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Gauck mahnt zum Gespräch mit "Wutbürgern"

Naomi Conrad, Berlin 23. Mai 2016

Am Tag des Grundgesetzes mahnt der Bundespräsident vor Kommunalpolitikern in Berlin zum Dialog mit der "Wutgemeinschaft". Demokratie lebe von Gespräch und Geduld.

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Joachim Gauck (Foto: Getty Images/Bongarts/S. Hofmann)
Bild: Getty Images/Bongarts/S. Hofmann

Vor dem Konferenzsaal am Alexanderplatz in Berlin wuseln Männer in schwarzen Anzügen und Frauen in schicken Sommerkleidern vor der Sicherheitsschleuse. Über ihnen flattern mehrere Deutschland- und Europafahnen in der leichten Brise. Nur ein paar Schritte entfernt hält ein einsamer Demonstrant ein handgemaltes Plakat mit konfusen, wüsten Beschimpfungen gegen den "Zionismus" in die Höhe. Die Männer und Frauen - über 700 Kommunalpolitiker, die Präsident Joachim Gauck am Tag des Grundgesetzes nach Berlin geladen hat - schenken ihm kaum Beachtung.

Drinnen, im dichtgedrängten Konferenzsaal, während die Kommunalpolitiker immer wieder Fotos auf ihren Smartphones von ihm machen, wird Gauck ihnen seinen Dank aussprechen - dafür, dass sie das Grundgesetz, das 1949 nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Westdeutschland verabschiedet wurde und nach der Wiedervereinigung nun für ganz Deutschland gilt, mit "Leben füllen".

Die Bürgermeister, Gemeinderäte und auch Fraktionsvorsitzenden in Bürgerschaften setzten die Entscheidungen von Bund und Ländern um, die oft "großer Anstrengungen" bedürften, wie etwa die Flüchtlingspolitik in Deutschland, das er explizit ein "Einwanderungsland" nennt. In Deutschland sind die Kommunen für die Unterbringung und Versorgung der rund 1,1 Millionen Flüchtlinge verantwortlich, die im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen sind. Immer wieder haben Vertreter von Kommunen in den vergangenen Monaten finanzielle Hilfe von Bund und Ländern gefordert und vor einer Überforderung gewarnt.

Von Gauck erhalten sie nun eine Würdigung für ihre Arbeit: Kommunalpolitiker stärkten den Zusammenhalt, der oft verlorenzugehen drohe, so der ehemalige DDR-Bürgerrechtler, sie stifteten "Verbundenheit".

Plakat der AfD bei Pegida Demo in Mainz Foto: Arne Dedert/dpa)
Seit Monaten gehen Anhänger von Pegida und AfD auf die StraßeBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Gauck: "Demokratie ertragen"

Selten habe er ein so großes Bedürfnis nach Diskussion erlebt wie in den vergangenen Monaten, erklärt der Bundespräsident. Die Kommunalpolitiker klatschen immer wieder, etwa als Gauck, ohne die PEGIDA-Bewegung, die seit Monaten in verschiedenen Städten gegen den Islam, Moscheen und die "Lügenpresse" protestiert, oder die Partei AfD beim Namen zu nennen, vor einer Radikalisierung warnt, die das öffentliche Klima bis in die Kommunen hinein vergiften könne.

Bei einigen Menschen habe sich ein Denken in "Freund-Feind-Bildern" breitgemacht, so Gauck, manche Kritiker "verbinden sich im Netz zu Wutgemeinschaften", sie fühlten sich nicht mehr von der Politik repräsentiert. Manche benutzten Kampfbegriffen wie "System", einen Begriff, erklärt Gauck ernst, "der schon in der Weimarer Republik benutzt wurde, um die Demokratie zu unterhöhlen."

Trotzdem: Der Präsident mahnte zum Dialog: Es gebe eine Tendenz in Medien und Politik, Diskussionen lieber einzuhegen, "um das vermeintlich Falsche nicht zu fördern". Stattdessen seien "Gespräch und Geduld" nötig - wobei Gauck ausdrücklich hinzufügte, dass ein Dialog nur mit jenen möglich sei, die nicht den Verfassungsstaat in Frage stellten.

Spannungen ließen sich nur durch Gegenargumente und Offenheit lösen – und manchmal müssten Politiker nicht nur mehr Demokratie wagen, sondern auch "ertragen". Das Publikum klatscht.