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Kontinentalverbände uneins über WM-Rhythmus

30. September 2021

Im Weltfußballverband FIFA sorgt der Plan, künftig alle zwei Jahre Weltmeisterschaften ausspielen zu lassen, weiter für Unruhe. Die Meinungen der Kontinentalverbände gehen auseinander.

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Niederlande | Tor am Strand von Schiermonnikoog
Gewitterstimmung im WeltfußballBild: Anton Luhr/imageBROKER/picture alliance

Arsène Wenger wirkt wie der neue FIFA-Ritter auf dem Kreuzzug für eine angeblich gerechtere und bessere Fußballwelt. "Ich persönlich würde sagen, dass jedes Talent eine Chance im Leben verdient, und das ist heute nicht der Fall", sagte der 71 Jahre alte Franzose, einst Trainerikone des englischen Premier-League-Klubs FC Arsenal. "Wenn man mit dem gleichen Talent geboren wurde, aber in Yaounde, London oder Hanoi, hat man nicht die gleichen Chancen, ein großer Fußballspieler zu werden." Mit diesen Worten warb Wenger, inzwischen FIFA-Funktionär, für einen umstrittenen Plan, der das Potential hat, die Fußballwelt zu spalten: Weltmeisterschaften alle zwei statt vier Jahre.

Damit die Spieler nicht überlastet werden, strebt Wenger nur noch einen, dafür aber längeren Zeitraum im Jahr an, in denen Klubs Spieler für die Nationalteams abstellen müssen. Die Zahl der Qualifikations- und Testspiele soll reduziert werden.

Nach dem Willen von FIFA-Präsident Gianni Infantino wird bis Ende des Jahres über das Projekt entschieden. Eingeführt werden könnte das Modell ab 2025, da der aktuell gültige weltweite Spielkalender bis Ende 2024 läuft. "Niemand sollte dabei ein Verlierer sein, jeder sollte am Ende des Tages besser dran sein", sagte Infantino nach einer Online-Konferenz zu dem umstrittenen Plan. "Andernfalls gibt es keinen Grund, irgendetwas zu ändern."

Alte Idee in neuem Gewand

Neu ist die Idee der WM alle zwei Jahre nicht. Der frühere FIFA-Präsident Joseph Blatter brachte sie bereits 1999 aufs Tapet. Der herkömmliche WM-Rhythmus, so Blatter, stamme aus den 1930er Jahren, "als die Mannschaften noch mit dem Schiff von Kontinent zu Kontinent tuckerten". Der Vorschlag wurde als Schnapsidee abgetan und wanderte in die FIFA-Schublade - wo ihn Blatters Nachfolger Gianni Infantino wieder ausgrub und Wenger, seinen Direktor für globale Fußballförderung, darauf ansetzte. Das offizielle Mandat gab es dann im vergangenen Mai, als der FIFA-Kongress auf Antrag Saudi-Arabiens eine Machbarkeitsstudie zum Zwei-Jahres-WM-Rhythmus beschloss.

Eine Umfrage unter rund 23.000 Personen aus 23 Ländern ergab nach Angaben der FIFA eine "Mehrheit der Fans" für eine häufigere Austragung der Weltmeisterschaften. Gefragt wurde, ob die WM jedes Jahr, alle zwei, drei oder, wie bisher, alle vier Jahre ausgespielt werden solle. Allerdings: Nur wenn man die Stimmen für die drei Alternativmodelle addiert, ergibt sich die vom Weltverband verkündete Mehrheit. Der bisherige Vierjahresrhythmus lag bei der Befragung auf allen Kontinenten vorn, lediglich in Afrika teilten sich die Optionen alle zwei und alle vier Jahre mit je 35 Prozent der Stimmen die Spitzenposition. Nach Angaben der FIFA läuft bereits eine zweite Umfrage mit mehr als 100.000 Befragten aus über 100 Ländern. 

Ex-Stars vor den Karren gespannt

Die FIFA inszenierte Anfang September in Doha in Katar die Präsentation des neuen WM-Modells im Stile eines Konzerns, der ein revolutionäres neues Produkt auf den Markt bringen will - mit viel Glamour, für den "FIFA-Legenden" aus Wengers Arbeitsgruppe sorgten, darunter die Ex-Weltmeister Ronaldo (Brasilien), Sami Khedira (Deutschland), Marco Materazzi (Italien), Youri Djorkaeff und David Trezeguet (beide Frankreich).

Kritische Stimmen waren von den Ex-Stars nicht zu hören, ganz im Gegenteil. "Eine WM ist immer großartig. Wir wollen mehr davon. Die Fans wollen mehr Show", schwärmte etwa Ronaldo. 

UEFA läuft Sturm gegen die Reform

Der europäische Fußballverband UEFA fühlt sich von der FIFA düpiert. Man sei in den Beratungsprozess nicht eingebunden gewesen, ließ die UEFA wissen und drohte sogar mit einem Boykott der Weltmeisterschaften. Mit "unbegründeten Werbesprüchen" könne die FIFA die "schwerwiegenden Bedenken" der Europäer nicht beseitigen. Der Verband sprach von einer "Verwässerung des Wertes des wichtigsten Fußballereignisses der Welt" und warnte unter anderem davor, dass die Frauenturniere "keine exklusiven Plätze mehr erhalten und durch die Nähe zu den Spitzenturnieren der Männer in den Hintergrund gedrängt" würden.

Italy v England - UEFA Euro 2020 Final - Wembley Stadium
UEFA-Chef Aleksander Ceferin (l.) droht FIFA-Präsident Gianni Infantino sogar mit einem WM-BoykottBild: Mike Egerton/empics/picture alliance

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) stellte sich hinter die UEFA-Kritik und sprach von einer Gefahr für die "finanzielle Sicherheit, Stabilität und Nachhaltigkeit" der europäischen Verbände. Diese profitieren schließlich von der Geldmaschine UEFA, die mit ihren eigenen Wettbewerben die Kassen ihrer Mitglieder kräftig klingeln lässt.

"Es geht definitiv nicht um das Wohl des Fußballs oder der Spieler, sondern schlichtweg um das Interesse, möglichst große Stücke von diesem Finanzkuchen Fußball zu ergattern", sagt Professor Harald Lange der DW. Die Protagonisten, so der Sportwissenschaftler der Universität Würzburg, wollten "möglichst viel Geld aus dem Fußball rausquetschen und passen natürlich auf, dass andere sich nicht die größeren Stücke wegnehmen." Für die nächste WM 2022 in Katar werden Einnahmen der FIFA von rund vier Milliarden, bei der WM 2026 in Kanada, der USA und Mexiko von elf Milliarden Euro erwartet.

Vier Kontinente liebäugeln mit der Reform

Neben den Europäern haben sich auch die Südamerikaner klar gegen Weltmeisterschaften alle zwei Jahre positioniert. "Obwohl die CONMEBOL das fragliche Projekt einst unterstützte, haben technische Analysen ergeben, dass es in höchstem Maße undurchführbar ist", teilte der südamerikanische Verband mit. Die anderen vier Kontinentalverbände zeigen sich offen für einen anderen WM-Rhythmus.

"Jetzt ist nicht die Zeit für Panikmache", erklärte die CONCACAF, der Verband Nord- und Mittelamerikas sowie der Karibik. "Und es ist auch nicht richtig, dass dieser Prozess von den Interessen einiger weniger dominiert wird oder dass einer bestimmten Region mehr Gewicht als anderen eingeräumt wird." Auch der asiatische Verband AFC und der afrikanische Verband CAF begrüßten die Diskussion darüber, "was im besten Interesse des Fußballs und unserer Interessengruppen auf allen Kontinenten weltweit ist", wie es die CAF formulierte.

Präsident der Südafrikanische Fussballverband Danny Jordaan
Danny Jordaan organisierte die WM 2010 in SüdafrikaBild: picture-alliance/Pressefoto ULMER/M. Ulmer

Der Präsident des einflussreichen südafrikanischen Verbands, Danny Jordaan, wurde deutlicher. "Der Punkt ist, dass das derzeitige System der WM-Qualifikation in der Zeit der Kolonialherrschaft eingeführt wurde", sagte Jordaan der südafrikanischen Zeitung "Sunday World": "Jetzt ist der Kolonialismus lange vorbei und die Länder des Kontinents sind unabhängig, aber das Muster ist immer noch dasselbe und lebendig." Auch der Verband Ozeaniens (OCF) machte keinen Hehl aus seiner Sympathie für einen neuen WM-Rhythmus. Es gehe darum, "die Kluft im Wettbewerbsfußball zwischen Ozeanien und den anderen Konföderationen zu überbrücken".

Gegner des Vorschlags brauchen Verbündete

Die Entscheidung über eine möglicherweise neue Schlagzahl von WM-Endrunden fällt im FIFA-Rat, dem von Präsident Infantino angeführten höchsten Gremium des Weltverbands. Die erklärten Reformgegner UEFA und CONMEBOL stellen von den 37 Mitgliedern aktuell nur 14. Sie brauchen also Verbündete, sonst könnte es durchaus so enden wie 2017, als Infantino gegen den Willen der Europäer das Teilnehmerfeld ab der WM 2026 von 32 auf 48 Teams aufblähte.

Fußball-Experte Lange glaubt jedoch nicht daran: "Es wird viel Säbelrasseln geben, Machtspiele. Man wird Kompromisse finden, vielleicht kommen auch andere Vorschläge ins Spiel wie die Ausweitung der Klub-WM unter der Schirmherrschaft der FIFA. Und dann wird wahrscheinlich erstmal alles beim Alten bleiben." In dem Fall würde aus dem Kreuzritter Arsène Wenger wohl der FIFA-Ritter von der traurigen Gestalt.

Der Artikel wurde am 1. Oktober aktualisiert.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter