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"Freiheitskämpferin ohne Fundamentalismus"

Naomi Conrad10. Februar 2014

In Birma zeigt Bundespräsident Gauck seine Bewunderung für Aung San Suu Kyi, schlägt aber auch kritische Töne an: Die Ausschreitungen zwischen Buddhisten und Muslimen seien besorgniserregend.

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Bundespräsident Joachim Gauck mit Aung San Su Kyi (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Entlang der leeren, vielspurigen Straße, die vom Flughafen in der Hauptstadt Naypyidaw führt, haben am Montag (10.02.2014) Schüler in grün-weißen Uniformen neben den Sicherheitsbeamten Stellung bezogen. Rechts stehen die Mädchen, links ihre Mitschüler. Als die Wagenkolonne des Präsidenten in die Straße einbiegt, winken sie mit ihren deutschen und birmanischen Fähnchen. Ein paar mitgereiste Journalisten winken bis zur nächsten Ecke zurück, starren dann auf die riesige Blumenskulptur in der Mitte eines Kreisverkehrs, unter der eine Frau mit Strohhut eine Hecke schneidet. Auch vor dem Präsidentenpalast warten uniformierte Schüler mit Fähnchen neben den angetretenen Soldaten. Eine Dame vom birmanischen Protokoll schießt noch schnell ein Foto von ihrer Kollegin. Die beiden stehen stramm, als Joachim Gauck und Thein Sein die Formation abschreiten. Auf den Marmorstufen, die in den Palast führen, flüstert ein deutscher Fotograf: "Das ist ja irgendwie wie im Osten." Er meint damit die ehemalige DDR.

Gauck ist in der birmanischen Hauptstadt, um, wie er beim offiziellen Staatsbankett im Präsidentenpalast sagt, bei seiner ersten Asienreise die "historische Transformation" des Landes zu würdigen. Unter der Präsidentschaft des früheren Militärs Thein Sein betreibt die ehemalige, über Jahrzehnte international geächtete Militärdiktatur eine vorsichte Öffnung in Richtung Demokratie. Deutschland und die internationale Gemeinschaft verfolgten die Veränderungen im Land "mit großer Sympathie und Aufmerksamkeit," so Gauck vor den versammelten birmanischen und deutschen Journalisten.

Bundespräsident Joachim Gauck mit Ex-General Thein Sein (Foto: picture-alliance/dpa)
Am Militär führt (noch) kein Weg vorbei: Gauck mit Ex-General Thein Sein (re.)Bild: picture-alliance/dpa

Über Gauck funkelt ein riesiger Kronleuchter, neben der Tür wartet das Orchester auf das Ende der Rede. Die Waffenstillstandsvereinbarungen mit nahezu allen bewaffneten Minderheiten, die Freilassung von politischen Gefangenen, die Zulassung ehemals verbotener Parteien zu Wahlen, sowie die begonnene Verfassungsreform seien allesamt Zeichen dafür, wie ernst Präsident Thein Sein der Reformprozess sei. Ein birmanischer Protokoll-Mitarbeiter lugt um die Ecke der vergoldeten Holztür und macht ein Foto mit seinem Smartphone.

Reizthema Rohingya

Trotz aller Fortschritte wolle er nicht verschweigen, so Gauck, dass ihn die Berichte über die Ausschreitungen im Bundesstaat Rakhine sowie die ungeklärte rechtliche Lage der Rohingya beunruhigten. Der muslimischen Minderheit der Rohingya, die zum Teil seit der britischen Kolonialzeit im Land leben, werden von der Regierung, die ihnen die Staatsbürgerschaft vorenthält, als eingewanderte Ausländer definiert. "Die Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Muslimen bringen Leid und Unglück", so Gauck weiter. In den vergangenen Monaten ist es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Ethnien gekommen.

Regierungssoldat hält Wache vor einer niedergebrannten Rohingya-Siedlung (Foto: AFP/Getty Images)
Regierungssoldat vor niedergebrannter Rohingya-SiedlungBild: AFP/Getty Images

Angesichts dieser Konflikte sei es wichtig, die verschiedenen Konfliktparteien zusammenzubringen, sagt Gauck. Bevor Versöhnung Wirklichkeit werden könnte, müssten alle an der friedlichen Koexistenz arbeiten. Deutschland sei bereit, das Land bei diesem schwierigen Weg zu unterstützen. Mit seinem Besuch, aber auch dem Umschuldungsabkommen, das vor dem Bankett unterzeichnet wurde, könnte ein neues Kapitel in den deutsch-birmanischen Beziehungen beginnen. Mit dem Abkommen erlässt Deutschland, nach Japan größter bilaterale Gläubiger Birmas, dem Land die Hälfte seiner Schulden von rund 1,2 Milliarden Euro.

Für diese kritischen Töne spricht ihm Oppositionsführerin Aun San Suu Kyi nach einem gemeinsamen Treffen am Nachmittag lächelnd ihren Dank aus. Es sei eine Freude und eine Unterstützung, sich mit einem Präsidenten auszutauschen, der selbst unter einer Diktatur gelebt und einen demokratischen Wandel miterlebt habe, sagt Suu Kyi vor der Presse, die sich auf dem Steg eines Hotels in Naypyidaw drängt. Unter dem Steg glitzert das schlammgrüne Wasser in der Nachmittagshitze.

Armenviertel Myanmar: Kinder vor Hütten Rangun (Foto: Roxana Isabel Duerr)
Bittere Armut trotz RohstoffreichtumBild: Roxana Isabel Duerr

Mitglieder von Aun San Suu Kyis Stab hätten Deutschland gebeten, solidarisch zu sein und weiter auf die Entwicklungen im Land zu schauen, sagt Gauck, der die Friedensnobelpreisträgerin als eine "Freiheitskämpferin ohne Fundamentalismus" und eine seiner politischen Ikonen ehrt. Schon im Vorfeld des Treffens hatte Gauck immer wieder gegenüber der mitgereisten Journalistendelegation betont, dass er sich ganz besonders auf dieses Treffen freue. Suu Kyi sei eines seiner Vorbilder, auch "weil sie es versteht, ganz grundlegende Werte und Zielvorstellungen so umzusetzen, dass sie auch bereit sei, Kompromisse einzugehen", erklärt er nach dem Treffen.

Kritik aus der eigenen Partei

Hardliner in der National League for Democracy (NLD), der Suu Kyi vorsteht, haben die Politikerin dafür kritisiert, dass sie am politischen Transformationsprozess mitarbeitet, der vom Militär bestimmt wird. Auch darf sie nach einer extra für sie geschaffenen Verfassungsklausel nicht bei Präsidentschaftswahlen antreten, weil sie mit einem Ausländer verheiratet war. In den intensiven Gesprächen sei man sich einig gewesen, dass dieses Hindernis für eine mögliche Kandidatur überwunden werden müsse, formuliert es eine Teilnehmerin der Unterhaltung später vorsichtig.

Zaw Win und Aung San Suu Kyi (Foto: Reuters)
Zu große Nähe zu den Militärs? Aung San Su Kyi mit Generalmajor Zaw Win (li.)Bild: Reuters

Als der Journalistenbus nach dem Treffen in der hereinbrechenden Dunkelheit zurück zum Flughafen fährt, ist die Blumenskulptur hell erleuchtet. Die Schüler vom Vormittag sitzen am Straßenrand. Ein paar von ihnen springen auf, die meisten bleiben aber sitzen und winken etwas müde mit ihren Fähnchen, als die Kolonne zum Flughafen abbiegt.