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Gelebte Städtepartnerschaft

Sabine Hartert8. Januar 2013

Zunächst begegneten sie sich mit Skepsis. Aber dann entstand eine Partnerschaft zwischen dem französischen Hauteville und dem ostdeutschen Ronneburg, die die Menschen beider Städte seit 20 Jahren schätzen und pflegen.

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Hinweisschild auf die Partnerschaft mit Ronneburg am Ortseingang von Hauteville-Lompnès Foto: DW/Sabine Hartert
Ortseinfahrt HautevilleBild: DW

"Keine gestressten Hausfrauen" ist einer seiner bleibenden Eindrücke von seinem ersten Besuch in Hauteville-Lompnès und seiner ersten Frankreichreise. Der Kirchenmusiker Thomas Laich gerät ins Schwärmen, wenn er daran zurückdenkt. Er sitzt im Proberaum der Ronneburger Turmbläser und sagt, er sei beeindruckt gewesen vom "savoir vivre", der Lebenskunst der Franzosen. Das war 1992. Mittlerweile ist die Freundschaft zwischen Hauteville, wie es dort verkürzt genannt wird, und dem thüringischen Ronneburg etabliert. Seit 2003 hat die Freundschaft den rechtlichen Rahmen einer Städtepartnerschaft. Die Begeisterung dafür ist bei den Beteiligten in beiden Kleinstädten ungebrochen.

Von Freunden lernen

Von der französischen Metropole Lyon aus fährt man eine gute Stunde ostwärts - zunächst durch sanfte Hügel. Schließlich führt eine kurvenreiche Straße entlang tiefer Schluchten mit tosenden Wasserfällen hinauf auf das Hochplateau. Dort geht es, am Steinbruch mit dem berühmten beige-gelblichen Kalkstein von Hauteville vorbei, ins Zentrum der Kleinstadt mit ihren 4000 Einwohnern. In Hauteville ist man stolz auf diesen Stein, der auch beim Bau der Freiheitsstatue oder des Empire State Buildings in New York verwendet wurde. Wie in die Landschaft gewürfelt liegen die Häuser auf der Ebene von ungefähr 900 Metern Höhe. Ringsum stehen locker verteilt größere Gebäude, die wie alte Grand Hotels anmuten. Gut die Hälfte sieht verlassen aus - es sind ehemalige Sanatorien. Anfang des 20. Jahrhunderts war Hauteville ein beliebter Höhenkurort, in dem Tuberkolose-Kranke Heilung suchten. Heute werden einige der über 30 Gebäude als Rehabilitationszentren für Unfallopfer genutzt. Ein Teil steht inzwischen leer oder wurde umfunktioniert, weil Krankenkassen und Kommunen des Departements Ain aus Sparzwängen Zentren zusammengelegt haben. Für Bürgermeister Bernard Maclet eine bittere Pille. Er sei froh, dass er durch die Partnerschaft mit Ronneburg die Möglichkeit hat, zu sehen, wie man dort den Wandel der wirtschaftlichen Situation meistere. Da habe Hauteville durchaus etwas gelernt.

Der Kalksteinbruch von Hauteville-Lompnès, Frankreich Foto: DW/Sabine Hartert
Weltweit wird der Kalkstein von Hauteville verwendetBild: DW

Mehr Nähe zu Frankreich als zu Westdeutschland

Die Freunde aus Ronneburg sind sich einig, dass es die Warmherzigkeit der Menschen in ihrem Partnerstädtchen ist, die die große geographische Distanz in den Hintergrund treten läßt. Ich fand Frankreich deshalb so schön, weil es vom Miteinaner und von der Entwicklung her eine Zwischenstufe zwichen West-und Ostdeutschland war", sagt Regina Born, die kurz nach der Wende als Krankenschwester von Ronneburg nach Hauteville kam. Sie habe eine Menschlichkeit erlebt, die sie von zuhause gekannt, und die sie in Westdeutschland vermißt habe. Der Kirchenmusiker Laich, der beim ersten Besuch von Ronneburgern in Hauteville dabei war, sieht es ähnlich: "Die Mentalität war ein bißchen so wie in der DDR."

Doch nicht alle Einwohner von Hauteville waren am Anfang glücklich, dass sich der Ort ausgerechnet mit einer deutschen Gemeinde zusammentat. Einige, so sagte Marie-Hélène Oucherfi, Vorsitzende des Comité du Jumelage (deutsch: Partnerschaftsverein), seien seinerzeit schockiert gewesen. Die Gegend um Hauteville war während des Zweiten Weltkriegs Rückzugsgebiet des französischen Widerstands, der Résistance, und Lyon, wo der später mehrfach verurteilte Kriegsverbrecher Klaus Barbie wütete, ist nicht weit. Aber im Verein gebe es zwei Mitglieder, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben und nun den Austausch mit den deutschen Freunden ganz ausdrücklich befürworteten, erzählt Oucherfi. Für Bürgermeister Maclet ist diese Freundschaft deshalb so wichtig, weil man sich gegenseitig kennengelernt hat und so die Vergangenheit hinter sich lassen konnte.

Verortungskarte Hauteville-Lompes, Frankreich Grafik: DW
Hauteville-Lompnès liegt nicht weit von Lyon auf einem HochplateauBild: DW

Ronneburg ist Alltag in Hauteville

"Wir werden im Supermarkt angesprochen", sagt die Ronneburger Bürgermeisterin Krimhild Leutloff, weil sich die Menschen für uns interessieren. Sie wollen wissen, "wann wir angekommen sind und wie lange wir bleiben." Die Kommunikation klappt, auch wenn nicht alle die jeweils andere Sprache so perfekt beherrschen wie Leutloff. Leicht schmunzelnd merkt ihr Kollege Maclet an, das größte Problem für die Franzosen sei, dass sie nur Französisch sprechen. "Aber ein echtes Hindernis ist das nicht. Mit Lexikon, Händen und Gesten klappt das schon irgendwie." Die meisten bleiben zwischen den Treffen über Briefe, Telefon oder das Internet in Kontakt. "Ich versuche es auf Deutsch und mache bestimmt sehr viele Fehler", meint Marie-Helene Oucherfi und ergänzt: "Unsere deutschen Freunde versuchen es umgekehrt auch auf Französisch." Ihr deutsches Pendant, Brigitte Kühn, hat in der Schule Französisch gelernt und ist durch den Kontakt mit den Freunden in Hauteville angespornt, ihre Sprachkenntnisse aufzufrischen und zu pflegen. Völlig einig sind sich alle, in Hauteville wie in Ronneburg, dass das Internet gut ist, um den Kontakt zu halten, es aber keineswegs die persönlichen Treffen ersetzt.

Der Bürgermeister von Hauteville, Bernard Maclet Foto: DW/Sabine Hartert
Bürgermeister Maclet kommuniziert auch mit Gestik und MimikBild: DW

Auch die Mitglieder der Punk-Rock-Band PVC sehen eine Städtepartnerschaft nicht als ein Relikt vergangener Zeiten. In einer Probepause sprechen sie zwischen Instrumenten und Lautsprecherboxen über ihre guten Erfahrungen in Ronneburg. Dort waren sie im Sommer 2012 zum ersten Mal. Valentin Scion hat eine ganz eindeutige Meinung: "Klar, im Internet kann jeder mit jedem quatschen. Aber der persönliche Kontakt mit deinem Gesprächspartner, das ist etwas ganz anderes." Bei einer Städtepartnerschaft treffe man neue Leute, das sei sehr bereichernd. Sein Freund Valentin Leroy sieht es ähnlich: "Internet kann nicht alles. Bei einer Partnerschaft hat man wirklich schöne Begegnungen, und das geht über's Internet nicht."

Ein ganzes Jahr Vorfreude

Das nächste Treffen ist für den Herbst 2013 in Hauteville geplant. Bis dahin werden die Menschen die Videos und sorgfältig gepflegten Fotoalben regelmäßig ansehen. In Ronneburg steigt bereits die Spannung: "Welches Programm wird uns erwarten?", fragt sich schon heute Bürgermeisterin Leutloff. Fest steht, dass wieder deutsches Bier und mehrere Hundert thüringische Rostbratwürste mit im Gepäck sind. Beides kommt in Hauteville sehr gut an. Ariane Stölzner, Ehefrau des Metzgermeisters, freut sich, dass auf diese Weise thüringische Spezialitäten über die Landesgrenzen hinweg bekannt werden. "Man ist schon ein bißchen stolz, wenn man durch die Roster einen Schritt in die große weite Welt macht." Auf einem kleinen Platz im Zentrum von Hauteville, unter einer großen alten Linde werden die Würste dann auf den Grill gelegt. Und man wird wieder den "Schlachtruf" des französischen Partnerschaftsvereins hören: "Ein Prosit der Gemütlichkeit" - mit eindeutig französischem Akzent. Krimhild Leutloff weiß schon jetzt: "Wenn ich in Hauteville früh die Fensterläden öffne, den Nebel durch die Bäume aufsteigen sehe, die Hähne krähen höre, dann ist klar, warum ich den weiten Weg auf mich genommen habe."

Brigitte Kühn (links) und Marie-Hélène Oucherfi (rechts), Vorsitzende der jeweiligen Partnerschaftsvereine in Ronneburg/Thüringen (B. Kühn) und in Hauteville (M.-H. Oucherfi) Foto: DW/Sabine Hartert
Die Vorsitzenden der beiden Partnerschaftsvereine Kühn und Oucherfi arbeiten eng zusammenBild: DW