Gauck: "Wir stehen an Israels Seite"
6. Dezember 2015"Wir haben so viel erreicht. Lassen Sie uns daran arbeiten, dass wir das nicht verlieren und beieinander bleiben." Das wünscht sich Joachim Gauck zum Abschluss des Jubiläumsjahres, in dem Deutschland und Israel 50 Jahre dipomatische Beziehungen feiern. Und er fügt hinzu: "Wir Deutsche bleiben an Ihrer Seite."
Es ist ein kurzer Besuch in unruhigen Zeiten. Die Situation in Israel und den besetzten Palästinensergebieten ist seit Monaten stark angespannt. Fast täglich kommt es zu Messerattacken. Menschen werden getötet oder verletzt. Es herrscht Angst auf den Straßen Israels und des Westjordanlandes. Zu Israels Staatspräsident Reuven Rivlin sagt der Bundespräsident: "Es verletzt auch uns Deutsche, wenn hier fortwährend Attacken gegen israelische Bürger geschehen. Es bewegt uns. Und wir drücken ihnen unser Mitgefühl aus."
Gemeinsame Herausforderungen
Auch Präsident Rivlin äußert sich zum Terror: "Gewalt und Intoleranz sowie religiöse Verfolgung sind wieder in den Straßen Europas und Jerusalems präsent und auch in vielen Teilen des Nahen Ostens sind sie gegenwärtig. Ich glaube, wir müssen beweisen, in Berlin und in Jerusalem, dass wir diese Herausforderungen annehmen können."
Hier in Jerusalem ändert sich der Blick auf Gewalt und Terror - auch beim Bundespräsidenten: "Ich spüre es an mir selbst: Jetzt, wo der Terror näher an uns in Westeuropa heranrückt, kann ich besser jene Bedrohung erfassen, in der Israelis seit Jahrzehnten leben."
Durch Musik das Hinhören lernen
Doch bei diesem zweitägigen Besuch des Bundespräsidenten in Tel Aviv und Jerusalem geht es vor allem darum, die Freundschaft zu feiern. Mit einem Konzert des Thomanerchors und Gewandhausorchesters aus Leipzig in der israelischen Oper. Herzlich wird der Bundespräsident hier vom israelischen Publikum empfangen: “Ich stelle mir das so vor, dass das deutsche Volk Sie, meine Damen und Herren, gerade von Herzen grüßt. Mit Musik. Denn dieses Werk gehört zu den allerbeliebtesten Werken der großen Musik in Deutschland“, sagt Gauck. Aufgeführt wird das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach, das musikalisch die biblische Weihnachtsgeschichte von Christi Geburt erzählt. Das Publikum ist begeistert.
Israels Staatspräsident Rivlin sagt, Musik wie diese sei eine wunderbare Weise, uns das Zuhören und das gegenseitige Hinhören zu lehren. "Die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland sind keineswegs einfach und werden es auch niemals sein." Es seien schwierige und komplexe Beziehungen. Das gelte auch noch heute, 50 Jahre nach ihrer Aufnahme. Sie benötigten viel Unterstützung, Begleitung und ein feines Gehör. Rivlin beschreibt diese Beziehung zwischen Deutschen und Israelis als "Freundschaft".
Von dieser schlichten Beschreibung ist Bundespräsident Gauck tief bewegt: "Wenn dieses Gefühl, dass etwas Gutes wachsen kann, nachdem die Hölle ihren Rachen aufgetan hat, wenn dieses Gefühl eine menschenverbindende Wirklichkeit wird, dann ist das nicht nur etwas politisch Gutes, sondern auch etwas menschlich Schönes."
Botschaft an die junge Generation
Strahlend und beschwingt kommt der Bundespräsident am Sonntagmorgen in die Hebräische Universität in Jerusalem. Hier wird ihm die Ehrendoktorwürde verliehen. Er möchte in die Zukunft blicken - und so geht seine Botschaft direkt an die jungen Studentinnen und Studenten: "Ich wünschte, dass gerade Ihnen, die Sie die Geschicke Ihres Landes in Zukunft lenken werden, Hoffnung und Kraft erhalten bleiben, damit auch in Ihrem Land Wirklichkeit werden kann, wonach die Menschen sich überall auf der Welt sehnen: nach einem Leben in Würde, in Gerechtigkeit, in Freiheit und Sicherheit - gleichermaßen für alle." Und er gibt seinen Wunsch hier in der Universität weiter: "Ich wünschte, Juden und Palästinenser könnten die endlose Spirale der Gewalt endlich durchbrechen und friedlich und selbstbestimmt zu einem Miteinander finden."
Zum Ende seines Besuches - im Amtssitz von Israels Präsident Rivlin, spricht der Bundespräsident auch die Disharmonien im Verhältnis beider Regierungen an. Der Grad der Herzlichkeit und Offenheit würden es ihm erlauben, das anzusprechen. Es geht um das Atomabkommen mit dem Iran, das auch Deutschland mit verhandelt hat. Das wird in Israel scharf kritisiert. "Wenn sich Deutschland in dieser Weise einbringt, geht das nicht gegen die Interessen Israels. Es ist auch kein Defätismus. Es ist kein Zurückweichen. Es ist Gestaltungswillen und Verantwortung." Auch sei er froh darüber, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu versichert habe, die sozialen Verhältnisse in den besetzen Palästinensergebieten verbessern zu wollen.
Auch hier macht Bundespräsident Gauck aber klar, wo die Beziehungen stehen: "Wir werden niemals davon ablassen, dass die deutsche Regierung in einer unverbrüchlichen Verbindung zu Israel steht."