US-Wähler in Bewegung
7. Februar 2008Der Super-Dienstag (5.2.2008) in den USA war nicht nur der Tag der Wähler, sondern auch der Kandidaten. Die nutzten die enorme Aufmerksamkeit, die ihnen die amerikanische Öffentlichkeit an diesem Tag schenkte, um die Wahlergebnisse zu ihrem Nutzen zu interpretieren. Dynamik für die nächsten Wahlen wird ebenso dringend gebraucht wie kostenlose Sendezeit.
Denn gut die Hälfte der amerikanischen Bundesstaaten hat die Vorwahlen der beiden Parteien Republikaner und Demokraten noch vor sich. Erst dann wird sich entscheiden, wer die beiden Präsidentschaftskandidaten sein werden. Einen Tag nach dem Großereignis amerikanischer Wahlen vom Dienstag lichten sich die Nebel, die aus den Parteizentralen über das Geschehen gelegt wurden und wir sehen etwas klarer.
Aufwärtstrend und Aufholjagd
Auf Seiten der Demokraten gehen beide Kandidaten gleichermaßen siegreich aus dem Wahltag hervor. Die Delegiertenstimmen teilen sie sich und während Barack Obama mehr Bundesstaaten gewonnen hat, siegte Hillary Clinton in den beiden großen Staaten Kalifornien und New York. Das Clinton-Camp sagt: Clinton konnte den Aufwärtstrend Obamas stoppen. Obamas Kampagne verkündet: Die Zeit sei für die Aufholjagd bisher noch zu kurz gewesen. Was stimmt, werden wir in den nächsten Vorwahlen, die ja schon bald anstehen, sehen.
Deutlich wurde aber, dass beide Kandidaten über ziemlich feste Wählerkoalitionen verfügen. Etwas grob kategorisiert wählen Frauen, hispanische und eher ältere Wähler Clinton, während Schwarze und junge Wähler sich für Obama entscheiden. Und auch bei weißen Männern hat er unerwartet gut abgeschnitten. Ob dies eine tiefe Spaltung der demokratischen Wählerschaft signalisiert oder nur die prinzipielle Zufriedenheit mit beiden Kandidaten, die sich bei den Inhalten nur geringfügig unterscheiden, wird spätestens die Mobilisierung im November zeigen.
Die Wählergruppen des anderen Lagers abgraben
Nun aber geht es in den nächsten Wochen für beide Lager darum, in die Wählergruppen des anderen Lagers einzudringen. Gelingt dies einem der beiden nachhaltig, könnte die Kandidatur vor dem Parteitag Ende August entschieden sein. Anderenfalls droht dieser zu einer Zerreißprobe für die Partei zu werden.
Auf Seiten der Republikaner war John McCain zwar nicht so erfolgreich, dass er nun schon die Kandidatur ausrufen könnte. Aber er hat sich durchgesetzt und wird der Präsidentschaftskandidat werden. Die noch fehlende Kluft wird mit Positionsannäherungen an die konservative Basis und Mike Hukabee gefüllt werden. Im Team werden diese beiden vielleicht in der Lage sein, die Reagan-Koalition aus Wirtschafts-, Sicherheits- und Wertkonservativen zusammen zu halten. Für die Partei ist dies derzeit die wichtigste Herausforderung, da kein Repräsentant alle drei Haltungen in sich vereint.
Verlust der konservativen Basis droht
Der Versuch von Mitt Romney, dies zu simulieren, ist am Dienstag hingegen gescheitert. Er kann McCain jetzt zwar noch ärgern, aber nicht mehr stoppen. So lange der innerparteiliche Wahlkampf noch anhält und sich die Partei nicht hinter dem Favoriten schart, werden die scharfen Differenzen zwischen McCain und den Ultrakonservativen jedoch deutlich zutage treten. Dies könnte mit Blick auf die Wahl im November nachhaltige Auswirkungen haben, weil diese Wählergruppen für einen republikanischen Wahlsieg unbedingt mobilisiert werden müssen. Die Anziehungskraft auf unabhängige Stimmen der unabhängigen Wähler könnte den Verlust der konservativen Basis nicht ausgleichen - schon gar nicht, wenn McCain Obama gegenüberstehen sollte.
Nach den Wahlkämpfen 2000 und 2004, die dem Ansehen der amerikanischen Demokratie in Europa geschadet haben, ist das Interesse an diesen Auseinandersetzungen besonders groß. Zu Recht. Denn dieser Wahlkampf ist spannend wie kaum einer zuvor. Vieles spricht dafür, dass er die Wählerbasis der beiden Parteien in große Bewegung bringen wird. Mit Auswirkungen auch auf Europa.
Thomas Jäger ist Professor für internationale Politik und Außenpolitikanalyse an der Universität Köln.