Noch immer keine neue Regierung für Israel
16. April 2020Nach 16 Monaten mit Übergangsregierung, drei Parlamentswahlen und monatelangem Machtgerangel haben die Israelis noch immer keine Aussicht auf eine stabile Regierung. Der geschäftsführend amtierende Regierungschef Benjamin Netanjahu und sein Widersacher Benny Gantz (Artikelbild) scheiterten erneut mit dem Versuch zur Bildung einer Nationalen Einheitsregierung.
Präsident Reuven Rivlin hatte die Frist zur Regierungsbildung zuletzt noch einmal verlängert, um 48 Stunden bis Mittwoch 24 Uhr Ortszeit (23 Uhr MESZ). Dennoch sei es Benny Gantz und Benjamin Netanjahu nicht gelungen, eine Einigung zu erzielen, hieß es aus dem Präsidialamt.
Der Oppositionspolitiker Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß war von Rivlin im März mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Sowohl Gantz als auch sein möglicher Koalitionspartner Netanjahu von der konservativen Likud-Partei hatten nach der letzten Fristverlängerung die Absicht bekräftigt, eine große Koalition bilden zu wollen. Die Verhandlungen zielten laut israelischen Medien darauf ab, zunächst Netanjahu weitere 18 Monate im Amt zuzugestehen, danach hätte Gantz das Amt des Regierungschefs übernehmen sollen.
Parlament übernimmt Regierungsbildung
Nach dem abermaligen Scheitern der Verhandlungen geht das Mandat zur Regierungsbildung jetzt an das Parlament. Damit kann jeder Abgeordnete - auch Gantz und Netanjahu - versuchen, binnen 21 Tagen die Unterstützung von 61 der insgesamt 120 Parlamentarier der Knesset zu finden. Danach hat er noch einmal zwei Wochen Zeit, eine Koalition zu schmieden. Scheitert dies, muss Israel zum vierten Mal seit April 2019 wählen.
"Wir befinden uns in diesem Jahr in einem dritten Wahlkampf in Folge, ohne dass einer der gewählten Volksvertreter in der Lage ist, eine Regierung zu bilden, die das Vertrauen der Knesset (Parlament) hat", sagte Israels Präsident Reuven Rivlin nach Angaben seines Büros. Er habe Gantz, der auch Parlamentspräsident ist, über den Schritt, das Parlament mit der Regierungsbildung zu beauftragen, informiert.
Am 2. März hatten die Bürger Israels zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ein neues Parlament gewählt. Dabei gab es erneut keinen klaren Sieger, aber Gantz erhielt mehr Empfehlungen von Abgeordneten und daher von Präsident Rivlin den Auftrag zur Regierungsbildung.
Ursprünglich hatte Gantz eine Beteiligung an einer Regierung mit dem unter Korruptionsanklage stehenden Netanjahu strikt abgelehnt. Angesichts der Corona-Krise hatte es zuletzt aber danach ausgesehen, dass sich die beiden trotz erheblicher politischer Differenzen auf die Bildung einer Nationalen Einheitsregierung würden verständigen können.
qu/ml/mir (dpa, afp, rtr)