G7-Gipfel: Mehr als Bier und Blasmusik?
4. Juni 2015Hohe Berge mit schneebedeckten Gipfeln, sattgrüne Wiesen und blaue Flusstäler: Das "Werdenfelser Land", wie die oberbayerische Region zwischen Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald genannt wird, bietet ein alpenländisches Urlaubs-Panorama wie aus dem Bilderbuch. Mittendrin liegt das Fünf-Sterne-Hotel Schloss Elmau, das als Kulisse für das zweitägige Treffen der Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und den USA dient.
"Wir wollen unseren Gästen ein wunderschönes Stück Deutschland zeigen und in dieser Atmosphäre in einer Form tagen, die für die Ergebnisse solcher Gipfel wichtig ist", begründet Bundeskanzlerin Angela Merkel die Wahl des Treffpunkts. Eine kostspielige Wahl. Geschätzte 360 Millionen Euro wird der Ausflug der G7 kosten, inklusive der Personalkosten für rund 19.000 Polizisten, die das Schloss und die Umgebung absichern.
In kleiner Runde Klartext reden
Thematisch steht der Gipfel im Zeichen von aktuellen Krisen und humanitären Katastrophen. Der erneut eskalierende kriegerische Konflikt in der Ukraine, die Eiszeit mit Russland, der Kampf gegen die Terrororganisation IS, rund zwei Milliarden Menschen, die mangelernährt sind und hungern – die Liste ist lang. "Wer am Sinn solcher Gipfeltreffen zweifelt, muss nur auf die gegenwärtigen Krisenherde schauen, um die Notwendigkeit, ja die Pflicht zu intensiver gemeinsamer Lösungssuche zu erkennen", so die Bundeskanzlerin vorab in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Tatsächlich bieten die G7-Gipfel das einzige Forum dieser Art, in dem in vertraulicher Runde Klartext geredet werden kann. In diesem Punkt ist die Runde der alten Idee der "Kamingespräche" treu geblieben, in sehr persönlicher Atmosphäre einen echten Meinungsaustausch zu ermöglichen. Für Angela Merkel ist das Treffen aber mehr als nur Krisendiplomatie. Ihrer Meinung nach müssen von den G7 Signale gesetzt werden und Denkanstöße kommen.
Von Wirtschaftswachstum bis Klimaschutz
Nach dem Rauswurf Russlands aus der G8 begreift sich die G7 einmal mehr als Wertegemeinschaft, die eine Vorreiterrolle einzunehmen hat. Es gehe darum, Lebensbedingungen weltweit zu verbessern und Wohlstand für möglichst viele Menschen zu erreichen. Deswegen stehen auch der Klimawandel und so unterschiedliche Themen wie der Meeresumweltschutz, Antibiotika-Resistenzen und der Kampf gegen Seuchen wie Ebola auf dem Programm.
Die G7 müssten sich dazu bekennen, den Hunger und die absolute Armut bis 2030 auszulöschen, fordert Merkel. Nur wenn es gelinge, die Ernährung einer stetig wachsenden Weltbevölkerung zu sichern, hätten andere Entwicklungsschritte eine Chance. Am Montag, dem zweiten Tag des Gipfels, sitzen die Präsidenten von Nigeria und Tunesien sowie der irakische Premier mit am Tisch. Bei den Gesprächen soll es vor allem um die Bekämpfung des Terrorismus gehen, aber auch darum, welche Unterstützung die G7 bei der Inklusion geben können, also der Einbeziehung aller Teile der Bevölkerung in die politische Zukunft.
Arbeitsschutz für Entwicklungsländer
Merkel hat außerdem dafür gesorgt, dass die Themen Bildung, Selbstständigkeit und berufliche Perspektiven von Mädchen und Frauen, sowie der Arbeitsschutz auf der Tagesordnung nach oben gerückt sind. Konkret geht es um die Durchsetzung weltweiter Umwelt- und Sozialstandards bei der Produktion und in den Lieferketten von Kleidung, Lebensmitteln und anderen Produkten. Das ist eine Reaktion auf Brände und schwere Unfälle in Textilfabriken in Bangladesch, es ist aber auch ein Beispiel für eine Initiative, die auf gemeinsamen Werten der G7 fußt.
Auf dem Gipfel soll ein globaler Präventionsfonds, der "Vision Zero Fund" angestoßen werden, mit dem Brand- und Gebäudeschutz, Arbeitsinspektoren und Versicherungen gegen Arbeitsunfälle finanziert werden könnten. Wie groß der Fonds am Ende sein soll und woher das Geld kommen wird, darüber wird in Elmau aber wohl nicht entschieden werden.
Für die Gegner der G7-Gipfel zeigt sich an diesem Beispiel symptomatisch, dass bei den Treffen viel "heiße Luft" produziert wird. Ohne verbindliche Regeln für global agierende Unternehmen inklusive Schadensersatzansprüchen für Betroffene und ein Unternehmensstrafrecht auch in Deutschland bleibe der "Vision Zero Fund" ein zahnloser Tiger, urteilt die Linksfraktion im Bundestag.
Campen an der Loisach
Überhaupt, die Gegner. "Die Repräsentant*innen der reichsten und mächtigsten Staaten der Welt erheben den Anspruch, über die Geschicke der gesamten Welt zu entscheiden, ohne eine Legitimation dafür zu haben. Die Politik der G7-Staaten bedeutet neoliberale Wirtschaftspolitik, Krieg und Militarisierung, Ausbeutung, Armut und Hunger, Umweltzerstörung und Abschottung gegenüber Flüchtenden", heißt es im Aufruf des Protest-Bündnisses "Stop G7 Elmau 2015".
Auf einer Wiese in Garmisch-Partenkirchen hat das Bündnis ein Zeltlager für etwa 1000 Gipfelgegner errichtet. Die Gemeinde hatte dies zunächst untersagt. Ein Gericht in München hob die Entscheidung aber auf, die Gegner dürfen protestieren. Der Gemeinde ist das nach wie vor gar nicht Recht. Die lokale Politik steht hinter dem G7-Gipfel und erhofft sich im Nachgang einen Schub für das touristische Geschäft.
Blasmusik, Bier und Brotzeit
So sieht man es auch in der 1900-Einwohner-Gemeinde Krün zu Füßen von Schloss Elmau. Hier wollen sich am Sonntagvormittag, vor dem offiziellen Beginn des G7-Gipfels, Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama zu einem bilateralen Gespräch treffen und anschließend noch mit den Bürgern des kleinen Ortes. "Wir wollen den beiden einen großen Empfang bereiten und ihnen mit Trachtlern und Blasmusik unser oberbayerisches Brauchtum präsentieren", freut sich Bürgermeister Thomas Schwarzenberger. "Es soll eine unvergessliche Stunde für sie werden."
Merkel und Obama bei Bier und Brotzeit in malerischer Kulisse – das wird also das Foto zum Auftakt des G7-Gipfels sein. Doch die Kanzlerin weiß, dass schöne Bilder allein nicht ausreichen werden, um das Treffen zum Erfolg zu machen. Sie wird darauf drängen, dass am Ende etwas steht. 15 Seiten soll das Abschluss-Kommuniqué umfassen, an dem die sogenannten "Sherpas", also die persönlichen Beauftragten der Staats- und Regierungschefs mit ihren Stäben seit Wochen feilen. Noch steht das Papier nicht, es sei "work in progress" heißt es von Seiten der Bundesregierung.
Was wird bleiben?
Strittig ist unter anderem nach wie vor, ob beim Thema Klimaschutz das Ziel festgeschrieben wird, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Dafür müssten Treibhausgase deutlich reduziert werden. Deutschland will seinen CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 verringern. Den anderen Ländern erscheint das reichlich ambitioniert. Doch die Bundeskanzlerin erwartet von den Industriestaaten auch hier eine Vorreiterrolle und ein positives Signal an die Klimakonferenz Ende des Jahres in Paris.
Nur wenn konkrete Ergebnisse erzielt würden, sei zu rechtfertigen, dass sich die G7 jedes Jahr mit einem hohen Aufwand zu offiziellen Gipfeln treffen, sagt auch Claudia Schmucker von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Gruppe der 20 (G20) mit aufstrebenden Wirtschaftsmächten wie China, Indien und Brasilien immer mehr Bedeutung bekommen. "Die G7 ist immer noch wichtig genug", sagt Schmucker. Nur Resultate auf der Basis gemeinsamer Werte würden sie jedoch davor schützen, am Ende bedeutungslos zu werden.