Neue US-Wirtschaftspolitik in der Kritik
9. November 2016Der Wahlsieg von Donald Trump hat einen Schock auf den internationalen Finanzmärkten ausgelöst. Auch Wirtschaftsexperten sind verunsichert. "Der Wahlausgang bedeutet einen fundamentalen Wandel", sagt Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitutes (HWWI) im Gespräch mit der DW. "Es ist zu erwarten, dass wir wirtschaftspolitisch eine Phase der Instabilität in der Welt erleben könnten."
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, sieht große Probleme auf die amerikanische Wirtschaft zukommen. "Vor allem deshalb, weil Trump die Freihandelsabkommen mit den Nachbarländern Mexiko und Kanada aufkündigen möchte und mit Strafzöllen gegenüber China vorgehen will", so Krämer gegenüber der DW. Das sei ein riesiges Problem für alle exportierenden amerikanischen Firmen, die ja die Mehrheit der Industrieunternehmen bilden. "Manche meinen zwar, es kommt nicht so dicke, weil Trump ja die Steuern senken wird. Aber die riesige Verunsicherung, die er schafft im Freihandelsbereich, wird die amerikanische Volkswirtschaft schwächen", ist sich Krämer sicher.
Folgen für die Weltwirtschaft
Auch hinsichtlich der Folgen für die Weltwirtschaft nach der US-Wahl sieht der Ökonom schwarz. So steige der Welthandel nicht mehr so wie früher, sondern stagniere preisbereinigt lediglich seit zwei Jahren. Deshalb wären eigentlich gerade jetzt Impulse durch neue Freihandelsabkommen wie etwa TTIP notwendig. Die aber lehne Trump ab. Dadurch entstünden gerade für die exportorientierte deutsche Wirtschaft Schwierigkeiten. "Diese Probleme werden etwa dann sichtbar, wenn vielleicht irgendwann in Deutschland der konsumgetriebene Aufschwung endet", so Krämer.
Wie wichtig die USA als Handelspartner für Deutschland sind, zeigen diese Zahlen: Sollte sich das Geschäftsklima mit den USA deutlich verschlechtern, wären nach Berechnungen des Münchener Ifo-Instituts etwa 1,5 Millionen deutscher Jobs im Inland und fast 200 Milliarden Euro an Direktinvestitionen deutscher Firmen in den USA betroffen. Besonders die Auto-, Maschinen- und Pharma-Branche könnten in Zukunft leiden. Die USA seien für Deutschland der wichtigste ausländische Markt. Laut Ifo-Institut betrugen die deutschen Güterexporte im Vergangenen Jahr in die USA rund 114 Milliarden Euro - das waren zehn Prozent der deutschen Gesamtexporte oder 3,8 Prozent der deutschen Jahreswirtschaftsleistung.
Protektionismus und Abschottung
Henning Vöpel hofft, dass die protektionistische Rhetorik der ökonomischen Abschottung, die Trump im Wahlkampf angeschlagen hat, nicht eins zu eins in seiner zukünftigen Realpolitik umgesetzt wird. "Aber, es sieht ja danach aus, dass Senat, Repräsentantenhaus und Kongress in republikanischer Hand sein werden. Das heißt, Trump hat tatsächlich die Zügel in der Hand und kann vieles von dem umsetzen, was er angekündigt hat", so Vöpel.
Dem Ökonomen kommen im Zusammenhang mit einer möglichen Wirtschaftspolitik unter Donald Trump vor allem der Begriff der Re-Nationalisierung sowie rechtpopulistische Strömungen in den Sinn. "Also all die Strömungen, die wir ja schon seit einigen Jahren beobachten, von denen wir aber geglaubt haben, es seien Bewegungen, die auch wieder verschwinden würden", wie Vöpel es formuliert. Jetzt sei im mächtigsten Land der Welt ein solcher Rechtspopulist tatsächlich an die Macht gekommen. "Offenbar gibt es doch eine Art Instinkt, ein Unbehagen, in weiten Teilen der amerikanischen Bevölkerung, was bestimmte Phänomene der Globalisierung betrifft. Und darüber müssen wir tiefer nachdenken, als wir das bislang getan haben."
Commerzbank-Experte Krämer stößt ins gleiche Horn, wenn er sagt: "Wir sind in der EU, im Euroraum politisch nicht auf einer Insel der Seligen. Die Populisten in Europa werden Auftrieb erhalten durch den Wahlsieg des Populisten Trump."
Mechanismen der Weltwirtschaft vor Veränderungen
Natürlich sind die Märkte überrascht, stellt Hennig Vöpel vom HWWI fest, das sei gar keine Frage. Aber es liege auch ein fundamentaler Wechsel in der Luft. Es gebe Befürchtungen, die Lage würde sich in einigen Teilen der Welt ändern, weil die USA sich als sicherheitspolitischer Anker in vielen Regionen zurückziehen könnten. "Die Handelspolitik wird sich sicherlich ändern. Wir werden in eine Phase der Globalisierung und der Weltwirtschaft treten, in der vieles auf den Prüfstand gestellt werden wird", so Vöpel. Die ganze Mechanik werde sich so immens verschieben, glaubt der Ökonom, "dass wir die Folgen heute noch gar nicht absehen können".