Asiatische Unterstützung für FIFA-WM-Pläne
10. September 2021Alle zwei Jahre eine Fußball-WM? In Europa stoßen die Planspiele der FIFA auf ein harsches und nahezu einstimmiges Echo. "Kompletter Schwachsinn", ärgert sich Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl quasi stellvertretend für viele. "Ich halte überhaupt nichts davon, in einer solchen Zeit solche Themen in dieser Form zu diskutieren. Der Fußball ist schon sehr präsent, noch mehr Präsenz führt nicht zu noch mehr Interesse."
Aleksander Ceferin, Chef des europäischen Fußballverbands UEFA, führt den Widerstand gegen an. "Die UEFA und ihre Nationalverbände haben auch ernsthafte Vorbehalte und ernste Bedenken gegenüber Berichten über die Pläne der FIFA", sagte Ceferin und betonte, dass Europa eine alle zwei Jahre stattfindende Weltmeisterschaft boykottieren könnte.
Impuls aus Saudi-Arabien
Asien beheimatet zwar mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, verfügt aber aktuell im Vergleich zu Europa (13 Startplätze) nur über vier WM-Startplätze. Im asiatischen Raum ist man demzufolge offener für Veränderungen des Status quo. Saudi Arabien gab den Anstoß zur Diskussion darüber, den WM-Turnus zu verkürzen. "Es ist an der Zeit, die Struktur des globalen Fußballs zu überprüfen", sagte der Präsident des saudischen Fußballverbands, Yasser Al-Misehal, im Mai.
Unterstützung kommt von vier weiteren Landesverbänden aus Südasien: Bangladesch, Sri Lanka, Malediven und Nepal waren sportlich noch nie auch nur in der Nähe einer WM-Endrunde. Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen brachten sie Anfang des Monats eine gemeinsame Erklärung auf den Weg. Darin heißt es, über den Vier-Jahres-Zyklus müsse diskutiert werden. Die Begründung: "Weniger als ein Viertel der derzeitigen Mitgliedsverbände der AFC (Asian Football Confederation) waren in fast einem Jahrhundert vertreten.
Kommerziell attraktiv
Finanziell ist der durchschnittliche asiatische Verband stärker von den Geldern abhängig, die der Weltverband an seine Mitglieder verteilt, als die meisten europäischen Verbände. Auch die FIFA selbst ist finanziell von der WM-Ausrichtung abhängig. Der Großteil ihrer Einnahmen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro im Zeitraum zwischen 2015 und 2018 kam aus dem WM-Turnier 2018 in Russland. FIFA-Präsident Gianni Infantino wurde 2019 wiedergewählt, nachdem er versprochen hatte, die jährlichen Zahlungen an alle 211 Mitgliedsverbände weiter zu erhöhen. Die Verbände hatten im Zyklus 2015 bis 2018 insgesamt 930 Millionen Euro erhalten, was eine Steigerung um 276 Millionen Euro gegenüber den vorangegangenen vier Jahren bedeutet. Klar ist also: Eine zusätzliche WM alle zwei Jahre würde mehr Geld bringen.
"Für eine kleine Nation wie Bhutan finde ich das eigentlich gut", sagt Ugen Tsechup Dorji, Präsident des bhutanischen Fußballverbandes im Gespräch mit der DW. "Alle zwei Jahre bedeutet, dass mehr Gelder in die FIFA fließen und somit zu den Mitgliedsverbänden gelangen, die sehr auf Gelder der FIFA angewiesen sind, um ihre Fußballprogramme zu unterstützen und auszubauen."
Die Stimmung im Libanon ist ähnlich und wird durch das aktuelle wirtschaftliche und politische Chaos des Landes noch verstärkt. Nicht nur das Geld, das von der FIFA kommt, ist entscheidend. Die Prämie in Höhe von 2,1 Millionen Euro, die der Verband für das Erreichen der Endrunde der Qualifikation zur WM 2022 der A-Nationalmannschaf erhält, hält nicht nur die verschiedenen Nationalmannschaften des Landes über Wasser, sondern trägt auch etwa die Hälfte der Kosten der Vereinsmannschaften des Landes. "Der libanesische Fußballverband würde beim Konzept für eine WM alle zwei Jahre mit Ja stimmen", sagt Wael Chehayeb, Vorsitzender des Marketingausschusses des libanesischen Verbandes. "Wir wissen, dass es eine kommerzielle Idee ist, aber es ist eine gute Idee für uns. Es wird mehr Quali-Spiele und mehr Einnahmen bedeuten, und das ist es, was wir brauchen, um voranzukommen. Infantino hat moderne Ideen im Fußball und weiß, dass es ein Geschäft ist."
Riesige finanzielle Unterschiede
In Europa hingegen fürchtet man die endgültige Überlastung der Top-Spieler. "Das ist fast nicht mehr machbar", sagt Trainer Adi Hütter von Borussia Mönchengladbach. Ein geringerer Abstand der WM-Turniere ließe noch weniger Raum für Europameisterschaften, WM- und EM-Qualifikation und die UEFA-Nations-League. Aber auch der Klubfußball soll geschützt werden. Die Ligen in England, Spanien und Deutschland lehnen die FIFA-Idee ab. Und sie sind politisch mächtig, haben die besten Spieler der Welt und die meisten Fans.
In Asien sind Klubs und Ligen weniger mächtig. Die erste Profiliga des Kontinents ging 1983 in Südkorea an den Start, Jahrzehnte nach denen in Europa. Klubfußball ist in Asien auch deutlich weniger lukrativ. Beispielsweise erhielt der FC Chelsea für den Gewinn der UEFA Champions League im vergangenen Mai rund 118 Millionen Euro. Zum Vergleich: Ulsan Horang-I aus Südkorea erhielt für den Triumph in der asiatischen Version der Champions-League umgerechnet 3,4 Millionen Euro.
Der ehemalige Cheftrainer der iranischen Nationalmannschaft und Assistent der Nationalmannschaft von Südkorea, Afshin Ghotbi, hat Vereine in den höchsten Spielklassen Japans, Thailands und Chinas trainiert. "Die meisten asiatischen Länder werden die Weltmeisterschaft alle zwei Jahre favorisieren", prognostiziert Ghotbi. "Das hat viel damit zu tun, dass einige dieser Länder keine nationalen Ligen und Klubs mit der Geschichte und der Popularität europäischer Teams haben."
Während die kleineren Verbände möglicherweise nach mehr Einnahmen und Möglichkeiten suchen, um an Qualifikationsspielen teilzunehmen, besteht auch an der Spitze der asiatischen Fußball-Rangliste Interesse. In Südkoreas Hauptstadt Seoul ist man aufgeschlossen gegenüber möglichen Veränderungen beim WM-Zyklus: "Es würde davon abhängen, wie alles organisiert würde", sagt ein koreanischer Verbandsfunktionär, der anonym bleiben will. Vor allem mehr Spiele gegen nicht-asiatische Top-Teams seien demnach wichtig. "Wenn wir konstant erfolgreich sein wollen, müssen wir möglichst viele Pflichtspiele gegen südamerikanische und europäische Mannschaften bestreiten. Im Moment spielen wir alle vier Jahre ein oder zwei Spiele, wenn wir uns qualifizieren. Das reicht nicht."
Die Anzeichen, dass ein Großteil der Verbände in Asien die Koreaner mit unterstützen würde sind da, wie Wael Chehayeb erklärt. "Wenn es richtig organisiert ist und im Sommer stattfindet, wenn die Ligen aufhören, dann wäre es gut für den Libanon. Und das Gefühl ist anderswo genauso."
Adaption aus dem Englischen: Jens Krepela