Friedensnobelpreis für El Baradei und die IAEA
10. Dezember 2005Für ihren Einsatz gegen die Ausbreitung von Atomwaffen werden die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA und ihr Chef Mohammed el Baradei mit dem diesjährigen Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Der 62-jährige Ägypter und die in Wien ansässige Behörde erhalten den Preis am Samstag (10.12.2005).
Mohammed el Baradei (63) steht seit rund acht Jahren im Brennpunkt des internationalen Interesses. Seit der Ägypter 1997 Nachfolger des Schweden Hans Blix an der Spitze IAEA wurde, bewegt sich der Diplomat und Jurist in einem politischen Raum, in dem Lob selten, Kritik von vielen Seiten jedoch an der Tagesordnung ist.
Kritik von allen Seiten
Vor allem die USA machten unter George W. Bush keinen Hehl daraus, dass ihnen die die Art und Weise, wie El Baradei zunächst mit dem Irak umging und jetzt mit Iran über deren Atomprogramme verhandelt, zu nachgiebig ist. Bagdad und Teheran wiederum haben El Baradei und die IAEA immer wieder beschuldigt, nur Erfüllungsgehilfe Washingtons zu sein.
Der am 17. Juni 1942 in Ägypten geborene El Baradei studierte zunächst Rechtswissenschaften in Kairo. Seit 1964 arbeitete er als Diplomat unter anderem in den Vertretungen seines Landes bei den Vereinten Nationen in Genf und New York, wo er - nebenbei - im Fach Internationales Recht promovierte. Zur IAEO kam El Baradei 1984, wo er unter anderem die Abteilung für Auswärtige Angelegenheiten leitete und dann als Stellvertreter des schwedischen Generaldirektors Hans Blix arbeitete. 1997 wurde er Blix-Nachfolger und damit als erster Repräsentant eines Entwicklungslandes Chef der Behörde. Obwohl ihm Beobachter in Wien großes diplomatisches Geschick bescheinigen, scheute er sich auch nicht, deutliche Worte zu sprechen.
Heikle Mission im Irak
Besonders schwierig war seine Rolle vor dem US-Krieg gegen den Irak 2003. Damals standen die IAEA-Waffeninspekteure unter massivem Druck Washingtons, Beweise für Geheimdienst-Berichte zu finden, wonach Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besaß. Wenige Wochen vor Kriegsbeginn erklärte der Ägypter dann öffentlich, seine Behörde habe "keine Beweise gefunden", wonach Saddam Hussein ein Atomwaffenprogramm besitze. Angesichts des Drucks der USA drohte der bedrängte El Baradei sogar kurz mit seinem Rücktritt. Inzwischen wurde er für eine dritte Amtszeit bestätigt.
Dem IAEA-Chef werden in Wien Ambitionen nachgesagt, die über sein heutiges Amt hinausgehen. Immer wieder heißt es, er strebe die Nachfolge von UN-Generalsekretär Kofi Annan an. Ob ihm der Friedensnobelpreis dabei helfen kann, bleibt abzuwarten.
60 Jahre nach dem ersten Abwurf einer Atombombe hatten viele erwartet, dass eine Initiative zur weltweiten Nuklear-Abrüstung den Preis erhalten würde. Das aus fünf norwegischen Politikern bestehende Nobelkomitee hatte zuletzt 1995 mit der "Pugwash-Konferenz" und ihrem britischen Gründer Sir Joseph Rotblat (1908-2005) eine Organisation für den Einsatz zur Abschaffung aller Atomwaffen ausgezeichnet.
199 Kandidaten
Insgesamt waren 199 Kandidaten vorgeschlagen worden. Bei den Spekulationen um denkbare Preisträger war neben der IAEA vor allem die 1956 durch Überlebende der Atombomben von Hiroschima und Nagasaki gegründete Organisation Nihon Hidankyo immer wieder genannt worden. Sie setzt sich neben der Hilfe für die Opfer auch für die weltweite Abschaffung aller Atomwaffen ein. Als weitere aussichtsreiche Anwärter galten die beiden US-Politiker Sam Nunn und Richard Lugar, die sich für die Beseitigung der atomaren Waffenarsenale aus der früheren Sowjetunion einsetzen. Nominiert war außerdem der aus der Haft entlassene israelische "Atomspion" Mordechai Vanunu. Er hatte aus Sorge vor Atomwaffen Details des israelischen Atomprogramms an eine britische Zeitung verraten. Seine Entscheidung gab das Nobelpreiskomitee in Oslo am 7. Oktober bekannt.
Im vergangenen Jahr erhielt die kenianische Umweltschützerin und Menschenrechtlerin Wangari Maathai den Friedensnobelpreis. Die Auszeichnung ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotiert und wird alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896), überreicht. Letzter deutscher Preisträger war 1971 der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (1913-1992) für seine Versöhnungspolitik gegenüber osteuropäischen Ländern. (stu)