem nett. Sie nehmen einen herzlicher auf als in Frankreich." Bandsängerin Chloë Tavel kann sich gut vorstellen, später einmal im Partnerschaftsverein mitzumachen, auch weil Ronneburg so dynamisch und die Deutschen so warmherzig seien.
Bürgermeisterin Leutloff ist sich bewußt, dass der Ronneburger Partnerschaftsverein junge Mitglieder rekrutieren muß. Sie sieht es als Erfolg, wenn immer wieder junge Leute bei den Reisen dabei sind, wie der Fußballverein, die Tanzgruppen oder Krankenschwestern. Denn die lange Reise von Ronneburg nach Hauteville sei trotz aller Begeisterung auch anstrengend. Zwischen den beiden Städten liegen 16 Stunden Busfahrt und gut 1000 Kilometer. Die nächste Stufe der Integration junger Leute sei, diese auch für die Vereinsarbeit zu gewinnen. Leutloff baut aber auch auf die 20 Jahre Freundschaft, auf die man zurückblicken kann und die mittlerweile drei Generationen einbezieht. "Wir kennen in den zwanzig Jahren Freud und Leid der Familien. Wir haben Hochzeiten und Scheidungen erlebt, und Geburten und leider auch den Tod eines Mitglieds." Der Kirchenmusiker Thomas Laich ist ebenfalls zuversichtlich, dass die Partnerschaft zwischen den beiden Kleinstädten Bestand haben wird: "Man sollte das nicht überorganisieren. Wir müssen es auch aushalten, wenn die Kontakte einmal nicht so intensiv sind. Wir haben so weitreichende, verzweigte Freundschaften. Da wird immer wieder etwas aufflackern."