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Politik

Die kommende Grabesruhe in Hongkong

Alexander Görlach
9. Dezember 2020

Das Urteil gegen Joshua Wong in Hongkong mag milder ausgefallen sein, als von vielen erwartet. Das darf aber über die wahren Absichten von Präsident Xi Jinping nicht hinweg täuschen, meint Alexander Görlach.

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Deutschland Zitat Prof. Dr. Alexander Görlach

Es gibt auch Menschen in Hongkong, die sich über den Fortgang der Dinge freuen: All jene, die damit Geld verdienen, dass die Ruhe in der Stadt nicht durch Demonstrationen und Forderungen nach Demokratie gestört wird. Solchen Zeitgenossen, denen Geschäfte in den Malls der Innenstadt gehören, in denen vor allem Luxuswaren angeboten werden.

Die Demonstrationen, an denen sich bisweilen mehr als eine Million Menschen beteiligten, gehören der Vergangenheit an. Vor Gericht wurde der Demokratie-Aktivist Joshua Wong vergangene Woche zu 13,5 Monaten Haft verurteilt. Weil er zu einer illegalen Demonstration gegen Polizeigewalt aufgerufen haben soll. Bislang wurden 500 Hongkonger nach dem im Juli in Kraft getretenen, sogenannten "Nationalen Sicherheitsgesetz" verurteilt, teils zu weit höheren Strafen als Wong. Weiteren 2000 steht ein solcher Prozess noch bevor.

Die Demokratiebewegung stirbt einen langsamen Tod

Peking setzt, ganz wie zu erwarten war, auf Einschüchterung. Die Hongkonger Demokratiebewegung stirbt zu Hause einen langsamen Tod. Sie hat aber ihr Licht noch weiter reichen können nach Thailand, wo die Menschen ebenfalls seit einigen Monaten auf die Straße gehen und Demokratie fordern. Die #MilkTeaAlliance der Demokratie-Bewegungen in Hongkong, Taiwan und Thailand setzt auf die Kraft der Jugend und ihre Bereitschaft, für eine bessere Zukunft alles zu riskieren.

Thailand Bangkok | Pro-Demokratie-Demonstration (25.10.2020)
Protest in Thailand (im Oktober): Gruß mit drei Fingern aus "Tribute von Panem" als Zeichen der Demokratie-BewegungBild: Athit Perawonhmetha/Reuters

Während die Proteste gegen Pekings "Auslieferungsdekret" tobte - ein Gesetz, das es erlaubt hätte, jeden und jede aus Hongkong nach China zu überführen und dort vor Gericht zu stellen - besetzten Studierende das Gebäude der gesetzgebenden Versammlung Hongkongs, um so auf ihre hoffnungslose Situation aufmerksam zu machen. Alle, die damals ihre Masken abnahmen, um erkennbar zu sein, taten das in dem Wissen, dass sie genauso im Gefängnis enden könnten wie Joshua Wong. Der musste ja bereits für sein Engagement in der Regenschirm-Bewegung im Jahr 2014 eine Haftstrafe verbüßen.

Ein Friedensangebot aus Peking?

Manche Kommentatoren hatten sogar mehrjährige Haftstrafen für Wong und seine beiden Mitstreiter Agnes Chow und Ivan Lam erwartet. Im Verhältnis dazu wirken die 13,5 Monate fast schon wie ein Olivenzweig, den Peking Hongkong und der Stadtbevölkerung darreichen möchte. Die kommunistische Führung setzt darauf, dass ihr konstantes Sprechen von Zucht und Ordnung nicht nur die Geschäfts- und Restaurantbesitzer der Stadt Stück für Stück auf ihre Seite zieht.

China Hong Kong Protest Joshua Wong Ivan Lam
Protest gegen das Urteil gegen Joshua Wong, Agnes Chow und Ivan Lam - sicherheitshalber nur noch ohne GesichtBild: Peter Parks/AFP

Doch die Hongkonger sollten sich keinen allzu großen Hoffnungen hingeben: Sie, genauso wie alle anderen in Präsident Xi Jinpings Orbit, die als renitent gelten, werden für Zugeständnisse, die sie Peking machen, nur mehr Knute zu spüren bekommen und keine Erleichterung. Über entsprechende Erfahrungen verfügen bereits die verfolgten und eingesperrten Uiguren, die Menschen in der Inneren Mongolei, die Tibeter und natürlich die Taiwanesen, deren unabhängige Inseldemokratie auch auf dem chinesischen Festland die Menschen zu mehr Demokratie inspirieren mag.

Die Demokratie-Aktivisten müssen gerettet werden

Im kommenden Jahr feiert die Kommunistische Partei Chinas ihren 100. Geburtstag. Präsident Xi möchte zu diesem Anlass sich und dem Land ein Geschenk machen: innere Ruhe. Das bedeutet für ihn eine Gleichschaltung aller Provinzen nach den Prinzipien, die er in Peking festlegt.

Für Hongkong bedeutet das, dass es weiter unter der eisernen Hand Xis wird leiden müssen. So hat die autokratische Volksrepublik schon damit gedroht, die Pässe von Hongkonger einziehen zu lassen, damit diese nicht um Asyl in der freien Welt bitten können. Es geht in Peking also nicht darum, Ruhe und Ordnung herzustellen, sondern Menschen zu knechten und als Zeichen von Überlegenheit in unlauteren Verfahren ins Gefängnis zu bringen.

Joshua Wong ist freiwillig in Hongkong geblieben, damit die Welt sehen kann, wie die Freiheit und Unabhängigkeit der Stadt stirbt. Sein Opfer und das Opfer all der vielen, die gemeinsam mit ihm die Freiheit und Menschenwürde in Hongkong verteidigen, darf nicht aufgrund unserer Untätigkeit umsonst gewesen sein. Der Appell an die deutsche Bundesregierung muss daher lauten: Je mehr Menschen von dort gerettet und zu uns gebracht werden können, desto besser.

Alexander Görlach ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hong Kong.